Bestwig. Das Bergkloster Bestwig hat mit der Gewährung von Kirchenasyl mehrfach Abschiebungen verhindert. Was die Politik dazu zu sagen hat.

Bislang von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat das Bergkloster Bestwig in der Vergangenheit mehrfach Kirchenasyl gewährt und damit Abschiebungen verhindert. Inzwischen sind fünf Fälle bekannt geworden, in denen eine Überstellung nach den Dublin-Regeln in europäische Länder verhindert worden ist, weil die Frist abgelaufen war, in der eine Abschiebung möglich gewesen wäre. Wir wollten wissen, wie die Bestwiger Fraktionen über das Thema Kirchenasyl im Bergkloster denken und haben sie um Stellungnahmen gebeten.

Kein rechtsfreier Raum

Alexander Brockhoff.
Alexander Brockhoff. © CDU

Dabei wird vor allem CDU-Fraktionschef Alexander Brockhoff recht deutlich. Er persönlich betrachte dieses Thema differenziert und habe Bedenken in Bezug darauf, sagt er. Allerdings sei es durchaus verständlich, dass das Kloster Kirchenasyl gewähre. „Insbesondere dann, wenn Menschen berichten, dass sie in ihrem Heimatland Verfolgung, Misshandlung und Leid erfahren haben, erscheint es nachvollziehbar, dass das Kloster aufgrund seines christlich geprägten Menschenbildes vorübergehend Schutz gewährt“, so Brockhoff.

„Es bleibt anzuerkennen, dass hinter den Entscheidungen zum Kirchenasyl individuelle Schicksale und Einzelfälle stehen, über die wir nicht immer vollständig informiert sind“, so Brockhoff. Trotzdem sei es von großer Bedeutung sicherzustellen, dass die Gesetze respektiert werden.

Das Kloster handele im Rahmen der gesetzlichen Regelungen. „Kirchenasyl sollte nicht als ein rechtsfreier Raum betrachtet werden“, betont der CDU-Fraktionschef. „Laut Flüchtlingsrat NRW werden 95 Prozent der Ausreisepflichtigen nicht abgeschoben. Dieses Ergebnis lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen, an denen das Kirchenasyl meines Erachtens nur einen geringen Anteil hat“, betont er.

>>> Lesen Sie auch: Bestwig: Der vergebliche Kampf um einen Behindertenparkplatz <<<

Paul Theo Sommer
Paul Theo Sommer © Cathrin Meyer

SPD-Fraktionsvorsitzender Paul Theo Sommer verweist unter anderem darauf, dass Kirchenasyl oft darauf abziele, Zeit zu gewinnen, um auf individuelle Härtefälle hinzuweisen und eine erneute Prüfung des Asylantrags oder andere Möglichkeiten des Aufenthalts zu erreichen. Kirchenasyl könne nicht unbegrenzt verlängert werden.

Es gebe Fristen, innerhalb derer die Kirchengemeinden die betroffene Person ermutigen, sich den Behörden zu stellen und andere rechtliche Optionen zu prüfen. „In vielen Fällen kooperieren die Behörden mit den Kirchengemeinden, um Lösungen für bestimmte Härtefälle zu finden. Dies kann dazu führen, dass Abschiebungen ausgesetzt werden“, so Sommer.

„Entscheidend ist jeder Einzelfall“

Daher biete es sich nicht an, generell über die Praxis des Bergklosters zu urteilen. „Entscheidend ist jeder Einzelfall“, betont der SPD-Fraktionschef und erinnert an eine Vereinbarung zur Kirchenasylfällen, die 2015 zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche getroffen worden sei. Demnach finde in begründeten Ausnahmefällen zur Vermeidung von besonderen humanitären Härten eine lösungsorientierte Einzelfallprüfung im Rahmen des rechtlich Möglichen statt.

Details nur aus der Presse bekannt

Matthias Scheidt.
Matthias Scheidt. © Cathrin Meyer

Bestwigs Grünen-Fraktionschef Matthias Scheidt fällt es nach eigenen Angaben schwer, eine Stellungnahme abzugeben. „Die Details der Fälle von Kirchenasyl im Bergkloster Bestwig sind mir nicht, beziehungsweise nur aus der Presse bekannt“, erklärt er. Gerade wenn man die Hintergründe und auch die Gründe des Bergklosters für die Gewährung in den Einzelfällen nicht kenne, könne man hier nicht seriös antworten. „Zudem ist die Zahl der gewährten Kirchenasyle verschwindend gering im Vergleich zur Gesamtzahl der Schutzsuchenden in Bestwig“, so Scheidt.

>>> Lesen Sie auch: Lackierzentrum Körner gegen Grüne: Ein Schild und die Kritik <<<

Was die Flüchtlingssituation in der Gemeinde angeht, sprechen alle drei Fraktionsvorsitzenden von einer angespannten Lage. Aus Sicht von Christdemokrat Alexander Brockhoff ist die Lage sogar „sehr stark angespannt“. „Im Vergleich zum Höchstwert in der Flüchtlingskrise 2015/2016 leben derzeit 25 Prozent mehr Flüchtlinge in Bestwig. Mit steigender Tendenz“, betont er. Die Flüchtlingsunterkunft in Andreasberg biete derzeit zwar noch Unterbringungsmöglichkeiten.

Es sei jedoch unklar, wann diese erschöpft sein werden. „Die weitere Perspektive ist unsicher. Wichtig ist, dass wir alles daran setzen, dass so lange wie möglich keine Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert werden müssen“, mahnt Brockhoff. Die Situation sei komplex und betreffe alle Beteiligten - von den Flüchtlingen, über die Verwaltung bis hin zu den Dorfgemeinschaften. „Trotz der steigenden Flüchtlingszahlen ist es wichtig, eine positive Einstellung und Akzeptanz gegenüber den Flüchtlingen zu bewahren“, so Brockhoff.

Keine einfache Antwort

„Es gibt keine einfache Antwort auf steigende Flüchtlingszahlen“, betont Paul Theo Sommer von der SPD. Koordinierte europäische Abkommen seien besser als innereuropäische Grenzschließungen. „Am Ende sind es die Kommunen, die mit der Situation fertig werden müssen. Die Städte und Gemeinden geraten immer mehr unter Druck, weil immer mehr Asylbewerber zugewiesen werden und Unterkünfte fehlen“, so Sommer. Das gelte auch für Bestwig. „Die Situation ist und bleibt angespannt. Die Möglichkeiten der Unterbringung neigen sich dem Ende zu.“

„Mehr Zuschüsse als wir Ausgaben haben“

Dass die Situation angespannt sei sehe man nicht zuletzt an geplatzten Planungen für Flüchtlingsunterkünfte in anderen Kommunen und den stetigen neuen Zuweisungen von Asylsuchenden durch die Bezirksregierung, sagt Grünen-Fraktionschef Matthias Scheidt. Auch die Gemeindeverwaltung in Bestwig habe einen großen Arbeitsaufwand. „Finanziell jedoch bekommen wir aktuell noch deutlich mehr Zuschüsse als wir Ausgaben haben“, so Scheidt. Mit Sicherheit müsse man sachlich diskutieren, wie man die Situation verbessern könne. „Jedoch ohne dabei Schutzsuchende pauschal zu diskreditieren oder das Recht auf Asyl als humanitäre Hilfe zu vernachlässigen“, betont er.