Meschede. Ein Polizist tritt in Meschede gegen ein Fahrrad, eine Obdachlose geht zu Boden. Die Staatsanwaltschaft beendet das Verfahren jetzt. Die Gründe.

Die Szene vom Dezember 2020 wirkte schockierend und sie sorgte für Empörung: Ein Polizist kontrolliert in Meschede eine Obdachlose auf ihrem Fahrrad. Damit sie reagiert, tritt er zunächst gegen ihren Vorderreifen, danach gegen ihren Hinterreifen. Das Fahrrad kracht zu Boden. Die Frau bleibt unten liegen. Der Beamte hilft ihr nicht hoch. Dann steht sie selbst wieder auf. Strafrechtliche Ermittlungen gegen den Polizisten sind jetzt nach vier Monaten eingestellt worden.

Zeuge dreht Video

Durch ein Video, das ein Augenzeuge gedreht hatte und später im Internet kursierte, war der Vorfall damals bekannt geworden. Die Polizei in Meschede leitete selbst ein Verfahren gegen ihren Kollegen ein. Es wurde der Neutralität wegen vom Präsidium in Dortmund geführt. Dann übernahm die Staatsanwaltschaft in Arnsberg. Sie hat verschiedene Paragrafen geprüft und das Verfahren letztlich eingestellt, wie Oberstaatsanwalt Thomas Poggel als Sprecher berichtete.

Der Beamte tritt gegen den Reifen des Fahrrads - bald darauf liegt die Obdachlose am Boden.
Der Beamte tritt gegen den Reifen des Fahrrads - bald darauf liegt die Obdachlose am Boden. © ArCHIV

Die erste Hürde der Ermittler: Die Obdachlose hat keinen festen Wohnsitz, sie als Zeugin vorzuladen wäre aussichtslos gewesen. Hinzu kommt: In Kreisen der Polizei ist bekannt, dass die Frau aggressiv reagiert, wenn sie von Beamten angesprochen oder gar angefasst wird - gegen ihren Willen wäre eine Vorladung kaum umsetzbar gewesen.

Dennoch kam die Polizei mit der Frau als Zeugin in Kontakt, wie Oberstaatsanwalt Poggel erklärte. „Einer Streife ist es gelungen mit ihr zu sprechen, eine Vernehmung darüber hinaus ist aber nicht möglich gewesen.“ Gegenüber den Beamten habe sie erklärt, bei dem Sturz nicht verletzt worden zu sein und keine Schmerzen erlitten zu haben. Juristisch sei damit kein hinreichender Tatverdacht für eine Körperverletzung gegeben, auch eine versuchte Körperverletzung scheide mangels Vorsatz aus.

Die Polizei hatte damals erklärt, dass sie über eine hilflose Person im Schlotweg informiert worden sei. Die Frau habe auf ihrem stehenden Fahrrad mitten auf dem Gehweg gelegen und sei deshalb von dem Beamten angesprochen worden sei. Mehrfach habe sie nicht reagiert, daher sei das Fahrrad angestoßen worden. Dass die Oberdachlose zu Boden gefallen sei, bedauerte die Behörde in einer Stellungnahme.

Leitung betroffen

Polizeidirektor Klause Bunse erklärte in einem Interview mit dieser Zeitung: „Das Video macht einen auf jeden Fall betroffen. Ich bedauere, dass die Frau so behandelt wurde und sogar noch zu Boden stürzte.“ Der Behindertenbeauftragte des HSK, Heinz Arenhövel, hatte seinerzeit erklärt, er sehe die Würde der Frau verletzt. „Der Polizist hätte sich spätestens um sie kümmern müssen, als sie gefallen war.“

Der Beschuldigte war in der Folge vom Bezirksdienst abgezogen und in den Innendienst versetzt worden. Unabhängig von dem eingestellten Strafverfahren läuft ein Disziplinarverfahren gegen ihn. Ein Sprecher der Behörde hatte das Einschreiten des Beamten seinerzeit als unprofessionell bezeichnet. Die Gewerkschaft der Polizei im Hochsauerlandkreis hatte eine Erklärung für das Verhalten gefordert, aber bestritten, dass es sich um einen Fall von Polizeigewalt gehandelt habe.

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Tage nach dem Vorfall berichtete die Polizei in Meschede von „üblen Drohungen und persönlichen Beleidigungen zum Nachteil des Polizeibeamten - auch gegenüber seiner Familie und der Polizei im HSK.“ Ein rechtsstaatliches Verfahren sei eingeleitet, dafür müsse auch der Beamte Gelegenheit bekommen, sich zu äußern. Man bedauere den unprofessionell wirkenden Einsatz, der auch das Vertrauen in die Polizei beeinträchtig habe.

Wie lange das Disziplinarverfahren gegen den Beamten dauern wird, ist nicht absehbar. Üblicherweise werden zunächst die Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlungen abgewartet, um sie gegebenenfalls einbeziehen zu können.