Menden. Nach vier Jahren coronabedingter Pause starteten die Prozessionen in Menden am Gründonnerstagabend – zunächst im strömenden Regen.
Ohne sie hat vielen etwas gefehlt in den Tagen vor Ostern: Am Gründonnerstagabend zog nach drei Jahren Pause wieder die Jugendkreuztracht über den Berg. Stimmungsvoll wie eh und je, wenn auch das widrige Wetter nicht ohne Folgen blieb. Zudem gab es eine Premiere.
Nieselregen vor dem Start
Gegen 20.40 Uhr am Abend des Gründonnerstag ist der Platz vor der Vincenzkirche noch fast leer, wenige Menschen haben teilweise unter den Dächern in der Nähe Unterschlupf gefunden. Bei ausdauerndem Nieselregel kommen viele erst kurz vor knapp zum Start der Jugendkreuztracht.
+++ Auch interessant: Zwillingsmama, alleinerziehend, selbstständig – und plötzlich Krebs +++
20 Minuten vor dem Beginn läuft in den Lautsprechern auch noch ältere Rockmusik wie aus einem Oldieradio. Was es damit auf sich hat, zeigt sich beim Blick in die Schaltzentrale der Jugendkreuztracht, in das technische Herzstück einige Meter von der Kirche entfernt im Pfarrzentrum St. Vincenz. Von hier aus läuft wie jedes Jahr die Beschallung über den ganzen Weg der Jugendkreuztracht, die endlosen Meter an Kabel kommen hier zusammen.
Mit Rockhits wird die Übertragung getestet
Die Rockhits sollen nun zum einen testen, ob die Übertragung schon funktioniert, womöglich gefallen diese Klänge auch den Beteiligten. Es herrscht eine gewisse Aufregung im Pfarrheim, denn in diesem Jahr ist etwas anders. Diakon André Quante-Blankenagel, einer der Hauptverantwortlichen bei dieser jahrhundertealten Traditionsveranstaltung in Menden, erklärt, dass die inhaltliche Vorbereitung kurzfristiger ausfallen musste als sonst. Vor der Coronazeit gab es normalerweise einen Rhythmus in dem etwa die Texte vom Placida-Berufskolleg vorbereitet wurden, im Wechsel mit Jugendgruppen wie zum Beispiel Messdienern der Gemeinde; bei der letzten regulären Durchführung 2019 waren es Schülerinnen und Schüler vom Walburgisgymnasium.
Auch interessant
Dieses Jahr hat das aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Das Ausarbeiten der Jugendkreuztracht lag deshalb vorwiegend in den Händen von Quante-Blankenagel. „Und wir haben es dann vorher nicht mehr geschafft alles aufzunehmen“, berichtet der Diakon. Normalerweise wird nämlich die Aufnahme abgespielt, jetzt am Donnerstagabend wird alles live eingesprochen. Von ihm selber wie auch seiner Gattin Marion Blankenagel, von der Mendener Gemeindereferentin Kirstin Bödingmeier und von Hendrik Luicke, Leiter des Altenheims St. Vincenz. Alle haben ihre persönliche, oft jahrelange Verbindung zur Kreuztracht.
Gute, geübte Sprechstimme
Weitere Voraussetzung, nach der André Quante-Blankenagel seine Mitleser aussuchte: eine gute, geübte Sprechstimme. Und dass sie nicht schnell genug Nein sagten auf seine Frage hin, wie er grinsend ergänzt.
Mit bunten Neonfarben markieren sie wenige Minuten vorher noch ihre eigenen Textabschnitte auf den Zetteln. Quante-Blankenagel ist zunächst noch mit den Verantwortlichen für die Technik im Austausch und setzt sich dann auch hinter eines der Mikrofone. „Was darf ich lesen?“ Der Diakon bekommt natürlich die Bibelstellen, sagen ihm die drei anderen.
+++ Auch interessant: Dank Spenden: Bieberschlümpfe laden wieder zum Essen ein +++
Wenig später wird die Musik gestartet, alle Stücke sind in den Regieanweisungen mit sekundengenauer Länge vermerkt. Mit dem Glockenschlag um 21 Uhr treffen traditionell unkenntlich in ihren Gewändern Jesus und Simon von Cyrene mit dem schweren Holzkreuz ein, sie werden begleitet vom großen Helferteam mit Fackeln aus der Pfarrkirche.
Resonanz etwa geringer als in manchen früheren Jahren
Der Platz hat sich mittlerweile noch gut gefüllt. Bei weiter anhaltendem Nieselregen, der auch die folgenden Stundenprozessionen bis in den Karfreitag begleitet, scheint die Resonanz nicht so groß wie bei besseren äußeren Bedingungen in den Vor-Corona-Jahren, knapp vierstellig dürfte es aber wieder ausgefallen sein. Wer aber am Donnerstagabend gekommen ist, mit Schirm oder Mütze auf dem Kopf, für den gehört diese besondere Kreuztracht zum Osterfest dazu.
Auch interessant
Alleine oder in der Familie über den Berg zu gehen, hat sich in der Pandemiezeit für manche auch zu einem schönen Brauch entwickelt, letztes Jahr wurde dann mit vier Prozessionen und Kreuzträgern in zivil neu gestartet, allerdings nur an Karfreitag. Aber für manche ist gerade der Gründonnerstagabend so besonders, hört man immer wieder.
Es ist etwa die Gestaltung mit viel Musik, vor allem nachdenkliche Popsongs in diesem Jahr, zum Beispiel „Über sieben Brücken musst du gehn“ oder „Wozu sind denn Kriege da?“ Die Texte deuten das biblische Geschehen von Auslieferung, Kreuzigung und Auferstehung Jesu auch immer wieder auf unsere Zeit hin, auf Krieg und Leid nicht nur in der Ukraine. „Dein Kreuz für Mitmenschlichkeit“, „Dein Kreuz für Verantwortung“ oder abschließend „Dein Kreuz für Hoffnung“ sind die einzelnen Abschnitte an den Fußfällen betitelt. Und zumindest so weit es draußen auf der Wegstrecke zu hören ist, haben die Live-Leser im Pfarrheim alles ohne Pannen bewältigt.