Menden. Volker Schmidt (SPD) will Landrat im Märkischen Kreis werden. Der 64-Jährige redet über berufliche Ziele und seine Rolle in der Corona-Krise.
Volker Schmidt ist Gesundheitsdezernent des Märkischen Kreises. Der 64-jährige SPD-Kandidat will seinen Chef Thomas Gemke (CDU) als Landrat ablösen. Schmidt redet im Interview selbstbewusst über seine Ziele, über seine Beziehung zu Menden und über anonyme Lobeshymnen.
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Sie sind jetzt 64 Jahre. Andere Menschen in dem Alter denken an den Ruhestand. Sie wollen Landrat werden. Warum?
Volker Schmidt: Meine Absicht war es immer schon, länger zu arbeiten. Als Beamter darf ich heute auf Antrag bis 70 Jahre arbeiten, wenn der Arbeitgeber das auch möchte. Ich arbeite sehr gerne. Ich stehe jeden Morgen auf und freue mich auf die Arbeit. Ich freue mich am Wochenende darauf, dass es wieder Montag wird. In den USA wird man noch mit 79 Jahren zum Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Da habe ich noch viele Möglichkeiten.
Wenn man in diesem Alter ein Amt anstrebt, schwingt der Vorwurf mit, dass man nicht loslassen kann...
Das ist bei mir ganz anders. Ich bin ja noch gar kein Landrat. Ich lasse ja sogar meinen alten Beruf los. Das ist für mich eine gute Gelegenheit, dieses Amt jetzt auch einmal selbst auszuüben. Ich habe das Geschehen im Kreis ja schon viele Jahre in führender Funktion begleitet. Ich kenne alle Landräte, die wir hatten. Ich sehe das als Herausforderung.
Die Konkurrenz wirbt mit frischem Wind im Kreishaus. Sie arbeiten selbst seit 40 Jahren im Kreishaus. Was sind Ihre Argumente?
Ich werbe mit meiner Kompetenz. Genau, ich bin 40 Jahre im Kreishaus. Ich habe vieles kennengelernt, aber nicht nur innerhalb der Kreisverwaltung. Ich war im Jugendamt, in der IT, in der Organisation, im Personalbereich. Ich kenne viele Bereiche. Ich habe auch über die Kreisgrenze hinaus gearbeitet. Ich bin als nebenamtlicher Dozent für Verwaltungsmodernisierung tätig. Ich unterrichte junge Nachwuchskräfte in Verwaltungsmanagement. Ich habe mich an bundesweiten Projekten zur Verwaltungsmodernisierung beteiligt. Das ist ein Pfund mit dem man wuchern kann. Man braucht eine gewisse Kompetenz. Und es ist zumindest auch nicht schädlich, sie zu haben. Wir reden hier über eine echte Führungsaufgabe. Als Landrat ist man Leiter einer Kreisverwaltung mit gut 1300 Beschäftigten. Man ist auch Leiter der Kreispolizei mit ungefähr 700 Beschäftigten.
Volker Schmidt (SPD): Ich halte viel von Landrat Thomas Gemke
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Was würden Sie besser machen als Thomas Gemke?
Zunächst muss ich sagen: Ich halte sehr viel von unserem Landrat Thomas Gemke, übrigens auch von seinem Vorgänger – auch wenn beide aus der CDU kommen. Thomas Gemke ist ein guter Landrat. Man kann sicher thematische Schwerpunkte etwas anders setzen. Wir stehen vor großen Herausforderungen: Wir müssen uns mit der Zukunft der Arbeit beschäftigen, Digitalisierung, Elektromobilität. Da gibt’s ganz große Veränderungen, auf die wir zusteuern. Wir müssen uns auch mit der Gesundheitsversorgung auseinandersetzen. Es geht um Mobilität und Busverbindungen der MVG. Auch da müssen wir über andere Möglichkeiten nachdenken. Das Thema Klimaschutz steht oben an. Wir haben Fachkräftemangel, auch innerhalb der Verwaltung. Jeder hat da sicher seine Schwerpunkte. Das sind meine.
Was heißt das konkret?
Wir müssen uns bei der Mobilität zum Beispiel über Taktfrequenzen und über Preise unterhalten. Es geht um geringere Preise und andere Angebotsformen. Das wird eine Menge Geld kosten. Das müssen wir auch mit den Städten und Gemeinden besprechen. Ich bin aber sehr optimistisch, dass wir das auch hinbekommen. Auch bei Bund und Land ist die Einsicht da, dass das gefördert werden muss.
Persönliche Beziehung zu Menden und „Café Lödige“
Sie stammen selbst aus Lüdenscheid. Das ist weit entfernt von Menden. Was wollen Sie für Menden tun?
Ich bin häufiger in Menden, um das mal klarzustellen, nicht nur bei Wahlkämpfen. Menden ist eine schöne Stadt. Und selbst das Klima ist anders. Menden ist etwas milder (lacht). Ich bin sehr gerne vor der St.-Vincenz-Kirche. Sie haben da ein sehr schönes Café, das Café Lödige und das Café Sauerland, das neu geschaffen wurde. Wir haben als Kreis in Menden in der Brückstraße eine Außenstelle. Wir haben das Berufskolleg in Menden. Da gibt es immer wieder Anknüpfungspunkte, auch für mich privat. Für mich ist wichtig, dass wir die Klammer im Märkischen Kreis um die Städte und Gemeinden machen. Fördermittel zum Beispiel sind sehr viel einfacher über Regionen in die Kreise und Städte zu holen. Wir sind eine kommunale Familie.
Es gehen sechs Kandidaten an den Start. Um direkt Landrat zu werden, benötigt man im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen. Das gilt als schwierig. Ist ihr Ziel die Stichwahl?
Ich will ganz klar im ersten Wahlgang gewinnen. Das ist der Anspruch, den man hat. Man muss natürlich mal gucken, wie es ausgeht. Ich bin tatsächlich kein Wahlkämpfer, der schon seit Jahrzehnten Wahlkämpfe in allen Variationen gemacht hätte. Insofern lasse ich mich überraschen. Aber ich bin sehr optimistisch. Ich habe viel Zuspruch erfahren. Mein Wahlkampf läuft schon seit einem Jahr. Ich lerne gerne viele neue Dinge. Ich bin sehr wissbegierig und neugierig. Das macht auch häufig sehr viel Spaß. Das einzige, das etwas nervt, sind die Fahrten mit den vielen Baustellen im Märkischen Kreis.
Corona-Krise: Schmidt sieht keine überbordende Kritik am Märkischen Kreis
In der Corona-Krise gab’s viel Kritik von Ärzten, aus Heimen und Krankenhäusern. Das war als Gesundheitsdezernent des Kreises Ihr Verantwortungsbereich. Was hätte man besser machen können?
Die Wahrnehmung ist immer unterschiedlich. Natürlich haben wir Fehler gemacht. Auch ich habe Fehler gemacht. Jeder macht Fehler. Dazu muss man auch stehen und es dann besser machen. Aber die Rückmeldungen auch aus den angesprochenen Einrichtungen sind positiv. Wir hatten jetzt erst eine Videokonferenz mit allen Krankenhäusern aus dem Kreis. Sie haben sich alle für die Leistung der Gesundheitsbehörde bedankt. Das bin ich nicht alleine. Wir haben eine gute Teamarbeit. Ich bin schon zufrieden, wie das insgesamt gelaufen ist.
Wir haben über die Kritik berichtet. Ärzte kritisierten die Beschaffung, aus Altenheimen kam Kritik am Management. Es wurde die Vorbeugung kritisiert. Ist diese Kritik bei Ihnen nicht angekommen?
Nein, diese Kritik nicht. Es war ja auch nicht in unserer Verantwortung, für die Arztpraxen Schutzausrüstung zu beschaffen, auch nicht für die Krankenhäuser und Pflegeheime. Im Gegenteil: Wir haben aus unseren Beständen ausgeholfen. Da gab es genau die gegenteiligen Reaktionen. Man war uns dankbar. Da sind Leute zu Tränen gerührt gewesen. Natürlich gab es insgesamt Beschaffungsprobleme. Das war aber weniger eine Sache der einzelnen Kreisverwaltungen, sondern mehr der Landes- und Bundesebene.
Schmidt: Gut vorbereitet für weitere Pandemie-Situationen
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Wir sehen Sie den Kreis künftig aufgestellt, um auf ein Fortschreiten dieser Lage oder auf andere Lagen besser vorbereitet zu sein?
Ich komme gerade aus einer Videokonferenz mit unserer Bundeskanzlerin. Da sind genau diese Probleme angesprochen worden. Wir haben einen Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Der Bund stellt vier Milliarden Euro zur Verfügung. Die Digitalisierung soll ausgebaut werden. Das funktioniert bei uns sogar schon sehr gut. Der Personalbereich soll verstärkt werden. Wobei für mich das Problem gar nicht die Anzahl der Stellen ist, sondern viel mehr die Frage, wie wir die Stellen besetzen. Wir haben einen Ärztemangel. Wir benötigen Hygienekontrolleure. Wir müssen noch mehr werben für uns im Märkischen Kreis. Wir haben eine attraktive Gegend. Wir sind eine Industrieregion im Grünen. Dafür müssen wir werben, damit sich auch Fachkräfte im öffentlichen Gesundheitsdienst hier ansiedeln.
Diese Argumente betonen alle seit Jahren. Die Fachkräfte kamen trotzdem nicht. Wie kann man noch neue Argumente finden?
Man muss das natürlich auch etwas verstetigen. Wir tun uns mit fünf Kreisen in Südwestfalen zusammen. Man muss über die Sozialen Medien diese Themen bespielen. Ich glaube, da ist noch etwas Luft nach oben. Aber klar, wir sind auch mit anderen im Wettbewerb. Unsere Medizinstipendien werden alleine den Ärztemangel nicht beheben können. Aber sie sind wenigstens der Tropfen auf den heißen Stein und fürs Image gut.
Lobende Texte unter falschem Namen über Schmidt veröffentlicht
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Jemand hat im Wahlkampf unter falschem Namen versucht, sehr lobende Texte über Sie bei verschiedenen Medien im Kreis zu platzieren. Was steckt dahinter?
Das kenne ich nicht. Ich höre das jetzt gerade zum ersten Mal. Ich sag mal so: Wenn es lobende Stimmen sind, ist es zumindest besser als wenn es kritisch ist.
Was machen Sie am ersten Arbeitstag?
Ich werde mich natürlich mit den Mitarbeitern im neuen Aufgabenbereich unterhalten. Ich kenne sie natürlich. Man muss sich auch mit den Fachbereichsleitern abstimmen und die Betroffenen zu Beteiligten machen. Mein Stil ist der des Teamplayers. Ich muss aber keine Vorstellungsrunde machen. Man kennt mich. Ich weiß, was auf einen Landrat zukommt, angefangen bei der 60-Stunden-Woche. Ein Landrat ist sehr viel unterwegs. Er sitzt 50 Prozent seiner Arbeitszeit im Auto.
Wer ist Ihr größter Gegner?
Ich habe keine Gegner, nur Mitbewerber. Wir haben sicherlich Bewerberinnen und Bewerber, die Kompetenzen haben. Im Detail kann ich das aber gar nicht beurteilen, weil wir noch gar nicht so viele Gespräche miteinander geführt haben. Ich muss mich auf meine Stärken und mein Programm konzentrieren. Es entscheiden die Bürgerinnen und Bürger, hoffentlich durch das Kreuz an der richtigen Stelle. Wie gesagt: Ich hoffe, dass wir nur einen Wahlgang brauchen.
Die Redaktion hat die Landratskandidaten für die Landratswahl am 13. September in einer Interviewserie per Videokonferenz vorgestellt. In dem Format „20 Minuten mit“ hatten die Kandidaten exakt 20 Minuten Zeit, um auf die Fragen zu antworten.
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