Ramsbeck. „Du, da steht ein Lkw in deinem Haus!“ So erfährt ein Hotelier von dem schweren Unfall in Ramsbeck bei Bestwig. Er fürchtet um seine Existenz.

Wie geht es jetzt weiter mit seinem Leben? Und mit dem Leben seiner Familie? Willem Bult steht seit der vergangenen Woche plötzlich vor dem Nichts: „Muss ich mir jetzt eine neue Existenz aufbauen? Unser Einkommen und unsere Zukunft ist weg. Alles ist weg.“

Letzte Woche prallte ein voll beladener Lkw in sein Hotel Ramsbecker Hof in Ramsbeck bei Bestwig. Immer noch ist unklar, ob das Gebäude stehen bleiben kann. Der 51-Jährige hat da so seine Zweifel. Ist es womöglich ein Totalschaden?

Abgestellter Pkw lenkt Lastwagen noch zur Seite

Gerade sind noch Experten im Hotel gewesen, die nachgeschaut haben, ob sich seit dem Abstützen des Gebäudes etwas verändert hat.

Ein voll gelandener Sattelzug prallt ungebremst in das Hotel bei Bestwig. Der Fahrer hat keine Erinnerung an den Unfallhergang.
Ein voll gelandener Sattelzug prallt ungebremst in das Hotel bei Bestwig. Der Fahrer hat keine Erinnerung an den Unfallhergang. © Mustafa Amet

Das Hotel hatte aufwendig gesichert werden müssen, als der Lkw aus dem Haus gezogen werden musste. Es bestand Einsturzgefahr. Es hat sich nichts verändert in der Zwischenzeit, aber das endgültige Urteil eines Statistikers zu dem Haus steht noch aus. Willem Bult konnte nach dem Unfall noch Kleidung, Badsachen und Wertsachen aus seiner Wohnung, die über dem Gastwirtschafts- und Hotelbereich liegt, herausholen – mehr nicht. Seitdem hat er ein Betretungsverbot, bei Missachtung drohen 1000 Euro Bußgeld – zu seinem Schutz.

Gegen 12 Uhr fuhr der Kiestransporter, der vorher in Halbeswig geladen hatte und zur Baustelle der Ortsumgehung Bad Fredeburg unterwegs war, an dem Dienstag plötzlich in das Hotel – mitten im Ort, auf gerader Strecke. Der 50 Jahre alte Fahrer aus Meschede hat keine Erinnerung an den Hergang.

Ein weiteres Detail ist in der Zwischenzeit bekannt geworden: Unmittelbar vor dem Unfall rammte der Lkw noch einen abgestellten Pkw, der kurz vor dem Hotel stand, und schob ihn vor sich her. Möglicherweise wurde der Lkw dadurch so abgelenkt, dass er „nur“ in die Hotelseite fuhr. Willem Bult ist sicher: „Sonst hätte er mitten im Gebäude vor der Theke gestanden“ – vielleicht mit noch schlimmeren Folgen für das Haus.

Zehnjähriger Sohn erlebt den Aufprall

Bult war mit seiner Frau und seiner acht Jahre alten Tochter gerade für seinen Betrieb einkaufen gewesen und auf dem Rückweg vom Handelshof Arnsberg.

Das Hotel darf nicht betreten werden - auch nicht von Willem Bult. Immer noch ist offen, ob das Gebäude womöglich ein Totalschaden ist.
Das Hotel darf nicht betreten werden - auch nicht von Willem Bult. Immer noch ist offen, ob das Gebäude womöglich ein Totalschaden ist. © Jürgen Kortmann

Montags und dienstags ist kein Hotelbetrieb, mittags wurde der Getränkelieferant erwartet. Auf der Autobahn klingelte plötzlich das Handy. Er nahm den Anruf erst nicht an, weil er im Auto ungern telefoniert. Dann aber kamen immer mehr Anrufe, beim vierten ging er dran. Der war aus der Nachbarschaft: „Ich muss dir was erzählen, aber du musst ruhig bleiben: Du, da steht ein Lkw in deinem Haus!“

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Die erste Sorge galt seinem Sohn. Denn der Zehnjährige war zuhause geblieben. Gott sei dank gab es sofort Entwarnung. Er war bei Nachbarn untergekommen, ihm war nichts passiert. Der Vater berichtet, erst jetzt, nach Tagen, öffne sich sein Sohn langsam und berichte über das Geschehen. „Das ganze Haus hat gewackelt“, sagte er – man bekommt einen erschütternden Eindruck davon im Video der Überwachungskamera im Thekenbereich, die den Moment des Aufpralls filmte. Nach sieben Sekunden löst dann der Feueralarm aus. Der Sohn hatte sich in der Wohnung in der zweiten Etage aufgehalten. Bevor er das Haus verließ, galt seine größte Sorge seinem Meerschweinchen, das er mitnehmen wollte – er fand nur so schnell keinen passenden Transportbehälter.

„Gut, dass gerade Ferien sind“

Das Haus ist schwer beschädigt, kein Zweifel. Draußen liegen Bruchstücke aus der Einrichtung. Willem Bult fürchtet, dass sich die Wände verzogen haben könnten.

Die Unfallstelle: Rechts auf dem Boden ist eine Markierung der Polizei, wo sich ein Pkw befand, den der Lkw zunächst traf und ihn dann gegen das Gebäude drückte.
Die Unfallstelle: Rechts auf dem Boden ist eine Markierung der Polizei, wo sich ein Pkw befand, den der Lkw zunächst traf und ihn dann gegen das Gebäude drückte. © Jürgen Kortmann

Dennoch sagt er: „Das Gebäude interessiert mich nicht. Gut, dass niemand zu Schaden kam. Und gut, dass gerade Ferien sind.“ Das war reines Glück: Bult sagt, zur Schulzeit wäre das genau die Uhrzeit gewesen, an der Kinder am Hotel vorbei gegangen wären.

„Unsere Existenz ist weg“, sagt der 51-Jährige. Er hofft jetzt, dass die Versicherungen rasch etwas bezahlen. Untergekommen ist er vorläufig mit seiner Familie im Hotel Gevelinghausen. Ein Dauerzustand ist das natürlich nicht – nächste Woche beginnt die Schule für die Kinder wieder. Hilfe bekam die Familie auch von Freunden und Nachbarn aus dem Ort.

Seine Stationen: Asien, der FC Sevilla

Fünf Jahre hatte das Gebäude in Ramsbeck leer gestanden, 2018 entdeckte es Willem Bult. Er arbeitete zu der Zeit in einer Ferienanlage in Tecklenburg. Seine vietnamesische Frau hatte damals die Idee, sich in der Umgebung von Winterberg doch nach einem eigenen Hotel umzuschauen. So kam die Familie schließlich nach Ramsbeck.

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Bults Lebenslauf ist lang: Er arbeitete zuvor als Hoteldirektor auf Kreuzfahrtschiffen, entwickelte Hotelprojekte in China und Vietnam mit, unterrichtete in Hanoi an einer Höheren Hotelschule, war 15 Jahre lang in Spanien in der Hotelbranche, arbeitete für den erfolgreichen spanischen Fußballverein FC Sevilla. Jetzt hatte sich die Familie im Sauerland eine neue Existenz aufgebaut. Nur: Was wird daraus?