Ramsbeck. Seitdem 2022 ein Lkw in seinen Ramsbecker Hof gekracht ist, ist das Leben von Willem Bult und seiner Familie weg. Einblicke in ein Seelenleben.

Ein halbes Jahr ist dieses Unglück schon her. Ende Juli 2022 krachte ein voll beladener Lkw in das Hotel Ramsbecker Hof in Ramsbeck. Was ist seitdem passiert?

„Unser Leben ist weg“, sagt Willem Bult. Der 51-Jährige ist der Pächter des Hotels. Seine Existenz geriet von einer auf die andere Minute plötzlich aus den Fugen. Und mit ihm die Existenz seiner Familie. Seit dem Unfall leben er, seine Frau und die beiden Kinder in einem Hotelzimmer – auf etwa 30 Quadratmetern: „Wir sind wie Gefangene.“

Gegessen wird aus der Mikrowelle: „Wir müssen jeden Tag frisches Essen kaufen, wir haben ja keinen Kühlschrank.“ Wohnungen, die er sich ersatzweise für die Übergangszeit angeschaut hatte, seien der Versicherung zu teuer gewesen. So musste er im Hotel bleiben. Auch Weihnachten wurde in dem Hotelzimmer gefeiert: Ohne Baum, bei Spielen und Harry Potter im Fernsehen für die Kinder.

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In der Mittagszeit war im Juli ein 50 Jahre alter Lkw-Fahrer aus Meschede auf der geraden Straße mitten in Ramsbeck plötzlich nach rechts von der Fahrbahn abgekommen, hatte noch einen geparkten Pkw gerammt und war dann in das Hotel gekracht. Das Hotel war an jenem Dienstag geschlossen. Bult, seine Frau und seine Tochter waren für ihren Betrieb zum Einkaufen unterwegs. Das Gebäude drohte einzustürzen, das Technische Hilfswerk stützte es vorsorglich ab. Der zehn Jahre alte Sohn erlebte an dem Tag oben in der Wohnung das Unglück. Er kam, wie man nachher sagt, mit dem Schrecken davon - wenn jemand keine äußerlichen Verletzungen hat: „Er hat ein Trauma davon“, sagt aber sein Vater.

„Alles riecht nach Schimmel“

Und was ist danach geschehen? Nach dem Unfall gab es ein so genanntes Betretungsverbot - das Betreten des Gebäudes stand unter Strafe – auch für Bult. Nach dem Unglück hatte er das Notwendigste herausholen dürfen, mehr nicht. Nach ersten erneuten Arbeiten und der Kontrolle der Statik konnte Bult im Dezember erst in seine Wohnung: „Alles riecht nach Schimmel. Da kann man nicht mehr wohnen.“ Teilweise stehe auch Wasser in der Wohnung.

Zur Überbrückung hatte er im Sommer einen Vorschuss von der Versicherung gezahlt bekommen. Sein damaliger Anwalt hatte ihm geraten, er solle doch Sozialleistungen beantragen: „Das will ich doch gar nicht! Ich will nicht von Sozialleistungen leben.“ Jetzt muss er feststellen: Der Vorschuss ist geschmolzen: „Wir leben von nichts.“

Familie wird zum Spielball

Die Familie ist zu einem Spielball geworden: „Wir wissen nicht, was der Eigentümer mit dem Gebäude plant.“ Wird das Gebäude abgerissen? Oder wird es saniert? Bult ist in der Zwischenzeit die Aufhebung seines Pachtvertrages gegen eine Abfindung angeboten worden. Er hat das abgelehnt. Zu viele Fragen seien offen. Von den Antworten hängt aber seine Existenz ab. Und da ist auch die schwierige Entscheidung: Würde die Familie das überhaupt mitmachen, den Neuanfang an diesem Unglücksort? „Wir sind alle durch“, gibt er Einblick ins Seelenleben. Bewerbungen für andere Arbeitsplätze hat er auch schon geschrieben – die sind aber alle abgelehnt worden, wegen der unklaren Zukunft.

Neuer Anwalt

Inzwischen wird er durch einen neuen Anwalt vertreten. Für den Niederländer dauert das alles viel zu lang: „Ist das Deutsch, dass es so lange dauert?“, fragt er sich, und sagt: „Die Schuldfrage ist doch hier einwandfrei. Jemand macht unser Geschäft kaputt – aber am Ende haben wir Schuld und müssen jetzt warten, warten, warten. Das ist eine große Katastrophe für uns.“ Dem Lkw-Fahrer, der das alles ausgelöst hat, ist er nicht böse: „Nein, ein Unfall kann schließlich passieren.“