Menden. Nur 14 von 60 Ratsvertretern in Menden sind Frauen. Warum Marjan Eggers und Tina Reers (Grüne) die Frauenquote für sinnvoll halten.

Mendens Politik ist männlich. Von den 60 Ratsvertretern sind nur 14 Frauen. Schaut man bei den Ausschussvorsitzenden, sieht es noch bescheidener aus: Hier gibt es lediglich vier Frauen, die Ratsgremien leiten, davon zwei bei den Grünen. Tina Reers ist Vorsitzende des Ausschusses für Soziale Teilhabe, Demografie und Gesundheit, Marjan Eggers Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Klima. Woran liegt die geringe Frauenquote?

Weitere Vorsitzende

Neben Tina Reers und Marjan Eggers von den Grünen gibt es in Menden noch eine weitere weibliche Ausschussvorsitzende: Annerose Erver (CDU) leitet den Wahlprüfungsausschuss (der 2020 für fünf Minuten tagte).

Darüber hinaus sitzt Eleni Zachari dem Integrationsrat vor. „Vorsitzende des Integrationsrates wird man durch Wahl“, erläutert Stadtsprecher Johannes Ehrlich auf Nachfrage der Westfalenpost.

Die Wahl der Vorsitzenden erfolgt durch die Mitglieder des Integrationsrates.

„Wir hatten bis vor kurzem vier Ausschussvorsitzende“, erklärt Tina Reers für die Grünen. „Zwei Frauen und zwei Männer.“ Nachdem die Grünen einen Ausschussvorsitz abgeben mussten (WP berichtete), gibt es noch zwei Frauen und einen Mann. Die Frauenquote sei aufgrund der expliziten Frauenförderung bei den Grünen gesetzt – „und zwar in der Form, dass alles möglichst immer paritätisch besetzt werden soll“. Das sei bei anderen Parteien nicht so. „Es liegt oft an den Strukturen, dass es Frauen besonders schwer gemacht wird zu kandidieren oder sich zu etablieren“, weiß Marjan Eggers, die seit 2019 Mitglied der Grünen ist.

Menden: Frauen in der Politik
Menden: Frauen in der Politik © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW Adobe Stock | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Quotenregelung als Instrument

Die Quotenregelung sei ein wichtiges Instrument, um mehr Frauen in die Politik zu bringen, darüber sind sich Tina Reers und Marjan Eggers einig. „Wenn man sich die Parlamente allgemein anschaut, brauchen wir die Frauenquote. Es ist wie im Job, dort herrscht quasi eine hohe Männerquote, da der Mann regelmäßig den Job bekommt, auch wenn die Frau die gleichen Voraussetzungen mitbringt“, sagt Tina Reers.

Auch interessant: Waldstück Platte Heide gesperrt: Übergänge bald barrierefrei +++

Aber auch die Frauen selbst können etwas tun, damit sie in der Politik sichtbarer werden, sagen die beiden Politikerinnen. Denn Frauen seien oft zurückhaltender: „Frauen gehen erst mal die Checkliste durch, ob sie wirklich alles können“, erklärt Tina Reers. „Männer sagen eher: Klar, ich mache das.“ Und Marjan Eggers ergänzt: „Ich glaube, dass viele Frauen erst fünfmal überlegen, ob sie sich etwas zutrauen.“

Auch interessant

Beide Mendenerinnen haben auch negative Erfahrungen im politischen Raum gemacht. „Ich bin zum Beispiel die einzige Frau im Aufsichtsrat der Stadtwerke“, erzählt Marjan Eggers. „Das war am Anfang nicht leicht. Als Frau habe ich deutlich länger gebraucht, um mir Gehör zu verschaffen.“

Tina Reers

Tina Reers ist Mutter zweier (erwachsener) Töchter. Die 52-jährige Mendenerin ist Leiterin der Fachabteilung für Elementarpädagogik der AWO im Märkischen Kreis.

Sie saß 2009 zum ersten Mal im Mendener Stadtrat. Sie leitet den Ausschuss für Soziale Teilhabe, Demografie und Gesundheit und ist Mitglied in vier weiteren Ausschüssen: Wahlausschuss, Wahlprüfungsausschuss, Digitalausschuss sowie Kinder- und Jugendhilfeausschuss. Sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen in Menden.

Sozialisierung und Prägung

Der nicht immer leichte Stand habe auch etwas mit der Sozialisierung und Prägung zu tun. So werde sie in fast jeder Sitzung des Digitalausschusses gefragt, welchen Kollegen sie denn vertrete – obwohl sie reguläres Mitglied des Ausschusses ist, berichtet Tina Reers fassungslos, die sich seit vielen Jahren kommunalpolitisch engagiert.

+++ Auch interessant: Polizei Menden bestätigt Verdacht auf Feuerteufel im Wald +++

Marjan Eggers kann von ähnlichen Erlebnissen berichten: „Du als Krankenschwester kannst da überhaupt nicht mitreden“, habe sie sich im Aufsichtsrat anhören müssen – ohne dass bei den anderen (männlichen) Teilnehmern der Runde die berufliche Vorbildung ein Thema gewesen sei. Generell, das betont Tina Reers, „werden wir sehr respektvoll von allen Ratsmitgliedern behandelt“. Doch laufe manches subtil, „eher unterschwellig“.

Manchmal einfach sprachlos

Und warum lassen sich die beiden Frauen solche Spitzen bieten? „Ich glaube, wir Frauen sind da oft zu freundlich“, vermutet Marjan Eggers. „In manchen Momenten ist man einfach sprachlos und nicht so schlagfertig.“

Sehen die beiden noch weitere Gründe, warum in Menden weniger Frauen als Männer in die Politik gehen? „Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass vielen Frauen nicht klar ist, in welche Gremien sie gehen könnten“, sagt Tina Reers. Wenn sie an ihre kommunalpolitische Anfangszeit zurückdenkt, sagt sie: „Als einzige Frau im Ausschuss meint man auch, es besonders gut machen zu müssen, das macht es manchmal so anstrengend. Doch gerade hier wurde ich immer durch den Rückhalt der Fraktion gestärkt.“

Marjan Eggers

Marjan Eggers ist 38 Jahre alt und Mutter eines zwölfjährigen Sohnes. Sie ist seit knapp zwei Jahren mit dem Mendener Landtagsabgeordneten Matthias Eggers (CDU) verheiratet. Sie ist Kreisvorsitzende der Grünen im MK und Fraktionsgeschäftsführerin der Mendener Grünen. Die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin hat eine Station geleitet, fokussiert sich derzeit schwerpunktmäßig auf ihre politische Arbeit und hat an der Fern-Uni Hagen ein Jura-Studium aufgenommen. Ratsmitglied Marjan Eggers leitet den Ausschuss für Umwelt und Klima und ist Mitglied im Ausschuss für öffentliche Sicherheit und Ordnung und das Feuerwehrwesen.

Weg zur Ausschussvorsitzenden war ein Findungsprozess

Bei ihr selbst sei der Weg zur Ausschussvorsitzenden auch „erst mal ein Findungsprozess“ gewesen, blickt Marjan Eggers zurück. Als sie gefragt wurde, ob sie sich den Vorsitz des Ausschusses für Umwelt und Klima vorstellen könnte, „habe ich meinen Hut in den Ring geworfen. Aber natürlich hatte ich auch Gedanken, ob ich das überhaupt kann, weil ich noch vergleichsweise neu in der Politik war.“ Vor der ersten Ausschusssitzung sei sie „tierisch nervös gewesen“, räumt Marjan Eggers ehrlich ein. Nach der Sitzung habe sie von vielen gehört: „Du hast das souverän gemacht.“ Eigentlich ein Kompliment. „Aber ich glaube, dass das bei Männern gar nicht kommentiert würde.“

Auch interessant

Auch die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf, politischem Engagement und Familie spiele bei Frauen eine größere Rolle, sind Marjan Eggers und Tina Reers überzeugt. „Ich war lange alleinerziehend“, sagt Marjan Eggers, deren Sohn mittlerweile zwölf Jahre alt ist. „Viele Frauen wissen vielleicht gar nicht, dass man die Kinderbetreuungskosten von der Stadt zurückbekommt, wenn man zum Beispiel in einem Ausschuss sitzt und das Kind betreuen lassen muss.“ Doch natürlich gebe es „auch Abende mit schlechtem Gewissen“.

Unterstützung durch den Ehemann

Tina Reers hingegen freut sich seit vielen Jahren über die Unterstützung ihres Mannes, der sie immer ermutigt habe, sich politisch zu engagieren und sich neben seinem eigenen Beruf genauso wie Tina Reers auch für Hausarbeit und Kinderbetreuung zuständig gefühlt habe.

Und was Tina Reers besonders freut: „Meine Tochter hat mir neulich gesagt, dass es sie beeindruckt, was ich geschafft habe. Die findet Job und Politik cool.“ Klar, räumt sie ein, „ein schlechtes Gewissen, wenn die Kinder krank waren und ich abends noch einen Termin hatte, das kenne ich auch“. Doch habe ihr Mann sie immer unterstützt: „Das war immer auf Augenhöhe, das schätze ich an ihm sehr.“

Corona-Pandemie als Belastungsprobe für viele Familien

Die Corona-Pandemie sei hier für viele Familien zu einer Belastungsprobe geworden, bilanziert Tina Reers: „Corona hat vieles wieder zurückgedreht.“ Frauen seien während der Pandemie mit einer größeren Selbstverständlichkeit für Kind und Familie zuständig gewesen als ihre Partner. Dennoch ist sie optimistisch, „dass das in zehn Jahren kein Thema mehr ist“.

Um weitere Frauen von einem kommunalpolitischen Engagement zu überzeugen, wollen die Grünen künftig bei offenen Treffen im Café Echt mit Mendenerinnen ins Gespräch kommen (28. Juli um 16 Uhr).

„Normalerweise sollte der Rat ja auch ein Spiegel der Gesellschaft sein“, sagt Tinas Reers. Das sei angesichts der Aufteilung des Stadtrates in Menden nicht der Fall. Und Marjan Eggers ergänzt: „Ich glaube schon, dass manche Entscheidung anders ausfallen würde, wenn mehr Frauen in der Politik aktiv wären.“