Fröndenberg. Im JVK will man besser auf die Behandlung psychisch kranker Straftäter vorbereitet sein. Dem NRW-Justizminister unterläuft derweil ein Fauxpas.
Die rote Stahltür öffnet sich mit einem leisen Summen. An der Pforte des Justizvollzugskrankenhaus sind die Abläufe klar geregelt. Personalausweis gegen Besucherausweis tauschen, aktuellen negativen Coronatest vorlegen, erst dann geht’s weiter. Alles hat seine Ordnung. Auch zur Eröffnung einer neuen Station für die Behandlung psychisch kranker Straftäter im JVK Fröndenberg.
Minister holt Coronatest in Fröndenberger JVK nach
Im Konferenzraum des Justizvollzugskrankenhauses tummeln sich zahlreiche Besucher zur Eröffnung der Station 5A. Alle warten auf den hohen Besuch. NRW-JustizministerPeter Biesenbach (CDU) hat sich angekündigt. Doch bevor der Minister seinen Auftritt hat, muss auch er einen negativen Coronatest vorlegen. Den holt er kurzerhand im JVK nach. Ordnung muss sein. Das gilt auch für einen Minister.
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Wie wichtig die neue Station für die Justiz in NRW ist, macht Biesenbach dann direkt an Zahlen klar. 1700 stationär behandelte Patienten im Jahr 2021 zählt das JVK. „Der Schweregrad der Erkrankungen hat über die Jahre deutlich zugenommen“, sagt Biesenbach. Das gilt allen voran für psychische Leiden der Straftäter. 20 neue Akutplätze stehen künftig zur Verfügung, der Ausbau einer weiteren Station mit nochmals 20 Plätzen ist bereits geplant. „Die Anstalten werden mit diesen Leuten nicht mehr fertig“, gibt der NRW-Justizminister unumwunden zu. Denn im Regelvollzug fehlt zum einen geschultes Personal und zum anderen die Zeit, um sich psychischen Erkrankungen der Häftlinge widmen zu können.
Die besondere Herausforderung für die Behandlung im JVK ist vor allem die Trennung von männlichen und weiblichen Häftlingen. Türen und Tore reichen dafür oftmals nicht aus. Das wird später dann auch auf der neuen Station deutlich. Polarisierende Folien zieren die Kanzel, den zentralen Aufenthaltsraum des medizinischen Personals. Auf der einen Seite werden Frauen untergebracht, auf der anderen Männer. Durch die Folien ist der Blick auf die jeweils gegenüberliegenden Gänge versperrt. Sechs bis acht Wochen dauert eine Behandlung im JVK im Regelfall, manche Patienten blieben jedoch auch über ein Jahr in akuter Behandlung. Welche Herausforderung das mitunter im Vollzug darstellt, erklärt Dr. Jochen Woltmann: „Oftmals gibt es einen Bezug zwischen der Krankheit und der Straffälligkeit.“ So könnten Betroffene aufgrund ihrer Drogensucht in die Beschaffungskriminalität abrutschen, oder aber Psychosen durch den Drogenkonsum erst ausgelöst werden. In jedem Fall würde im JVK nun noch mehr Patienten geholfen werden können.
Mehr Übersicht fürs Personal
Die Station wirkt nicht wirklich wie ein Gefängnis. Abgesehen von den dicken Stahltüren erinnert sie eher an ein normales Krankenhaus. „Fenster ohne Gitter sind für uns auch komisch“, sagt Markus Matzelle, Leiter des Vollzugsdienstes. Denn in der gesamten Station wird der Blick aus dem Fenster nicht durch Gitterstäbe eingeschränkt. Das vermittle den psychisch kranken Patienten zum einen ein nicht so beklemmendes Gefühl, zum anderen habe es in der Vergangenheit schon einige Suizid-Versuche mithilfe der Gitter gegeben.
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„Es ist wichtig, den schmalen Grat zwischen Verständnis und Medikation bis hin zur Zwangsbehandlung zu finden“, sagt der Justizvollzugsbeamte Oliver Roßmeißl. Ein Vorteil sind die sogenannten Vorkammern. Nach der Stahltür kommt erst ein kleiner Vorraum, eine Art Schleuse, von wo aus Justizbeamte und Krankenhaus-Personal durch eine weitere Glastür in die Zelle schauen können. Bei aggressiven Patienten und akuten Notfällen könne der Beamte so geschützt einen Überblick über die Situation erhalten. „So kann ich sehen: Wie viele Leute brauche ich, um den Raum zu betreten?“, erklärt Roßmeißl. Oftmals könne auch schlecht eingeschätzt werden, ob die Fremdaggression gewollt oder krankheitsbedingt auftritt.
Personal und Anstaltsleitung freuen sich gleichermaßen über die neue Station. Und wen die Beamten nicht persönlich im Blick haben, den sehen sie im neuen, modernen Überwachungsraum.