Hagen/Düsseldorf. Vater Nils Levien schüttelt den Kopf, dass es nach Monaten der Pandemie nicht flächendeckend Luftfilter für Klassenräume gibt. Woran das liegt.
Nils Levien schüttelt den Kopf. Der Hagener hatte bereits im vergangenen November versucht, Luftfiltergeräte für die Grundschule seines Sohnes zu besorgen. Anschaffung, Wartung, Folgekosten – hätten die Eltern privat organisiert und bezahlt. Alles, um in Zeiten der Corona-Pandemie die Schülerinnen und Schüler zu schützen, Präsenzunterricht zu ermöglichen. Doch der Hagener und seine Unterstützer scheiterten mit dem Wunsch nach mehr Sicherheit für ihre Kinder an der Trägheit der Politik und an rechtlichen Vorgaben: Elektronische Geräte dürfen ohne Überprüfung aus Brandschutzgründen nicht ohne weiteres aufgestellt werden. Die Stadt Hagen beschied, dass die Geräte verboten bleiben und dass man auf eine angekündigte Förderrichtlinie vom Land NRW warte.
Landesregierung will keinen flächendeckenden Einsatz
Die gab es aber nicht – und nun, fast sieben Monate später, wird wieder diskutiert über den Einsatz von Luftfiltergeräten. Eine Elterninitiative fordert von der Landesregierung, dass sie im neuen Schuljahr in allen Klassenräumen eingesetzt werden. Doch vom Land kommt schon der Dämpfer: Lüften sei besser als der Einsatz der Filteranlagen. Und bislang sei von den Kommunen auch nur ein kleinerer Teil der schon existierenden Millionen-Förderung abgerufen worden, mit denen zumindest in nicht oder nur schwer zu lüftenden Räumen der Einsatz der Anlagen gefördert wird.
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Aber echte Maßnahmen? Ideen? Nils Levien vermisst die Perspektive. „Man möchte die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Es wurde seit anderthalb Jahren nichts dafür getan, dass Kinder in Klassenräumen sicherer sind. Ob man das aus Sicht der Politik noch rechtfertigen kann, weiß ich nicht“, sagt der 40-Jährige. „Außer Masken tragen und Abstand halten ist nichts unternommen worden.“ Luftreiniger seien zwar nicht das Allheilmittel, aber sie würden zumindest die Viruslast im Klassenzimmer verringern. „Bei all den Dingen, für die Geld ausgegeben wurde und die weniger wirksam sind, würde ich mir wünschen, dass auch etwas für die Kinder getan werden würde.“
Von der Ankündigung des neuen Bürgermeisters in Menden blieb wenig
Aber tatsächlich ist nicht nur bei der Landesregierung, sondern auch bei Kommunen die Euphorie in Sachen Luftfilteranlagen gebremst. In Menden im Sauerland hatte der neu gewählte Bürgermeister Roland Schröder (parteilos) bei seinem Amtsantritt noch angekündigt, dass die Klassenräume der 53.000-Einwohner-Stadt mit den Filteranlagen ausgestattet werden sollen.
Doch inzwischen gab es die Umkehr. „Tests haben gezeigt: Die Geräte sind im Betrieb zu laut und stören den Unterricht“, so Stadtsprecher Johannes Ehrlich. „Außerdem sieht der Erlass vor, dass sie nur ergänzend eingesetzt werden und nicht das Querlüften ersetzen.“ Das heiße aber nicht, dass man gar nicht auf Filteranlagen zur Pandemiebekämpfung setze. „Wo es schon Anlagen gibt, da rüsten wir diese nach. Und beim Anbau an das städtische Gymnasium, der gerade erfolgt, ist noch nachträglich eine Lüftungsanlage eingeplant worden.“
Ähnlich auch die Haltung in Winterberg im Hochsauerlandkreis. Die Stadt hatte neun Luftfiltergeräte installiert, acht davon in Klassenräumen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums, eines in einer Grundschule. Alle waren nur schwer zu lüften. „Die Anlagen funktionieren auch gut", so Stadtsprecherin Rabea Kappen. Ein darüber hinaus gehender Einsatz sei aber nicht geplant. „Die anderen Räume sind ja gut zu lüften.“
Lehrer sagt: Im Herbst kommen die Probleme wieder
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Wie es nun in Hagen, der Heimat von Nils Levien, weitergeht, ist noch unklar: Die Stadtverwaltung will keinen flächendeckenden Einsatz. Die Wirkung der Geräte sei umstritten, man habe zudem dafür gesorgt, dass überall die Fenster geöffnet werden könnten. Doch eine politische Mehrheit – auch die den parteilosen Oberbürgermeister Erik O. Schulz stützenden Parteien – will, dass die Verwaltung nun alle Möglichkeiten auslotet, dass doch noch Luftfilteranlagen angeschafft werden.
Das dürfte zumindest in Teilen der Lehrerschaft Hoffnungen wecken. So sagt etwa ein Lehrer an einer weiterführenden Schule in Hagen: „Jetzt, im Sommer ist das ja alles in Ordnung. Da haben wir die ganze Zeit die Fenster geöffnet.“ Aber wenn es im Herbst wieder kälter werde, dann kämen auch wieder die Probleme. „Die Kinder haben echt gefroren und zudem wird dauernd der Unterricht gestört, wenn immer wieder gelüftet werden muss. Dabei haben wir echt etwas aufzuholen.“ Noch unerklärlicher sei ihm, dass die Turnhallen nicht in den vergangenen Monaten nachgerüstet worden seien. Die Kinder hätten seit mehr als einem Jahr keinen richtigen Sportunterricht mehr gehabt. Und das merke man vielen Kindern an.