Nuttlar. Ute Wegener aus Nuttlar leidet an Primärer Lateralsklerose. Eine seltene und unheilbare Krankheit, die ihr Leben von Grund auf verändert hat.

Alles beginnt damit, dass Ute Wegener plötzlich den Namen ihres eigenen Betriebes manchmal nicht mehr aussprechen kann: Hundesalon Ute für alle Felle. „Wenn ich das Wort Hundesalon in den Mund genommen habe, klang das, als sei ich betrunken“, erinnert sich Ute Wegener. Das war im Augst 2018. Der Anfang eines langen Leidensweges. Ganze zwei Jahre sollte es dauern, bis sie nach einer schier unendlichen Ärzte-Odyssee Gewissheit hatte: Die Nuttlarerin leidet an PLS - an Primärer Lateralsklerose. Eine neuromuskuläre Erkrankung. Wenn die heute 58-Jährige von ihrer Diagnose spricht, vergleicht sie es mit einem Sechser im Lotto. Einem traurigen Sechser im Lotto, den sich niemand wünscht. Denn die Wahrscheinlichkeit, an PLS zu erkranken, liegt bei eins zu einer Million.

Symptome ignoriert

Lange Zeit hatte Ute Wegener die Symptome ignoriert. Und von denen gab es reichlich. Zu Weihnachten 2018 bemerkte sie erste Unsicherheiten auf hohen Schuhen. Im Februar 2019 wäre sie fast unter einem Lkw gelandet, weil beim schnellen Überqueren der Straße die Beine nicht mehr mitmachten. Erst, als sie feststellte, wie schwer ihr sportliche Übungen fallen, die sie sonst mit Leichtigkeit gemeistert hat, beginnt sie sich ernsthafte Gedanken zu machen und sucht ihren Hausarzt auf. Der überweist sie in eine Klinik. Dort schließen die Mediziner einen Schlaganfall und eine Schädigung der Halswirbelsäule aus.

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Danach wird die Nuttlarerin von einem „Experten“ zum nächsten weitergereicht. Weil die Neurologen keine Ursachen finden, schieben sie es auf Wegeners Psyche. Psychologen und Psychotherapeuten schicken sie wieder zu den Neurologen. Zwei Jahre geht das so. Bei der Suche nach echter Hilfe sei viel Eigeninitiative notwendig gewesen: Ein Kampf um unvoreingenommene Ursachenforschung, ein Kampf mit den Kassen um Hilfsmittel und das Finden der richtigen Klinik.

„Es war ein stetiges Auf und Ab“, sagt Ute Wegener. Immer wieder habe es Phasen gegeben, in denen es besser ging. Phasen in denen sie wieder Radfahren und Spazieren gehen konnte, in denen sie mit Freude ihrer Arbeit nachgehen konnte, in denen sie sich gut fühlte und die Hoffnung hatte, dass bald alles wieder so sein würde wie früher. Doch immer wieder kam nach einigen Wochen der nächste Tiefschlag. Trotz offensichtlicher Probleme habe es immer geheißen, sie sei organisch gesund, sagt Wegener und spricht rückblickend von einer zermürbenden Situation!

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Zwischenzeitlich habe sie selbst geglaubt, dass ihr Leiden einen psychosomatischen Hintergrund haben könnte: Stress im Hundesalon, Existenzängste, wenn die Kunden mal ausblieben und zwei Teens im „besten Alter“ im Haus. Das könne einem ja wirklich mal an die Nerven gehen, sagt Wegener und lächelt. Aber so ganz war sie nie davon überzeugt. „Ich war immer eine Powerfrau, die so schnell nichts aus der Bahn werfen konnte“, sagt sie und zählt auf: Hundefriseurin, Löwen-Mama, Hausfrau, Gärtnerin und und und. „Bei mir war immer Dampf auf dem Kessel.“ Stets voller Tatendrang. Stets optimistisch. Stets flott unterwegs.

Heute braucht die 58-Jährige eine Gehhilfe. Das Sprechen fällt ihr schwer - und nach der erschütternden Diagnose, die sie vor wenigen Wochen bekommen hat, manchmal auch das Lachen. Es waren die Mediziner des Zentrums für seltene Erkrankungen der Uniklinik Aachen die Wegeners Ärzte-Odyssee im März schließlich ein Ende setzten. Endlich steht als Grundlage für eine Therapie, eine organische Ursache auf dem Papier. Endlich darf behandelt werden - unter anderem mit dringend angesagter Physio und Logopädie.

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Aber: So sehr die zunehmenden Gang- und Sprachstörungen Ute Wegeners Leben verändert haben. So sehr sie noch mit der Diagnose zu kämpfen hat: Es liegt nicht in ihrer Natur, sich ihrem Schicksal zu ergeben. „Das ist jetzt mein neues Leben und das muss ich in die Hand nehmen“, sagt die 58-Jährige energisch. Heute wisse sie zwar, dass sie das viel früher hätte tun sollen. Dass sie all die Warnschüsse, nicht hätte überhören sollen. Aber hinterher sei man schließlich immer schlauer.

Positiv durchs Leben

Wegener hat sich fest vorgenommen, auch weiterhin positiv durchs Leben zu gehen - positiv mit dem umzugehen, was einem bleibe. „Ich möchte Gleichgesinnte finden, zum Schreiben, Reden oder Treffen“, sagt sie. Raus aus dem Corona-Einsamkeitsloch. „Ich möchte durch aktives Aufeinanderzugehen mir selbst und anderen helfen, mit Schicksalsschlägen oder Krankheit fertig zu werden“, erklärt Wegener. Sie weiß: „Ich muss jetzt aufpassen, mir meine Energie zu erhalten.“ Sie ist überzeugt, dass es vielen anderen ähnlich geht. „Gespräche und Kontakte geben Kraft und Energie“, sagt sie. Es gehe ihr darum, sich gegenseitig Mut zu machen. Und darauf komme es an.

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Denn heilbar ist die Primäre Lateralsklerose nicht. Durch Physiotherapie und Logopädie lassen sich aber Verbesserungen erzielen - mindestens die Symptome lindern. „Es ist überhaupt nicht vorherzusagen, wie schnell oder wie langsam sich das Ganze entwickelt“, sagt Wegener. Für ihren Hundesalon in der Bachstraße hat die ausgebremste Powerfrau jedenfalls schon einen Plan: Dort könnten die Kunden lernen, ihre Hunde unter Wegeners Anleitung selbst zu frisieren und die Profigerätschaften nutzen. „Und wenn sich jemand nicht traut, die Haare über den Augen oder an den Pfoten zu schneiden: Das kriege ich noch hin“, sagt Wegener, lacht und blickt optimistisch in die Zukunft. Im Herbst will sie wieder im Wald Pilze suchen gehen.

Wer mit Ute Wegener Kontakt aufnehmen möchte, kann sich gerne per Mail bei ihr melden. Die Mai-Adresse lautet: info@ute-für-alle-felle.dog