Nuttlar. Ungewöhnlicher Fall vor Gericht in Meschede: Vater aus Nuttlar angeklagt, Sohn sitzt wegen Drogenhandels, Richterin glaubt Polizist nicht.

Er wird in Fußfesseln vorgeführt: Der 31 Jahre alte Drogendealer aus Nuttlar sitzt gerade seine dreijährige Gefängnisstrafe ab. Vor dem Amtsgericht Meschede soll der Mann, der für einen aufsehenerregenden Fall an Drogenkriminalität in der Region verantwortlich ist, seinen Vater als Zeuge entlasten. Der Vater spricht vor Gericht von einem Kesseltreiben in Nuttlar gegen sich und seine Familie.

Vater aus Nuttlar will seine Unschuld beweisen

Der 55 Jahre alte Kfz-Meister hat einem Strafbefehl widersprochen: Er will lieber in einem Strafprozess seine Unschuld beweisen, sagt er. Die Anklage ist eher ungewöhnlich vor Gericht: Das fahrlässige Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, so lautet der Vorwurf juristisch. Dahinter steckt: Der Vater soll als Halter geduldet haben, dass sein Sohn – der Dealer – sein Auto gefahren ist, obwohl er seit 2015 keinen Führerschein hat. Das wäre strafbar.

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Der Vorfall ereignete sich im April, als der Sohn noch auf freiem Fuß war (das Verfahren war bis vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe gelangt, wo es – am Ende erfolglos für den 31-Jährigen -- auf Verfahrens- oder Rechtsfehler geprüft wurde) und als Teilzeitbeschäftigter für den Vater arbeitete. Der 31-Jährige soll, so die Anklage, kurz vom Werkstattgelände des Vaters mit dessen Sportwagen zu einer Tankstelle gefahren sein, um Menthol-Zigaretten zu kaufen, und wieder zurück. Dabei soll er gesehen worden sein.

Mal kurz noch Zigaretten holen

Vater und Sohn bestreiten das energisch. Der Sportwagen stand in der Werkstatt, weil die Batterie aufgeladen werden musste. Da kam ein Bekannter, der an seinem Auto die Mängel vom TÜV beseitigt haben wollte – das Auto verlor schon Flüssigkeit.

Beim Drogenprozess 2019 am Landgericht Arnsberg: Der Nuttlarer (rechts) ist der Hauptangeklagte.
Beim Drogenprozess 2019 am Landgericht Arnsberg: Der Nuttlarer (rechts) ist der Hauptangeklagte. © WP Meschede | Mareike Maack

Das Auto sollte deshalb schnell in die Werkstatt: „Ich habe tolle Nachbarn – wenn die das sehen, würden sie sofort die Feuerwehr rufen“, sagt der 55-Jährige. Um Platz zu schaffen, musste also sein eigener Sportwagen aus der Werkstatt. Bei der Gelegenheit könnten dann auch eben Zigaretten geholt werden, so der Plan. Ans Steuer setzte sich, so Vater und Sohn, der Bekannte; der 31-Jährige, der ja nicht fahren durfte, war nach ihren Angaben der Beifahrer. Ein anderer Zeuge an der Werkstatt bestätigte das.

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Gesehen haben will den 31-Jährigen am Steuer dagegen ausgerechnet an einem Tankstellengelände ein 41 Jahre alter Polizeibeamter: „Das ist doch der XY! Der darf doch gar nicht fahren!“, will er erstaunt gesehen haben. Woher er ihn denn gekannt habe, will Richterin Lucia Belke von dem Zeugen wissen: „Durch vorhergehende polizeiliche Einsätze.“ Später kam die Polizei aufs Gelände: Der 31-Jährige musste seinem Vater nachher sagen, „Du, ich habe schon wieder eine Anzeige.“

Überwachungsbilder aus Tankstelle

Der Polizist bleibt vor Gericht dabei: Er sei sich „100-prozentig sicher“, den 31-Jährigen am Steuer gesehen zu haben. Aber: Verteidiger Yasin Ertas (Meschede) zeigt Szenen aus einer Überwachungskamera einer Tankstelle (nicht die, an der der Polizist ihn gesehen haben will) – darauf ist nach seiner Überzeugung der 31-Jährige als Beifahrer zu sehen. Dem Polizisten werden die Bilder gezeigt: „Ich kann darauf nichts erkennen“, sagt dieser aber.

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Die Staatsanwaltschaft hält sich an die Aussage des Polizisten: Sie sieht dadurch den Vorwurf einer Sorgfaltspflicht-Verletzung durch den Vater als Autohalter bestätigt, er soll dafür 2000 Euro Strafe zahlen. Der Verteidiger will einen Freispruch: Worin soll der Verstoß liegen – denn den Autoschlüssel habe ja der Bekannte erhalten?

Richterin: Kein Verstoß gegen Sorgfaltspflicht

Richterin Belke stellt sich im Urteil hinter den Vater: Der 55-Jährige wird freigesprochen, es habe keinen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht gegeben: „Die Verantwortung eines Halters ist groß. Ungeeignete dürfen kein Auto fahren. Aber ein Halter muss nicht verhindern, dass ein ungeeigneter Mann als Beifahrer mitfährt.“

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Der Vater klagt im Gericht: Viele in Nuttlar hätten sich gegen seine Familie verschworen – „es hat sich ein Ghetto gebildet“. „Jeder Jugendliche macht Fehler. Er soll seine Strafe absitzen“, sagt er über seinen Sohn: „Aber die ganze Familie unter einen Hut zu stecken: Das gehört sich nicht.“ Dauernd werde er angezeigt, sagte er – bewahre er Eisenteile in einem Fass auf, werde behauptet, da seien verbotenerweise ölhaltige Abfälle drin. Selbst als er weiße Natursteine als Blumenschmuck ausgelegt habe, sei er angezeigt worden: Er würde angeblich illegal Bauschutt entsorgen.

>>>HINTERGRUND<<<

Im Juni 2018 wurden bei einer Razzia bei dem heute 31-Jährigen in Nuttlar von der Polizei 4,5 Kilogramm hochkonzentrierte Amphetaminbasezubereitung für die Herstellung von Drogen gefunden.

Der Mann wurde vom Landgericht Arnsberg zu drei Jahren Gefängnis wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels verurteilt.

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Angeliefert worden war die Ware von einem 21-jährigen Mann aus den Niederlanden zur Nuttlarer Kirche. Er bekommt zwei Jahre und zehn Monate Haft, ein weiterer Angeklagter aus Ramsbeck zwei Jahre und sechs Monate.

Der Sohn zeigte sich damals reumütig: Er versicherte vor Gericht, nie wieder etwas mit „illegalen Sachen“ zu tun haben zu wollen. Er wolle die Werkstatt seines Vaters übernehmen und für seine Familie da sein.