Fröndenberg. Dachse haben auf der Bahnstrecke zwischen Fröndenberg und Unna für einen Millionenschaden gesorgt. Was das für Pendler bedeutet.
Seit einem Jahr geht auf der Bahnstrecke zwischen Fröndenberg und Unna nichts mehr. Und das sieht man mittlerweile auch. Brombeersträucher wuchern über die Schienen. Die Schäden, die Dachse auf dem elf Kilometer langen Abschnitt hinterlassen haben, sind immens. Wann der Verkehr wieder rollen kann, ist völlig unklar. Auf was sich Pendler einstellen müssen.
Bahn zwischen Fröndenberg und Unna seit einem Jahr gesperrt
Es ist ruhig am Landhaus Püttmann in Frömern. Seit einem Jahr bereits. Das liegt vor allem daran, dass die Hönnetalbahn (RB 54) nicht mehr rollt. Der Streckenabschnitt zwischenFröndenberg und Unna, an dem das Gasthaus liegt, ist gesperrt. Schuld sind Dachse, die es sich auf dem Teilstück gemütlich gemacht hat. Eigentlich, so der Plan der Deutschen Bahnim November 2022, wollte man die Strecke bereits wieder eröffnet haben. Doch daraus wird erst einmal nichts. Wann der Bahnverkehr zwischen Fröndenberg und Unna wieder planmäßig läuft – das können die Verantwortlichen um Tobias Hauschild, Netzleiter Betrieb DB, nicht sagen.
Denn das Problem der Dachsbauten, die einen Damm kurz vor der Unnaer Stadtgrenze unterhöhlt haben, ist „viel viel schlimmer als zunächst angenommen“, erklärt Tobias Hauschild. 39 Eingänge zählten die Experten 2022 auf gut 100 Metern Bahnstrecke. Mittlerweile sind es 140. Auf dem gesamten, gut elf Kilometer langen Abschnitt. Aufgefallen war das bei einer erneuten Befahrung der Trasse. An mehreren Stellen ist Schotter, der das Bahngleis sichert, abgesackt. Manchmal nur um einige Millimeter, manchmal um mehrere Zentimeter. Aus punktierten Ausbesserungsarbeiten in Höhe von sechs Millionen Euro wird nun allerdings ein Großprojekt. „Der Schaden liegt im hohen zweistelligen Millionenbereich. Wir reden hier nicht von kleineren Reparaturen“, sagt Hauschild. Die Art des Schadens ist einzigartig in Deutschland. Dachsschäden gebe es zwar auch in Baden-Württemberg, allerdings nicht im Ausmaß wie es in Fröndenberg der Fall ist.
Auf einer Karte zeigt der Netz-Experte zehn Bereiche, an denen Schäden festgestellt wurden. Dabei steht die Bahn gleich vor mehreren Problemen bei einer Ausbesserung der Strecke. Denn die verläuft durch Vogelschutz-, Landschaftsschutz- und Naturschutzgebiete. Ausnahmegenehmigungen alleine für die Sichtung der Schäden seien bereits eine Herausforderung gewesen, so Tobias Hauschild. „Die Auflagen stimmen uns eher nachdenklich.“ Erst recht, da auch ein kompletter Neubau der Trasse nicht ausgeschlossen ist. Entsprechende Gutachten, politische Beschlüsse und europaweite Ausschreibungen für das Großprojekt werden alleine für eine mehrjährige Planungsphase sorgen. Dabei gehe es vor allem um die Frage, ob die über 100 Jahre alte Strecke heutzutage überhaupt noch zulässig wäre.
Silke Konermann, Leiterin der Investitionsplanung im Netz Hagen bei der Bahn, geht davon aus, dass frühestens am Ende dieses Jahrzehnts wieder Züge von Fröndenberg nach Unna fahren könnten. Gerüchte um eine Stilllegung der Trasse dementieren Bahnsprecher wie Netzleiter. „Dafür bedarf es eines ordentlichen Verfahrens. Politisch ist das im Personennahverkehr absolut undenkbar“, erklärt Tobias Hauschild. „Der Trend geht zudem in eine andere Richtung, nämlich viele ältere Strecken wieder zu reaktivieren“, ergänzt ein Bahnsprecher dazu auf Nachfrage. Wie man der Lage allerdings Herr werden will, ist noch nicht ganz klar. „Wir wollen die Dachse nicht erschießen. Vergrämen reicht dabei oft“, so Silke Konermann. Bisher können die Tierchen allerdings noch immer ihre Ruhe entlang der Bahnschienen genießen. Eigentlich sei es Aufgabe des zuständigen Jägers, die Population im Blick zu behalten und im Zweifel zu bejagen.
Pendler müssen weiterhin auf Busse umsteigen
Am Rande Kessebürens (Ortsteil Unnas, Anm. d. Red.), kurz vor der Grenze zu Fröndenberg, führen die Bahnverantwortlichen dann zu einer der Messstellen. Dass dort bereits seit Monaten keine Züge mehr rollen, wird schnell ersichtlich. Farbenprächtiges Laub bedeckt die Schienen, Brombeersträucher wuchern über Schotter und Gleise. Ein gelber Pfosten markiert einen der Messpunkte, an denen Veränderungen im Gleisbett festgestellt wurden. Abseits der Bahnstrecke weit und breit nichts als Felder und kleine Wälder. „Wenn wir hier eine Baustellenstraße hinbauen, hält sich die Begeisterung von Naturschutzverbänden verständlicherweise in Grenzen“, gibt Hauschild zu. Und selbst bei langjährigen Bahn-Angestellten sorgt die verwaiste Trasse für ein wenig Wehmut. „Wir sind Eisenbahner und wollen Züge auf die Strecke bringen“, sagt Silke Konermann. Bis die zwischen Fröndenberg und Unna wieder rollen, werden nun jedoch noch Jahre vergehen. Derweil müssen Pendler weiterhin auf Busse umsteigen. Statt 16 Minuten werden sie gut 26 Minuten einplanen müssen, um in die Kreisstadt zu gelangen.
Die Dachsbauten zeigen sich vor allem am Fuße der Bahndämme. Mal sind die Eingänge etwa faustdick, mal könnte auch ein Mensch seien Kopf hindurchstecken. In jedem Fall sorgen sie nicht nur für das Absacken des Gleisbettes, sondern auch für Bäume, die ihre Standsicherheit verlieren und bei Stürmen schneller entwurzelt werden. Im Zweifel müsse die Strecke mit einer Fräsmaschine regelrecht aufgeschnitten und alle miteinander verbundenen Dachsbauten mit Beton verfüllt werden. Ein aufwändiges Unterfangen – selbst für erfahrene Bahnmitarbeiter, wie die Verantwortlichen betonen.