Meschede. Eine faire Diskussion mit berührenden Zeugnissen gab es in Meschede zum Thema #segenfüralle. Dabei ging es nicht nur um Schwule und Lesben.
Am Ende sagte Thea Ewers, sie hätte sich mehr Gegenargumente gewünscht, mit denen sie sich dann auch gern auseinandergesetzt hätte. „Doch ich habe keine gehört.“ Thea Ewers, Anne Remmel, Helena und Florentina Schulte hatten mit ihrer Beteiligung an der Aktion #segenfüralle und der sich daran anschließenden Diskussion die Menschen mobilisiert (wir berichteten). Vor 200 Bildschirmen saßen Zuhörer auch zu zweit und zu dritt und verfolgten die Diskussion zum Thema: Sollten Schwulen und Lesben den Segen der Kirche erhalten? Doch dahinter steckt eine andere Frage: Wie will die Kirche der Zukunft aussehen: Gehorsam oder menschlich? Sie war hier vor allem eins - jung und meinungsstark.
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Was bisher geschah
In der Osternacht hatte im ganzen Hochsauerlandkreis eine Gruppe junger Menschen, die alle der Kirche noch nahestehen, Messdiener, Pfadfinder sind oder waren - das so genannte „Regenbogen-Team“ - mit Kreide bunte Regenbogen vor die Kirchentüren gemalt. Dazu den Hashtag #segenfüralle und den Satz „love is no sin - Liebe ist keine Sünde“. Vor der St.-Walburga-Pfarrkirche ärgerte Vikar Jakob Jan Küchler diese Malerei. Er wischte sie weg. Das wiederum führte zu teils heftig geführten Diskussionen in den Medien. Das Dekanat schaltete sich ein und vermittelte eine öffentlich geführte Online-Diskussion, an der die jungen Frauen und auf ihre Einladung noch Pfarrer Bernd Mönkebüscher teilnahmen. Vikar Jakob Jan Küchler hatte Dennis Kramer dazu gebeten, Gastwirt aus Meschede und wie Mönkebüscher homosexuell.
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Die Diskussion
Ingo Brüggenjürgen, Chefredakteur des Kölner Domradio, moderierte die Veranstaltung souverän und im Zeitplan. Dabei half auch das Format. Ins Wort fallen konnte man sich normalerweise nicht, weil das Mikro nur eingeschaltet wurde, wenn man an der Reihe war. Die Argumente wurden daher fair ausgetauscht. Die Technik funktionierte trotz der 200 Zuhörer einwandfrei.
Contra #segenfüralle
Vikar Küchler verwies erneut darauf, dass er die Botschaft nicht passend für die Osternacht gehalten habe, als er sie auf eigene Initiative wegwischte, und dass er hinter dem Papier der Glaubenskongregation stehe, die die Diskussion ausgelöst hatte. Darin heißt es, dass homosexuelle Paare keinen Segen eines Pastors erhalten dürften, da ihr Zusammenleben nicht in Gottes Plan stehe. Er würde daher auch keine schwulen Paare segnen, betonte Küchler erneut und verwies auf seine Pflicht zum Gehorsam. „Allerdings würde ich die Malerei heute nicht noch einmal wegwischen“, sagte er auch. Nicht, um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen, betonte er, diese sei ihm wichtig. Er kenne viele Schwule, sie gehörten seit 1000 Jahren zur Kirche. Niemand wolle sie ausgrenzen. Das empfand auch Dennis Kramer so, auch wenn er sonst nicht viel mit der Kirche zu tun habe. „Das ist doch eine Diskussion, die wir heute nicht mehr führen müssen. Es ist egal, wen ich liebe.“
Pro #segenfüralle
Die jungen Frauen sahen das anders. Sie argumentierten mit ihrem Gewissen, mit der Vorstellung einer liebenden Kirche, die alle willkommen heißt. Anne Remmel: „Denn es gibt keine gerechte Diskriminierung, wie es in dem Papier heißt.“ Florentina Schulte kritisierte, dass sich Menschen in der Kirche für ihre sexuelle Orientierung schämen müssten. „Da frage ich mich, ob ich da noch richtig bin.“
Thea Ewers wandte sich gegen Küchlers Gehorsams-Argument: „Kirche ist doch nicht Rom, es ist das, was hier passiert.“ Alle sahen die Kirche durch solche rückwärtsgewandten Positionen gefährdet. Die Gesellschaft sei schon weiter. Anne Remmel: „Es gibt so viele Entscheidungen, die nichts mehr mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun haben. Es ist schade, dass die Kirche sich damit selbst demontiert.“
Bernd Mönkebüscher, der selbst von 1992 bis 1996 Vikar in Meschede war und heute Pastor in Hamm ist, wandte sich gegen Kramers These, dass die Diskussion über Homosexualität geführt seien. „Wenn man weiß, dass sich heute immer noch homosexuelle Jugendliche sieben Mal häufiger das Leben nehmen, muss man sie führen.“ Und: „Was Rom verbietet, geschieht bisher trotzdem, nur im Dunklen und Verborgenen - und das ist unwürdig.“
Berührende Zeugnisse
Was das mit Menschen macht, die sich der Kirche verbunden fühlen und so ausgrenzt werden, beschrieben zwei schwule Männer sehr eindrucksvoll und berührend: „Ich hatte in Oeventrop eine furchtbare Jugend“, berichtet Peter August Kessler, der heute in München lebt. „Man hielt mich für skandalös, für pervers. Es gab keine Vorbilder. Ich war einfach unsichtbar.“ Deshalb sei es so wichtig, dass die Diskussion geführt werde, dass auch die Kirche sich offen zu Schwulen und Lesben bekenne. „Für meine Eltern wurde es erst leichter, als Menschen wie Franz Müntefering offen zu ihren homosexuellen Kindern standen.“ Thomas Wunsch aus Arnsberg erzählte von seiner Bitte, den Segen für sich und seinen Mann zu erhalten. Zwei katholische Priester hätten zugestimmt, „aber nur im Geheimen. Dabei hätten wir uns die Unterstützung der Gemeinde für unsere Liebe gewünscht.“ Eine Zuhörerin fragte zum Schluss: „Meine Partnerin und ich leben hier laut Kirche ganz klar in Sünde. Würde Jesus uns den Segen verweigern?“