Meschede. Ein 25-Jähriger erfindet einfach neue Verträge: Selbst die Richter staunen, wie leicht im Vodafone-Laden in Meschede Betrügereien möglich waren.

Selbst Micky Maus hätte in diesem Laden problemlos einen Mobilfunkvertrag und ein neues Smartphone erhalten können – und es wäre nicht aufgefallen, dass es Micky Maus in Wirklichkeit gar nicht gibt, meint Anwalt Otto Entrup. Bei einem Strafprozess am Mescheder Amtsgericht wurden Hintergründe bekannt, wie es bei der Gewinnung neuer Vodafone-Kunden abging: Auch die Richter staunten darüber, wie so viele Fake-Verträge zustande kommen konnten.

Der Angeklagte hatte 2017 den Vodafone-Shop in der Mescheder Fußgängerzone geführt; heute ist der Laden unter neuer Leitung. Im September hatte es damals einen zunächst rätselhaften Einbruch gegeben, bei dem Mobiltelefone gestohlen wurden. Aber wie war der Täter eingedrungen? Im Sicherheitsglas waren zwar kleine Löcher durch Steinwürfe gefunden worden, aber zum Einstieg waren sie nicht geeignet. Die Polizei konnte letztlich den früheren Betreiber als Täter überführen – der Einbruch war nur vorgetäuscht worden. Vom Landgericht Arnsberg wurde er 2019 zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, wegen Veruntreuung, Unterschlagung und Betrug.

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Urteil: Zwei Jahre auf Bewährung

Diese Strafe wurde jetzt nachträglich vom Schöffengericht Meschede erhöht. Denn nach der Verurteilung wurde ermittelt, dass der 25 Jahre alte Mescheder auch Mobilfunkverträge unter Nutzung fremder Personalien abgeschlossen hatte: 33 solche Fälle brachten ihm jetzt eine weitere Anklage und eine Verurteilung wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall ein. Das Urteil vom Landgericht wurde dabei mit „verrechnet“ – zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Mann muss außerdem 200 Sozialstunden ableisten.

Außerdem hat der 25-Jährige jetzt die Weisung, sich stationär wegen seiner Spielsucht behandeln zu lassen. Er habe gewerbsmäßig gehandelt, um sich auf Dauer eine Einnahmequelle zu verschaffen. Die Spielsucht war der Hintergrund, warum der Mescheder kriminell wurde. Der Mann hatte täglich (!) 1000 bis 2000 Euro in Mescheder Spielhallen gelassen, er hat inzwischen 80.000 Euro Schulden. Er spielte vor der Arbeit an Automaten, er spielte nach der Arbeit – und er spielte auch zwischendrin, dann ließ er einen Praktikanten die Arbeit im Shop erledigen „24/7 hatte ich nur den Gedanken ans Spiel. Ich war im Tunnel. Bei mir drehte sich alles ums Spielen.“

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Um die Spielsucht bezahlen zu können, musste er schnell an Geld kommen. Er fingierte also Mobilfunkverträge: 33 Fake-Verträge waren ihm jetzt nachzuweisen. Für die Vertragsabschlüsse hatte er von Vodafone 3570 Euro an Provisionen erhalten. Außerdem wurden die für jeden Vertrag versprochenen Smartphones, meist iPhones, an seinen Shop geliefert – und er verkaufte sie für sich weiter: Schaden 29.283,78 Euro. Die Namen der angeblichen Vertragsinhaber waren alle erfunden, bis auf einen. Dieser Fall eines 22-Jährigen aus Germersheim am Rhein wurde exemplarisch verhandelt – warum dieser Name echt war, wusste der Angeklagte auch nicht mehr: Denn der 22-Jährige kannte weder Meschede noch den Vodafone-Shop.

Fehlende Kontrollen

Richter Dr. Sebastian Siepe wollte wissen, ob es keine Regeln von Vodafone für die Vertragsabschlüsse gegeben habe: „War das wirklich alles so einfach?“ „Ich musste nie einen Ausweis einreichen, es gab nie einen Identitätsnachweis“, sagte der Angeklagte. Siepe räumte ein: „Das ist dann wirklich einfach.“ Auch für die Staatsanwaltschaft stand fest: „Vodafone hat es ihm so einfach wie irgendwie möglich gemacht. Es wird nicht viel an Unterlagen verlangt, da ist die Hemmschwelle gering.“

Umgekehrt machte sich der Angeklagte auch keine Gedanken, dass von erfundenen Vertragskunden auch nie Geld hereinkommen würde. Er verdrängte das, lebte von der Hoffnung: „Wenn ich abends ins Bett ging, dachte ich, vielleicht gewinne ich ja morgen. Dann bezahle ich alles.“

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Vodafone zeigte auch nach dem vermeintlichen Einbruch und seiner Kündigung starkes Interesse, den Mann wiedereinzustellen. Er jobbte in einem anderen Handy-Laden – wo ihn wieder jemand von Vodafone entdeckte: Man bot ihm an, in einer anderen Stadt doch auch wieder einen Handy-Laden zu führen, über einen Verwandten als Strohmann. Verteidiger Otto Entrup sagte: „Sein Verkaufstalent wollte das Unternehmen gerne wiederhaben.“ Der Angeklagte lehnte das neue Angebot von sich aus ab. Er lebt heute von Hartz IV.

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>>>HINTERGRUND<<<

Zwischen 50 und 125 Euro an Provision erhielt der Mann für jeden Neuabschluss eines Handyvertrages. Die Schäden pro unterschlagenem Handy liegen zwischen 735 und 1000 Euro.

2017 war der Mann vom Amtsgericht Meschede bereits wegen Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt worden. Bis der Mann seine stationäre Therapie zur Behandlung der Spielsucht antritt, muss er regelmäßig zur Suchtberatung. Das ordnete das Gericht jetzt im Urteil ebenfalls an.