Meschede. Wie ist in Meschede das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt worden? Schüler des Städtischen Gymnasiums haben dazu Zeitzeugen interviewt.
Unsere Reihe „Schulen in Meschede nach dem 2. Weltkrieg“ setzen wir heute fort mit Auszügen aus dem Tagebuch der neunjährigen Margot, die 1945 die 3. Klasse der Volksschule besuchte.
12. September 1945
Ich bin die erste aus unserer Familie, die wieder zur Schule gehen darf, denn die Volksschule beginnt für das erste bis vierte Schuljahr im Gebäude der Oberschule an der Steinstraße. Wir werden in zwei Schichten unterrichtet, da es nur zehn Lehrer und fünf Räume für 590 Kinder gibt. Jungen und Mädchen werden getrennt unterrichtet und in jeder Klasse sind ca. 50 Schüler. Den meisten fehlen Schulbücher und wir müssen Papierreste mitbringen, um darauf mit Bleistiftstummeln zu schreiben. In Heimatkunde sprechen wir über unsere zerstörte Stadt.
Auch interessant
15. März 1946
Ab heute werden wir in den Baracken an der Schützenstraße unterrichtet, wo bis vor kurzem Fremdarbeiter untergebracht waren. Es haben zwar noch nicht alle Räume Tafeln, aber endlich können auch die Schüler der 5. bis 8. Klasse wieder zur Schule kommen. Die Fenster sind mit Zeitungspapier abgedeckt, deshalb ist es „saukalt“. Am Ofen, für den wir Holz mitbringen müssen, ist es dagegen „sauheiß“. Die Toiletten sind verdreckt, die Klassen kaum beleuchtet und in einigen fehlen die Türen. Wegen des großen Kleidungsmangels wird manchmal etwas gestohlen. Mir wurde heute ein Schal geklaut.
Auch interessant
23. Mai 1946
98 Prozent unserer Eltern haben dafür gestimmt, dass wir „katholische Volksschule” heißen sollen. Mutter war auch dafür, weil sie nicht will, dass wieder so einer wie Hitler über die Schulen bestimmt. Weil das Schuljahr im September begonnen hat, gab es erst heute Zeugnisse und ich wurde in die 4. Klasse versetzt. Besonders stolz bin ich auf ein „sehr gut“ in „Führung“, „Beteiligung am Unterricht“ und „Häuslicher Fleiß“.
12. Oktober 1946
Heute ging unser Direktor Hermann Voß in Pension. An seinem letzten Arbeitstag hat er Fritz und mich bestraft, weil wir geschwätzt haben. Fritz wurde mit einem Rohrstock auf die Finger geschlagen. Ich musste 100 Sätze aus der Bibel abschreiben. Unsere Schule hat jetzt insgesamt 1007 Schülerinnen und Schüler und die Baracken platzen aus allen Nähten.
Auch interessant
25. Januar 1947
Neuerdings gibt es eine Schulspeisung, die von der Militärregierung angeordnet wurde. Auch wenn es manchmal ekelhaft schmeckt, bin ich froh, denn wir haben in den letzten Jahren oft hungern müssen. Täglich gehen vier Schüler mit einem Bollerwagen zum Amt, wo Suppen und Kartoffelgerichte gekocht werden. Wir essen sie später aus Blechschüsseln im Klassenraum.
Auch interessant
6. Dezember 1948
Heute wurde unsere neue Schule feierlich von Pfarrer Künsting eingeweiht und von Bürgermeister Werner an Rektor Jacob übergeben. Endlich müssen wir nicht mehr in die unerträglichen Baracken gehen! Die Klassenräume sind größer und besser beleuchtet. Die Toiletten sind sauber und es ist im Winter nicht mehr so kalt. Alle Schüler erhielten als Nikolausgeschenk einen Stutenkerl.
>>>HINTERGRUND<<<
Im Jahr 2000 hatte die damalige Klasse 8a des Städtischen Gymnasiums mit Zeitzeugen gesprochen und daraus ein Tagebuch mit der fiktiven Mescheder Familie verfasst.