Schmallenberg. Wisent-Streit: NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser stellt in Schmallenberg Pläne für den Zaun vor. Wir berichten live vor der Versammlung.

Es ist Tag eins nach Karneval. Während andere Volksvertreter am politischen Aschermittwoch die Kraft des provozierenden Wortes nutzen, ist für NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser Beschwichtigung im Wisent-Streit angesagt. Etwa 300 Besucher sind vor Ort in Schmallenberg, aus Platzgründen musste die Veranstaltung in die Stadthalle verlegt werden.

NRW-Umweltministerin Heinen-Esser betont: „Ich muss Ihnen die Hoffnung nehmen, dass wir dieses Projekt heute beerdigen. Wir werden ihre Stimmungen und Bedenken mitnehmen und in der Koordinierungsgruppe besprechen. Das Wisent-Thema ist emotional diskutiert worden, wie die Nationalparks. Man sollte mit Respekt für die anderen Meinungen diskutieren.“

Laut der Ministerin sei die Situation sehr vertrackt. „Wir werden versuchen, diese Situation aufzulösen, so dass alle damit leben können. Das Projekt steht im Einklang mit der Richtline und hat bundesweit großen Anklang gefunden. Ich bin erst seit eineinhalb Jahren Ministerin und kann deshalb einen neuen Blick auf das Projekt werfen.“

Wisent-Streit: Neue Zaunführung vorgestellt

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Das ursprüngliche Projektgebiet war laut der CDU-Politikerin mit 4500 Hektar schon etwas zu klein. Die Frage der dauerhaften Ansiedlung wurde verschoben, um Erfahrungen mit den Tieren zu sammeln und sie im Projektgebiet zu halten. „Das ist nicht gelungen. Wir müssen jetzt hier eine Bremse ziehen, sonst nimmt das ein ungutes Ende. Der Kompromiss kann nur lauten, dass wir die Tiere auf den Staatswald zurückführen und einen Teil der Flächen von Sayn-Wittgenstein dazu nehmen.“

Anschließend soll es ein Gutachten geben und in dreieinhalb Jahren Ergebnisse. „Es wird eine neue Zaunführung geben. Die kommt von Frank Rosenkranz, Leiter des Regionalforstamtes im HSK. Ich werde aber nicht auf eine Vollziehung der Zaunlösung bestehen. Wenn es nicht zu einer Zaunlösung kommt, müssen wir es den rechtlichen Gang gehen lassen.“

Kreislandwirt Josef Schreiber übergibt eine Resolution und sagt: „Wir haben ganz andere Probleme: Die Dürre, die Borkenkäfer - Das ist ein Luxusproblem. Unsere Bitte ist, das Problem platt zu machen.“ Darauf entgegnet die Ministerin: „Wir entscheiden hier nur über Zaun ja oder nein. Es ist ein etabliertes Artzenschutzproblem, dass man nicht einfach abbrechen kann. Wir nehmen das aber alles sehr ernst.“

Wisent-Streit

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    „Projekt ist der Todesstoß für alle privaten Projekte“

    Bürger protestieren bei der Versammlung mit Plakaten.
    Bürger protestieren bei der Versammlung mit Plakaten. © Ute Tolkdorf

    Landrat Karl Schneider betont in Schmallenberg: „Wir werden den bisherigen Verlauf des Zaunes nicht akzeptieren.“

    Dr. Michael Emmrich, Pressesprecher Wisentverein.Klimawandel, sagt: „Borkenkäfer und Stürme sind das Problem für den Wald. 24 Wisente werden ihn nicht niederringen.“ Er zitiert eine Forsa-Umfrage: Demnach finden es in den vier angrenzenden Kreisen, 83 Prozent der Bewohner gut, dass es wieder Wisente hier gibt.

    Freiherr Philipp von Heerman ist enttäuscht von dem Projekt: „Ich war erst ein großer Fan. Aber nichts von dem, was mal galt, gilt noch. Das Projekt ist der Todesstoß für alle privaten Projekte. Ich bin gekommen, um etwas heile zu machen.“ Er sei ein Fan der Ministerin und ihrer Entscheidung für eine Gatterung: „Sie werden keine Schälschäden haben. Mir würde was Besseres einfallen, als ausgerechnet da einen Zaun zu ziehen. Wir brauchen aber eine Lösung in 2020!“

    Großer Andrang: Versammlung in die Stadthalle verlegt

    Großer Zulauf bei der Bürgerversammlung in Schmallenberg.
    Großer Zulauf bei der Bürgerversammlung in Schmallenberg. © Lars-Peter Dickel

    Der Sitzungssaal ist schon vor Beginn der Versammlung voll.
    Der Sitzungssaal ist schon vor Beginn der Versammlung voll. © WP | Ute Tolksdorf

    Anwesend sind neben interessierten Besuchern auch Tourismus-Vertreter, rund 60 Latroper, Vertreter des Dorfvereins Wingeshausen, und viele Politiker aus Schmallenberg. Aus Wittgenstein sind nur eine Handvoll Gäste da. Dabei handelt es sich größtenteils um Vertreter des Dorfvereins Aue-Wingeshausen und des Trägervereins des Wiesenprojektes.

    Wisent-Gegner haben Plakate aufgestellt

    In Schmallenberg sind auch Dr. Michael Emmrich, Pressesprecher des Wisentprojektes, Dr. Philipp Freiherr Heereman, Vorsitzender des Waldbauernverbandes Nordrhein-Westfalen, Landrat Dr. Karl Schneider sowie Schmallenbergs Bürgermeister Bernhard Halbe dabei. Der Trägerverein des Projektes wird durch den zweiten Vorsitzenden Klaus Brenner vertreten. Laut Bürgermeister Bernhard Halbe gab es so eine öffentliche Aussprache noch nicht. Deswegen war es ihm wichtig, ein solches Forum zu bieten.

    Bernd Fuhrmann kommt nicht, um deutlich zu machen, dass der Verein und die Stadt Bad Berleburg nicht dasselbe sind. Fuhrmann ist ja auch Bürgermeister. Ebenfalls nicht da ist Johannes Röhl (3. Vorsitzender) der als Vertreter der fürstlichen Rentkammer nicht dabei ist.

    Richter sehen Politik in der Pflicht

    Vor der Schmallenberger Stadthalle haben die Wisent-Gegner bereits ihre Plakate aufgestellt.
    Vor der Schmallenberger Stadthalle haben die Wisent-Gegner bereits ihre Plakate aufgestellt. © Ute Tolksdorf

    Längst hat die Politik sich der Problem-Wisente angenommen. Denn die zotteligen Tiere mit dem dicken wie eigenen Kopf hatten sich nicht an die von Menschen ausgedachten Aufenthaltsorte im Wittgensteiner Land gehalten und waren munter auch durch die angrenzenden Wälder im Großraum Schmallenberg gezogen. Sie ließen sich Birkenrinden schmecken und verursachten zum Missfallen der Waldeigentümer ansehnliche Schälschäden. Bereits zwei Mal musste sich der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit den Rindviechern in Südwestfalen befassen. Die obersten Richter nahmen insbesondere die Politik in die Pflicht.

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    Also moderierte NRW-Umweltministerin Heinen-Esser bereits vor knapp einem Jahr eine Sitzung der Koordinierungsgruppe zum Wisent-Streit. Ziel: eine einvernehmliche Lösung. Die fast so schwierig scheint, wie Ultra-Fans der Fußball-Bundesligisten Schalke 04 und Borussia Dortmund an einen Tisch zu bringen. Jedenfalls wollte die Koordinierungsgruppe mit Heinen-Esser an der Spitze jetzt die Lösung in dem mit 2013 gestarteten Freisetzungsphase vom Zaun gebrochenen Nachbarschaftsstreit gefunden haben: einen Zaun.

    Pläne für Gatterung in Schmallenberg vorstellen

    Doch es regt sich Widerstand, insbesondere sind die Sichtweisen auf die „Zaunführung und die Befriedung der Situation vor Ort“ offenbar unterschiedlich, wie Ursula Heinen-Esser im Vorfeld des Termins mit zurückhaltenden Worten eingestehen musste.

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    Also will die CDU-Politikerin mit vielen Beteiligten die ersten Pläne für eine Gatterung vorstellen: Man könnte das Projektgebiet für die kommenden drei bis fünf Jahre auf „im Wesentlichen“ Staatswaldflächen im Hochsauerlandkreis und in Wittgenstein begrenzen. Größtenteils allerdings auf HSK-Gebiet (700 von geplanten 840 Hektar).

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    Das hatte zuletzt die Dorfgemeinschaft des Schmallenberger Stadtteils Latrop vehement abgelehnt. „Wir kämpfen dafür, dass das Wisentprojekt ausschließlich auf Wittgensteiner Seite stattfindet“, sagte Ulrich Lutter von der Dorfgemeinschaft.