Schmallenberg. Der Ort Latrop geht wegen der Wisente auf die Barrikaden, ein Dorf weiter sitzen Befürworter. Ein Streit, der auch auf andere Bereiche abfärbt.
Die beiden Orte trennen Luftlinie keine zehn Kilometer. Aber es ist, als lägen Welten zwischen ihnen. Zumindest wenn es um ein Artenschutzprojekt geht, das deutschlandweit einzigartig ist: Die Auswilderung einer Herde von Wisenten. Seit 2013 leben die einst als ausgestorben geltenden Tiere frei im . Und sorgen so für reichlich Zoff, der die Nachbarn entzweit.
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Latrop ist ein kleiner Ort in Schmallenberg im Hochsauerlandkreis. Ein Ort, der nun auf die Barrikaden geht, weil er sich als Leidtragender des Projekts fühlt. Ein Samstagabend im Januar. Dorfversammlung. 45 Menschen sind anwesend. Die Stimmung sei ruhig, aber bestimmt gewesen, schildert der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft, Ulrich Lutter. Der Mann, der die Sache in die Hand genommen hat, der den Widerstand organisiert und am Montag öffentlich macht. Der Mann, der Schreiben aufsetzt, die an das Umweltministerium von Ministerin Ursula Heinen-Esser verschickt werden, an den Landrat des Hochsauerland-Kreises, Dr. Karl Schneider, an den Bürgermeister von Schmallenberg, Bernhard Halbe, und an die Medien. Darin fordert er das Ende des Wisentprojektes, zumindest auf Schmallenberger Seite.
Einer der schönsten Wanderwege Deutschlands
Wingeshausen liegt ein paar Bäume weiter südlich-westlich und gehört zu Bad Berleburg, Kreis Siegen-Wittgenstein. Der Dorfverein Aue-Wingeshausen hat Samstagabend Jahreshauptversammlung gehabt. 35 Mitglieder waren da. Sie sprachen auch über die Wisente, den Wisent-Pfad, einen der offiziell schönsten Wanderwege Deutschlands, den der Dorfverein mit seinem Ableger „Wisent und Touristik“ kreierte. Schautafeln und Bänke besorgte er und wies Aussichtsplattformen aus. Am Samstag besprach man, dass mal wieder Gehölzpflege auf dem Weg vorgenommen werden müsste, damit wieder alles tiptop ist.
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Tiptop ist in Latrop mal gar nichts. Zumindest nicht mit Wisenten. Dort soll – so der jüngste Plan – die Herde größtenteils eingezäunt werden, damit die Bäume privater Waldbesitzer durch das Nagen der Tiere nicht weiter ruiniert werden. 90 Prozent der Gäste hätten sich für einen Abschied von den Wisenten ausgesprochen, sagt Lutter.
Großteil der Gehege-Fläche auf Schmallenberger Gebiet
Der Hauptgrund: Von einer insgesamt rund 840 Hektar großen Fläche des neuen Projektgebietes lägen rund 700 Hektar auf Schmallenberger Seite. Der Zaun läge direkt am Ortsrand. Das Projekt könnte Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung beeinflussen wie den Rothaarsteig Marathon.
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Das Problem der Schmallenberger: Sie sitzen nach eigener Aussage nicht mit am Tisch, wenn Entscheidungen getroffen werden. Denn die Vertragspartner des Projekts sind u.a. der Kreis Siegen-Wittgenstein, die Bezirksregierung Arnsberg, der Landesbetrieb Wald und Holz NRW, die Wisent-Welt Wittgenstein und das Umweltministerium. Daher hat Latrop nun ein Projekt vor der Tür, das es immer abgelehnt hat. „Ein Projekt mit freilebenden Wisenten in Berleburg zu beginnen, das in einem sehr kleinen Gehege in Latrop endet, kann wohl niemand als Erfolg betrachten“, schreibt Lutter an das Ministerium. „Wir werden die Verlagerung der Wisentherde von der Berleburgischen Seite auf Schmallenberger Stadtgebiet nicht zulassen und alle unsere Möglichkeiten des friedlichen, massiven Protestes ausschöpfen.“ In der kommenden Woche, am Aschermittwoch, ist die Umweltministerin zu Gast in Schmallenberg. Das Dorf will dort seinen Protest vernehmbar machen. Mit 50 bis 70 Dorfbewohnern rechnet Lutter bei dem Termin.
Die Tiere machen den Ort bekannt
„Ich glaube an das Wisent-Projekt“, sagt hingegen Helmut Kessler, Vorsitzender des Dorfvereins Aue-Wingeshausen. „Die Wisente sind eine richtige Attraktion, die haben hier richtig was gebracht.“ Der Ort sei durch die Tiere bekannter geworden, sie hätten Arbeitsplätze geschaffen und der Tourismus habe angezogen. Zwischen Wingeshausen und Latrop liegt die Wisent-Wel t, ein bereits eingezäuntes Areal, in dem andere Tiere eben nicht frei leben.
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Kessler sagt, dass er die Schmallenberger Seite verstehe. Gleichzeitig findet er den Protest übertrieben. Die Stimmung ist aufgeheizt. „Es ist schade, dass es soweit gekommen ist. Die Fronten sind total verhärtet, dass ich manchmal den Eindruck habe, es geht nicht mehr um die Sache“, sagt er. „Der Streit färbt ab auch auf andere Bereiche.“ In touristischen Belangen müsste man eigentlich deutlich mehr zusammenarbeiten, sagt Kessler. Das ginge aber derzeit nicht.
Ein Riss geht durch das Rothaargebirge. Einer, der eine Lücke reißt zwischen zwei kleinen Orten, die sich so nah und doch so fern sind. „Die beiden Orte hatten früher kaum Berührungspunkte“, sagt Kessler, „erst die Wisente haben Unstimmigkeiten gebracht.“