Meschede. Hat der Wolf zugebissen? Bei Meschede gibt es den ersten Verdachtsfall bei einem Nutztier. Landwirte sind besorgt.
Erstmals hat ein Wolf möglicherweise auch im Stadtgebiet von Meschede ein Nutztier gerissen. Der Vorfall ist dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW gemeldet worden, der Fall ist in Bearbeitung.
Genetische Nachweise führen zu Wölfen
Das Landesumweltamt ist zuständig für das Wolfs-Management in NRW, denn, wie es dort heißt: „Die Landesregierung bereitet sich intensiv darauf vor, dass sich ein einzelner Wolf oder ein Rudel standorttreu in Nordrhein-Westfalen niederlässt.“ Tatsächlich ist das längst der Fall. Das dokumentiert das Amt selbst, weil es alle Nutztierrisse auflistet, also von Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden. Bei allen Fällen, die bekannt werden, wird versucht, per genetischem Nachweis herauszufinden, ob ein Wolf dafür verantwortlich war – das ist wichtig, denn es gibt Förderrichtlinien, nach denen betroffene Tierhalter dann finanziell entschädigt werden.
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Für Dienstag, 23. Mai, liegt jetzt auch ein möglicher Vorfall für Meschede vor. Im November 2018 hatte es schon einmal einen möglichen Riss durch einen Wolf gegeben, damals aber bei Damwild. Tatsächlich war das Damwild aber krankheitsbedingt gestorben, erst nach dem Tod war es angefressen worden. Das hatten Untersuchungen des Veterinäruntersuchungsamtes Arnsberg ergeben.
Bissspuren an hochtragender Milchkuh
Jetzt könnte erstmals ein Nutztier auf der Weide betroffen sein. Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich um eine Milchkuh, die im Raum Berge tot entdeckt worden ist. Das Tier wies deutliche Bissspuren am Bauch auf, es verblutete. Die Kuh war hochtragend. Jetzt wird auf das offizielle Ergebnis einer Untersuchung gewartet. Der Kadaver wurde zum Untersuchungsamt gebracht.
Der Zeitpunkt am 23. Mai könnte ein weiteres Indiz auf einen Wolf sein: Denn am 20. Mai wiederum gibt es auch Zeugenhinweise, wonach bei Bremke im Raum Eslohe Wolfsgeheul bemerkt wurde. Möglicherweise war zu dem Zeitpunkt also ein umherstreifender Wolf in der Region.
Einer der Wolfsberater, die sich ehrenamtlich um diese Fälle kümmern, ist Stefan Knippertz, der unter anderem für die Bereiche Eslohe, Schmallenberg und Meschede zuständig ist: Nach Bekanntwerden des Wolfsgeheuls ist er mit seinen Hunden bei Bremke Zäune auf einer Länge von rund 15 Kilometern abgegangen, um möglicherweise Fährtenabdrücke zu finden – „angeschlagen haben die Hunde aber nicht“, sagt er.
„Wolfsgebiete“ in NRW
Durch Genetiknachweise lassen sich in NRW inzwischen einzelne Risse sogar konkret einzelnen Wölfen zuordnen – etwa im Raum Wesel, wo das Umweltministerium 2018 erstmals ein „Wolfsgebiet“ festgelegt hatte: Das gilt, wenn ein Wolf über ein halbes Jahr mehrfach in einem Gebiet nachgewiesen werden kann. Auch in der Senne, im Oberbergischen Land und im Hohen Venn in der Eifel sind inzwischen Wolfsgebiete.
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Auch wenn noch kein Ergebnis zum Fall bei Berge vorliegt: „Die Weidetierhalter bei uns sind besorgt“, sagt Karsten Drews-Kreilman, Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Hochsauerland in Meschede. Für die Landwirte geht es um generelle Fragen, die im Zusammenhang mit Wölfen ungeklärt seien. Denn wie soll mit der Situation umgegangen werden?
Wölfe seien viel häufiger im HSK unterwegs, als bekannt werde, sagt Drews-Kreilman: Auf Fotofallen seien sie schon häufig im Bild festgehalten worden, aus Zeitdruck heraus sei aber der Nachweis schwer zu führen. Der Verband in Meschede hat inzwischen alle Landwirte dazu aufgerufen, sich sofort direkt bei ihm zu melden, wenn aktuelle Risse befürchtet werden, um schneller die Wolfsberater zu verständigen. So soll keine Zeit verloren gehen.
„Problemwölfe müssen geschossen werden“
Drews-Kreilman sagt auch unumwunden: „Problemwölfe müssen geschossen werden.“ Und ein Problemwolf sei einer, der ein Nutztier reiße: „Die gewöhnen sich schnell an diesen Luxus von Tieren auf der Weide.“ Auch in anderen europäischen Ländern gebe es schließlich solche Regelungen. Er fordert auch praktikable Lösungen, durch die Landwirte ihre Flächen schützen könnten – und die finanziell gefördert werden: Aktuell aber müssten Schutzzäune gegen den Wolf bis in eine Tiefe von 80 Zentimetern hinab reichen – „dafür haben wir hier bei uns keine Chance, hier liegt Schiefer und Fels im Boden“. Auch der Arbeitsaufwand zum Beispiel zum Verlegen solcher Zäune werde nicht vergütet. Offen ist auch, wer die unter Strom stehenden Zäune dann pflegen und von Bewuchs freihalten würde.
Bislang ein Nachweis bei Meschede
Nachweise des Wolfes kann es neben den Spuren an toten Nutz- oder Wildtieren auch durch Haare, Kot oder Urinspuren, durch Fotofallen oder Sichtbeobachtungen geben. Wolfsberater Stefan Knippertz ist derjenige, der im Hochsauerlandkreis auch den einzigen bisher nachweislich geführten Wildtierriss durch einen Wolf dokumentieren konnte: Bei Calle, im April 2020. Dort gab es Abdrücke eines Wolfes, außerdem seine Spuren an einem gerissenen Reh.
Aufgrund der Spuren konnte sogar der Genetik-Nachweis zu einem männlichen Wolf geführt werden, der vorher zuerst in Sachsen-Anhalt erfasst wurde – und von Wölfen aus Ost- und Südosteuropa stammt: Ein Langstreckenläufer also.