Menden. Coronavirus deckt Schwächen auf: Keine Schutzkleidung in Praxen, kaum Desinfektionsmittel, fehlende Infos über Hotlines und Diagnoseverfahren.

Zunehmend kritisch reagieren heimische Ärzte und Apotheker auf das Krisenmanagement zum Coronavirus: Irritiert über Versorgungsengpässe bei Schutzmasken, Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln für das Praxis-Personal sowie über bestenfalls schleppend funktionierende Informationsketten zeigen sich Peter Brall, Sprecher der Mendener Hausärzte, und Dr. Horst-Lothar Müller, Apotheker am Heideplatz, der lange Jahre Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe war.

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Von Von Rolf Hansmann und Daniel Berg

Zur Versorgungslage: In mehreren Praxen, auch der von Hausarzt Peter Brall, gibt es mangels Nachschub derzeit kaum noch Masken, Schutzkleidung oder Desinfektionsmittel. Und das, obwohl in Corona-Verdachtsfällen Abstriche aus dem Rachenraum entnommen werden sollen – mit entsprechender Ansteckungsgefahr für das Personal. In Unna habe nach der Bestätigung der Corona-Erkrankung eines Patienten eine Praxis für zwei Wochen schließen müssen: Brall erinnert daran, dass man im Verdachtsfall keinesfalls in Praxen oder Ambulanzen spazieren, sondern anrufen soll.

Abstrich zuhause statt in der Praxis

Jetzt gebe es die Empfehlung, Abstriche gar nicht mehr in der Praxis vorzunehmen. Vielmehr solle sich der Patient das Stäbchen nach Hause bringen lassen und die Probe zum Test ans Hygieneinstitut schicken. Von diesem Verfahren sei einigen niedergelassenen Ärzten aber noch nichts bekannt. Zudem gebe es zwei Arten von Stäbchen: trocken oder mit Nährlösung. Genommen werden sollen die trockenen. Doch die, sagt Brall, würden in vielen Praxen schon lange nicht mehr angewandt.

Unter der Patienten-Servicehotline 116117 erfolgt jetzt eine Weiterleitung bei Corona-Verdacht. Diese Anrufer sollen laut Ansage die „1“ drücken, später die „3“, um hier Informationen zu erhalten. Doch auch von diesem Angebot hätten viele Kolleginnen und Kollegen bisher nichts erfahren, sagt Brall.

Absagen treffen Ruhrtalbläser und Gertrüdchen

Das für Samstag, 21. März, in der Schützenhalle Platte Heide geplante Konzert der Ruhrtalbläser fällt aus. Die Vorstände des Platte Heider Schützenvereins von 1959 und der Ruhrtalbläser beschlossen die Absage wegen der Ausbreitung des Corona-Virus. Sie erfolge vorsorglich, um Besucher nicht zu gefährden und eine kurzfristige Absage zu vermeiden. Wer schon Karten im Vorverkauf erworben hat, erhalte gegen Rückgabe der Eintrittskarte das Geld zurück. Das Konzert soll nachgeholt werden.

Abgesagt sind der Mendener Gesundheitstag am 21. März, die Kinder-Uni in Fröndenberg am 6. März, der Magdalenentisch am 8. März. Und auch das beliebte Neuenrader Volksfest „Gertrüdchen“ muss wegen der Ansteckungsgefahren ausfallen.

Erst am Mittwochnachmittag lud das MK-Gesundheitsamt zu einer Info-Veranstaltung nach Altena ein: alle Ärztesprecher, die Geschäftsführungen der Krankenhäuser, die Kassenärztliche Vereinigung und den Katastrophenschutz. Ihnen sei eröffnet worden, dass Schutzkleidung, Desinfektionsmittel und Abstrichröhrchen „jetzt bestellt“ würden. Als Zusatzservice biete das MK-Gesundheitsamt an, zwischen 9 und 18 Uhr Hausbesuche für Abstriche zu machen. Eine zentrale Anlaufstelle solle es nicht geben, dafür aber die Hotline des Gesundheitsamtes: 02351 / 966 7272.

Nur noch Kopfschütteln

Nur noch den Kopf schütteln über die Versorgungslage kann indes der erfahrene Apotheker Müller: „Es ist ein Trauerspiel.“ Da Desinfektionsmittel nicht mehr bestellbar seien, „haben wir uns auf unsere apothekerliche Kunst besonnen“. Müller und das Team der Heide-Apotheke produzieren die Mittel jetzt selbst. Allerdings lief auch die Beschaffung der Substanzen stockend: „Auch die Rohstoffe für die Desinfektionsmittel waren vielfach schon weg.“

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Nicht mehr verkauft werde in der Heide-Apotheke der anfangs noch angebotene einfache Mundschutz, der aber keinen wirklichen Schutz vor Ansteckung biete. „Und wenn man sich ansieht, was inzwischen im Internet läuft, dann ist das hanebüchen“, sagt Lothar Müller. So würden für teures Geld angebliche Schutzmasken aus dem Herstellerland Mexiko angeboten: „Das ist aber bloß Zeitungspapier mit zwei Fäden dran.“