Hochsauerlandkreis. Corona hat mehr Einfluss auf die Psyche als manch einer glaubt. Christian Rademacher vom psychiatrischen Dienstes des HSK kennt die Hintergründe.

Lockdown, Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum, die Angst, an Corona zu erkranken oder den Job zu verlieren - das sind nur einige der Faktoren, die das Leben in den letzten Monaten eingeschränkt haben, es noch immer tun oder durch steigende Infektionszahlen wieder in den Fokus rücken. Menschen reagieren unterschiedlich auf diese neue, in dieser Form nie da gewesene, Belastung und so nimmt die Corona-Pandemie auch Einfluss auf die Psyche. Mit dieser Zeitung hat Christian Rademacher vom psychiatrischen Dienstes des Hochsauerlandkreises über potenzielle psychosoziale Belastungen und deren Entstehungsquellen während der Corona-Pandemie gesprochen.

Noch keine klaren Aussagen

Zahlen, die einen Anstieg psychischer Krankheiten oder psychosozialer Belastungen durch Corona belegen, liegen dem Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises bislang noch nicht vor. „Es wäre auch noch zu früh für eine Evaluation. Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass die psychosozialen Belastung in Krisenzeiten steigt“, erklärt Christian Rademacher.

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Unterscheidet man zwischen psychiatrischen Erkrankungen und psychosozialem Belastungserleben, kann letzteres zwar nicht mit Zahlen belegt werden, liegt laut Rademacher aber nahe: Typische Symptome seien Ängstlichkeit, Wut, Einsamkeit durch Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben bis hin zu Schlafstörungen. Besonders betroffen seien Menschen, die zur Risikogruppe gehören oder psychisch vorbelastet sind. „Wie Personen den psychosozialen Belastungen begegnen, hängt dann maßgeblich von ihrer Resilienz, also der psychischen Widerstandsfähigkeit ab“, so Rademacher.

Das „Warum“ kennen

Wie widerstandsfähig die eigene Psyche in Belastungssituation wie der aktuellen letztlich ist, ist dann wiederum von verschiedenen Faktoren abhängig: Personen, die grundsätzlich optimistisch durchs Leben gehen und ein gesundes soziales Umfeld, also Familie und Freunde als Rückhalt haben, sind allgemein weniger anfällig dafür, während außergewöhnlichen Situationen wie Lockdown oder Quarantäne psychisch belastet zu sein. Christian Rademacher erklärt: „Man kann sagen, dass etwa ein Drittel der psychosozialen Belastungen durch soziale Netzwerke kompensiert werden.“

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Wie ängstlich man der Pandemie gegenübertritt, steht im Zusammenhang damit, wie kohärent, also stimmig, einem die Fakten, in diesem Fall zum Beispiel der Informationsfluss durch die Politik, erscheint. Verfügt man über verständliche und transparente Informationen zu Corona-Regeln oder -Infektionszahlen, erscheint die Krise handelbarer als wenn man im Dunkeln tappen würde, was die Verbreitung des Virus angeht. „Hier trifft es ein Zitat von Nietzsche ziemlich gut. Wer das Warum kennt, erträgt fast jedes Wie“, so Rademacher. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass man versteht, warum es zurzeit Einschränkungen im Alltag gibt, warum man zum Beispiel einen Mund-Nasen-Schutz tragen muss und warum man dieser Situation überhaupt ausgesetzt ist.

Psychisch Vorbelastete sind anfälliger

„Klar ist aber, dass psychisch vorbelastete Personen die aktuelle Situation schwieriger ertragen können und eher dazu neigen, dass durch die Corona-Pandemie entstehende Ängste die Psyche belasten“, erklärt Christian Rademacher. Erfreulich findet er, dass zum Beispiel in stationären Einrichtungen vieles mit Solidarität kompensiert wird. „Bei psychosozialen Versorgern hat die Not erfinderisch gemacht. Da sind die Mitarbeiter wirklich über sich hinaus gewachsen, haben Bewohnern während des Lockdowns Videotelefonie mit Angehörigen ermöglicht oder Menschen mit Behinderung, die nicht mehr in ihre Werkstätten durften, sinnstiftende Beschäftigungen innerhalb der Pflegeheime angeboten, die es vorher so nicht gab“, gewinnt Christian Rademacher der Krise auch etwas Positives ab.

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Und auch für Personen mit Suchterkrankung stellt die Corona-Krise eine herausfordernde Situation dar. „In außergewöhnlichen Belastungssituationen kann es im Rahmen von bestehenden Suchterkrankungen vermehrt zu Rückfällen kommen“, so Rademacher. Das gilt sowohl für stoffgebundene Abhängigkeiten wie Alkoholsucht oder stoffungebundene Süchte, wie zum Beispiel Glücksspielsucht.

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Ein nicht zu unterschätzendes Thema ist aber auch die Zusatzbelastung durch Existenzängste. Durch die wirtschaftlichen Auswirkungen, die Lockdown und Corona-Regeln in einigen Branchen mit sich bringen, bangen auch im Hochsauerlandkreis Menschen um ihre Jobs, ihr Unternehmen und damit einhergehend um die eigene Existenz. „Der Verlust von Arbeit ist immer eine hohe Belastung für die Psyche, auch außerhalb von außergewöhnlichen Belastungssituationen“, weiß Christian Rademacher vom sozialpsychiatrischen Dienst des Hochsauerlandkreises.

Wer selbst von den oben genannten Belastungen betroffen ist und meint, alleine nicht mit der Situation klarzukommen, kann sich unter anderem an die Beratungsangebote des Hochsauerlandkreises wenden. Der sozialpsychiatrische Dienst ist unter 02931 / 94 - 4217 zu erreichen.

  • Hilfe bei psychischen Belastungen findet man hier:
  • Kontakt- und Beratungsstelle für psychisch Erkrankte Meschede der Diakonie Ruhr-Hellweg: 0291/2900171
  • Sozialpsychiatrischer Dienst: 02931/944271
  • In ganz akuten Fällen und vor allem mit psychiatrischen Vorerkrankungen sollte man sich gleich um eine psychiatrische Behandlung bemühen.