Meschede. In einem Haus bei Meschede wird ein Bauarbeiter erschlagen. Das Landgericht versucht den Fall aufzuklären. Jetzt sagte dort ein Ermittler aus.

Überall in der Unterkunft der osteuropäischen Bauarbeiter in Meschede-Voßwinkel war Blut – allerdings nicht mehr sichtbar. Bei allen Spuren war versucht worden, sie zu beseitigen. Die Spurensicherer der Dortmunder Polizei entdeckten sie dennoch alle. Dutzende von Beweisfotos dazu gibt es, die im Landgericht Arnsberg gezeigt wurden. In dem Haus war im August 2019 ein 45 Jahre alter Mann aus der Ukraine erschlagen worden. Angeklagt ist jetzt ein Kollege des Mannes, ein 29-jähriger Pole. Zuvor war ein anderer Pole (38) in einem ersten Prozess aus Mangel an Beweisen bereits freigesprochen worden.

Der Tote war verwest in einem Maisfeld bei Schüren entdeckt worden. Seine Mutter in der Ukraine hatte ihn der Polizei in Meschede damals als vermisst gemeldet. Ein Spurenabgleich an einer Zahnbürste des Mannes, die die Kriminaltechniker in der Unterkunft in Voßwinkel fanden, und einem Abrieb der Achillessehne der Leiche brachte die traurige Gewissheit.

Vor der Leiche aufgewacht

Auffallend im zweiten Prozess jetzt sind Widersprüche zwischen den objektiven Funden der Polizei und den Aussagen des ersten, freigelassenen Angeklagten. Der behauptete, er sei zwar in einem Streit mit dem Ukrainer verwickelt gewesen – sei von diesem dann aber niedergeschlagen worden. Aufgewacht sei er dann neben der Leiche an der Heizung im Eingangsbereich des Wohnhauses. Seltsam nur: Die Polizei fand an der Heizung nachher aber gar keine Blutspuren. Restlos beseitigen lassen die sich nicht: „Mit bloßem Auge kann man nicht erkennen, dass an einer Stelle einmal Blut war. Da kommt die Chemie zum Einsatz“, so der 48-jährige Ermittler. Verwischtes Blut wird wieder sichtbar gemacht.

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Die Spurensicherer decken diese vertuschten Blutspuren mit der chemischen Verbindung Luminol auf – eben auch, wenn versucht wird, sie wegzuwischen. Die Chemikalie verfärbt sich bläulich-violett, wenn an einer Stelle Blut war; sie reagiert auf Eisenanteile im Blut. Luminol kam auch in Voßwinkel zum Einsatz: Und im ganzen Haus fanden sich verdeckte Blutspuren. Aber nicht an diesem Heizkörper. Ist das ein Indiz, dass der 38-Jährige doch nicht die Wahrheit sagte? Er hatte den 29-Jährigen beschuldigt, den Ukrainer erschlagen zu haben.

Schankraum früherer Gaststätte

Der 29-Jährige wiederum beteuert in diesem Prozess, nichts mit dem Tod des Ukrainers zu tun zu haben. Er sei nur gezwungen worden, die Leiche mit wegzufahren. War der Tatort also nicht in dem Eingangsbereich, sondern tatsächlich im ehemaligen Schankraum der früheren Gaststätte? Den nutzen die Bauarbeiter inzwischen als Aufenthaltsraum und als Küche: „Der Schankraum war für uns besonders interessant wegen der Spuren“, so der Ermittler: „Überall war hier Blut in auffälliger Menge, an allen Wänden, an allen Gegenständen.“ Noch so ein Detail: Der 38-Jährige hatte ausgesagt, nach der Bluttat sei in dem Haus die Decke deswegen gestrichen worden. Frische Farbe dagegen war den Polizei-Experten aber nicht aufgefallen.

Neben dem Schankraum war das Zimmer des Ukrainers, über den in diesem Verfahren kaum etwas bekannt wird. Das Zimmer teilte er sich mit anderen, ein Foto zeigt seine Ecke mit einem Bett, einem Kleiderständer und einem Schränkchen. Das war sein persönlicher Lebensbereich. Über dem Eingang zum Zimmer steht noch „Vertrauen“ und „Einsatz“ als Schlagworte – die stammen noch aus der Zeit, bevor die Bauarbeiter hier einzogen, als noch benachteiligte Jugendliche in dem Haus betreut wurden.

Mit Axtstiel erschlagen

Der Freigesprochene behauptete auch, der Ukrainer sei mit einem Axtstiel erschlagen worden. Der Stiel sei nachher verbrannt worden. Seltsam aber: Die Polizei fand gar keine entsprechende Feuerstelle am Grundstück, sagte der Ermittler. Damit auch keine Spur eines Axtstiels. Ein Leichenspürhund der Polizei schlug auf der überdachten Terrasse hinter dem Haus an: Dort war der Leichnam des Ukrainers abgelegt worden, bis es eine günstige Gelegenheit gab, sie nach Schüren zu bringen und dort zu verstecken.

Der 48-jährige Spurensicherer dagegen entdeckte selbst einen Vorschlaghammer in einem Kabuff unter der Treppe im Wohnhaus. War das die tatsächliche Tatwaffe? Denn an dem Hammer wiederum waren ebenfalls Blutspuren – und DNA des 38-Jährigen. Das hatte im ersten Prozess aber nicht gegen ihn ausgereicht. Pflichtverteidiger Otto Entrup musste sich diesmal nur bestätigen lassen, dass eben keine Spuren seines Mandanten an dem Hammer klebten: Das bestätigte der Ermittler ihm.

Aus Polen erst in Quarantäne

Die Strafkammer bemüht sich weiterhin darum, den jetzt freigesprochenen ehemaligen Angeklagten aus Polen wieder nach Arnsberg zu holen – jetzt als Zeugen. Der 38-Jährige sitzt nach seiner Freilassung in Deutschland nun in Polen wegen anderer Strafen in Haft. Es ist bereits geplant, dass der Mann über Cottbus nach Deutschland für die Verhandlung ausgeliefert werden soll.

Jetzt kommt Corona ins Spiel: Der Mann müsste dann vorsichtshalber erst einmal in einem deutschen Gefängnis in Quarantäne, bevor er nach Arnsberg transportiert werden kann.