Menden. Für manche Kinder ist es nach Monaten der sozialen Isolation eine Umstellung, wieder mit Gleichaltrigen klarzukommen.

Seit Jahren zählt die Stadtranderholung in Böingsen zu den beliebtesten Ferienprogrammen Mendens. Auch in Zeiten von Corona hat das Orga-Team Laura Hellwig, Saskia Meyer und Denise Rüscher ein zweiwöchiges Programm auf die Beine gestellt. Doch Veränderungen machen sich auch in Böingsen bemerkbar.

Ferien-Freizeit in Corona-Zeiten – wie funktioniert das?

Denise Rüscher: Das funktioniert mit vielen Auflagen, die zwar gesetzlich gelockert worden sind, die wir aber zum Schutz der Betreuer und Kinder aufrechterhalten. Obwohl es diese Woche nicht mehr nötig wäre, gilt in der Halle weiterhin Maskenpflicht, Abstandhalten und zu Beginn der Woche ein Coronatest. Wir haben die Essensausgabe verändert im Gegensatz zur Vor-Corona-Zeit, als das immer direkt auf die Tische gestellt wurde und sich die Kinder selbst bedienen konnten. Das übernehmen jetzt komplett unsere Küchen-Feen, dort können sich die Kinder ihr Essen abholen. Alles natürlich gruppenweise. Wir haben eine extra Händewasch-Station draußen.

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Hätte man den Kindern überhaupt vermitteln können, dass die Maske letzte Woche noch Pflicht war und ab dieser Woche passé sein könnte?

Das hätte man ihnen sicher vermitteln können, weil sie sich natürlich auch über jede Lockerung freuen. Da sie es aber so gut mitmachen, haben wir entschieden, dass wir es dann auch aufrechterhalten können. An die Regeln halten sie sich inzwischen fast automatisch. Heute mussten die Kinder noch zum Test antreten; und als ich einem kleinen Jungen dann erklären wollte, wie das funktioniert, guckte er mich nur an und sagte: ,Das kenn’ ich doch aus der Schule.’

Haben Eltern oder Kinder Vorbehalte angesichts der vergangenen Monate? Homeschooling und Social Distancing waren und sind ja überwiegend das Gebot der Stunde.

Das haben wir tatsächlich dieses Jahr gar nicht festgestellt, letztes Jahr aber sehr wohl. Da hatten wir angesichts von Corona noch die eine oder andere Abmeldung. Dieses Jahr ist das komplette Gegenteil eher der Fall. Wir sind regelrecht überrannt worden von Menschen, die einen Platz für ihre Kinder haben wollten. Als wir kurz vor dem Start noch eine Mail rum geschickt haben mit den aktuellen Verordnungen, an die wir uns halten müssen, haben wir damit gerechnet, dass unsere Telefone nicht mehr still stehen. Es kamen aber keine Anrufe, es gab höchstens Nachfragen zu Testzentren, um uns vor Ort ein wenig Arbeit abzunehmen.

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Was wird sich womöglich in der Organisation der Stadtranderholung ändern? Wir sich überhaupt etwas ändern müssen?

Unabhängig von Corona würde man sich natürlich mehr Fördergelder wünschen, um die Betreuer trotz Ehrenamts etwas besser entlohnen zu können. Die Aufwandsentschädigung ist ja nur ein kleines Dankeschön, obwohl man die Betreuung natürlich nicht dafür macht, sondern weil man Spaß dran hat. Ein wenig mehr Unterstützung von öffentlicher Seite wäre daher wünschenswert.

Um eine Beteiligung attraktiver zu gestalten?

Richtig. Aber ansonsten läuft es eigentlich, wir können nicht meckern. Man kann nur an Jugendliche appellieren, dass sie bei so etwas mitmachen und helfen, um den Horizont ein wenig zu erweitern.

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Es ist ja auch so, dass viele Ehrenamtler – sie mit eingeschlossen – seit ihrer eigenen Jugend mit der Stadtranderholung verbunden sind. Was macht denn den Reiz dieses Ehrenamtes aus?

Es ist dort oben (in Böingsen, Red.) wirklich wie eine Art Sucht. Betreuer, die früher dabei waren und es jetzt aus privaten oder beruflichen Gründen nicht mehr können, kommen zumindest zu Besuch. Es ist eine Flucht aus dem Alltag – mal davon abgesehen, dass wir dort oben keinen Handyempfang haben. Es ist, obwohl wir viele moderne Dinge einbauen, alles noch ein wenig ursprünglich: wir gehen in den Wald, wir wandern, wir tanzen, trommeln, bauen Pfeile und machen Bogenschießen. Das sind alles Dinge, die man nicht auf der Play Station macht. Es klingt zwar super abgedroschen, aber wenn die Kinder einen anstrahlen, ist der ganze Stress vergessen.

Man hat bei der Stadtranderholung in diesem Jahr das Gefühl, dass sich die Kinder wirklich darüber freuen, wieder unter Gleichaltrigen zu sein. Gibt es angesichts sozialer Isolation und Homeschooling dennoch Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren?

Ja, die Veränderungen gibt es in zweierlei Richtungen. Zum einen haben wir schon gemerkt, dass sich der eine oder andere gewöhnen musste, mit so vielen Kindern gleichzeitig zurechtzukommen – auch schon alleine mit der eigenen Gruppe, in der sie sind. Mit ihnen jetzt plötzlich klarzukommen, war schon eine Herausforderung. Da hat’s auch hier und da einen kleinen Streit gegeben, was wir so in der ersten Woche nicht unbedingt kannten. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass die Kinder so glücklich sind, wieder Menschen zu treffen und aus dem Corona-Wahnsinn zu entkommen. Sie sind mit ganz einfachen Sachen, sehr glücklich. Es reicht schon, ihnen einen Ball zuzuwerfen oder Kreide zu geben, dann spielen sie den ganzen Tag. Früher – grade in der ersten Woche – sagten sie oft: ,Ich will nach Hause, ich will zu meiner Play Station, zu meinem Handy.’ In diesem Jahr hatten wir das gar nicht.

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Das zeigt ja schon fast, mit welch einfachen Dingen man sich nach Monaten des Verzichts zufrieden gibt.

Ja, genau. Vielleicht hatten sie durch das Homeschooling und die Zeit Zuhause genug von der Play Station – mit anderen Kindern spielen, ging halt nicht.

Die Hürden für Großveranstaltungen dürften künftig andere sein. Wird’s die Stadtranderholung auch künftig geben?

Auf jeden Fall (lacht). Wir haben ja gesehen, dass wir in so einer Krise das auch gestemmt bekommen. Das hat uns nur stärker gemacht.