Menden/Märkischer Kreis. Walter Gertitschke kandidiert für das Amt des Landrats. Der 70-Jährige verrät im Video-Interview nicht nur, dass er ein Spätzünder war.
Walter Gertitschke ist, wie er selbst sagt, Vollbluts-Hemeraner. Seit 20 Jahren ist er Mitglied bei der UWG (Unabhängige Wählergemeinschaft) und seit 2009 Fraktionsvorsitzender der Kreistagsfraktion. Nun möchte der 70-Jährige Landrat werden. Im Video-Interview mit der WP redet er über seine Lebenserfahrungen, seine Wünsche und verrät auch etwas über Pläne für die Hönnestadt.
Ganz salopp gefragt: Warum sollten Sie die Wahl gewinnen?
Also erstmal bin ich ja schon 70 Jahre alt und bringe dementsprechend ein bisschen Erfahrung mit. Denn ich arbeite nun seit 16 Jahren hier im Märkischen Kreis und bin auch gebürtiger Hemeraner. Ich war viele Jahre Leiter der Betriebsstelle des Eichamtes in Bielefeld und zuletzt Leiter des Eichamtes in Arnsberg. Ich will nicht sagen, dass die Verwaltungsaufgaben dieselben sind, aber sie ähneln sich auf jeden Fall. Und daher konnte ich schon viele Erfahrungen machen und auch sammeln.
Würden Sie das auch als einen Ihrer Vorteile betrachten?
Auf jeden Fall. Allerdings denke ich, dass es auch ein Vorteil ist, dass mein Lebensmittelpunkt schon immer hier im Märkischen Kreis war. Noch dazu bin ich kommunalpolitisch sehr aktiv. Außerdem habe ich eine ganz klare Ansicht: Man muss mit allen Kommunen ins Gespräch kommen, sonst geht es nicht. Die Kommunikation ist mir sehr wichtig.
Mit 70 Jahren sind Sie einer der ältesten Kandidaten. Wie kam es dazu?
Ehrlich gesagt, hat es mir einfach gestunken, dass Anträge immer wieder abgelehnt werden. Und ich habe mich immer wieder über etwas aufgeregt und gemeckert. Irgendwann habe ich mir dann gedacht, dass ich nicht nur meckern sollte, sondern auch was machen oder ändern sollte. Ich bin schon seit 2000 bei der UWG in Hemer Mitglied, also eine lange Zeit. Und da ich eben schon Berufs- und Lebenserfahrung mitbringe, habe ich mich dazu entschieden, zu kandidieren.
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„Ich gehöre auch zu den Spätzündern“
Sie haben jetzt viel über Hemer und den Kreis an sich gesprochen. Gibt es auch spezielle Wünsche oder Pläne Ihrerseits für Menden?
Also, ich muss gestehen, dass ich nicht allzu oft in Menden bin. Aber erst letztens war ich nach einiger Zeit mal wieder in der Mendener Innenstadt. Und ich war wirklich so erschrocken über die ganzen Leerstände. Das gibt es selbst hier in Hemer nicht. Sicherlich hat sich das auch coronabedingt verschlimmert, aber in Menden ist es wirklich extrem. Da müsste man sicher mal ran. Allerdings ist das ja Sache der einzelnen Städte. Da müsste man also auf jeden Fall mit den jeweiligen Besitzern sprechen und dann kann eventuell die kreiseigene Gesellschaft für Wirtschafts- und Strukturförderung (GWS) behilflich sein. Vielleicht könnte man auch überlegen, gewisse Leerstände in behindertengerechte Wohnung umzufunktionieren oder diese Künstlern als Atelier zur Verfügung stellen. Und es gibt noch einen Punkt, der mich der rumtreibt: unsere sieben Förderschulen im Kreis. Das sind echte Alternativen zu Inklusionsschulen und das finde ich wirklich toll. Genau wie unsere Berufskollege hier im Kreis. Da gibt es ja auch eins in Menden. Das bietet einfach eine gewisse Bildungsvielfalt und gibt vor allem auch Spätzündern, zu denen ich übrigens auch gehöre (lacht), die Chance, einen Abschluss zu machen. Das sind wirklich ganz wichtige Themen für mich.
Gibt es da denn etwas, was Sie unbedingt ändern würden, wenn Sie die Wahl gewinnen?
Ich denke, dass die Kreisverwaltung da schon sehr gut vorgearbeitet hat. Allerdings gibt es nach wie vor das Problem, dass kleine Wählergruppen oder Parteien oftmals außen vor gelassen und nicht richtig informiert werden. Das möchte ich unbedingt ändern. Was mir in puncto Bildung sehr am Herzen liegt, ist der Hausärztemangel hier im Kreis. Da würde ich mich auf jeden Fall für einsetzen. Und ich bin ein Befürworter der „leichten Sprache“. Das wurde erst belächelt, aber mittlerweile nicht mehr. Und das muss insbesondere in der Verwaltung umgesetzt werden, nicht nur für junge Menschen, sondern für alle Bürger.
Wie sieht es mit dem Thema Digitalisierung aus? Das ist auch in Menden sehr aktuell.
Gerade in puncto Schulen sind Digitalisierung und Sanierung ein sehr wichtiges Thema. Beides sollte immer im Vordergrund stehen. Vor allem die technische Ausstattung der Lehrkräfte muss verbessert werden. Gerade durch Corona wird der Bedarf nochmal deutlich. Das wiederum ruft das Thema Breitbandausbau auf den Plan. Da muss auch noch viel getan werden. Wir merken ja aktuell alle, wie wichtig das ist. Aber Baustellen gibt es im Kreis zu Genüge. Das betrifft nicht nur die Digitalisierung, sondern beispielsweise auch die Krankenhäuser oder den Brandschutz. Da gibt es noch viel zu tun. Und dabei muss man eben auch immer die Kosten im Blick haben.
Sie selbst stehen ja nicht stark in der Öffentlichkeit – warum nicht?
(lacht) Also in den letzten Tagen ist man schon stark gefragt, das kenne ich so gar nicht. Aber sonst stehen die UWG und auch in aus einem ganz einfachen Grund nicht so stark im Fokus: Es sind die Mitarbeiter-Probleme. Da wir nicht so viele Mitglieder haben, fehlt uns einfach die Zeit. Insbesondere mit mehr jungen Menschen würden wir uns natürlich auch mehr präsentieren. Aber das stellt uns schon vor Probleme. Klar, wir haben immer mal wieder junge Mitglieder. Aber erstens haben wir alle auch neben unserer Wählergemeinschaft noch viele Verpflichtungen und viele junge Leute ziehen weg, um zu studieren und verlassen den Kreis. Das ist dann natürlich schwierig. Natürlich hoffen wir, dass sich das wieder ändern wird. Dabei kommen wir dann auch wieder auf den Wirtschaftsaspekt. Die Wirtschaft sollte im Kreis nicht in den Hintergrund geraten. Denn dann könnten wir vielleicht genau das, dass junge Menschen uns für Jobs, Ausbildungen oder Studiengänge verlassen, vermeiden. Und wie immer spielt da auch Corona mit rein. Hätte es Schützenfeste und Co. gegeben, hätte ich mich als Landrats-Kandidat natürlich bekannter machen können. Zudem sind wir als UWG ja auch aktiv und bekannt, es könnte halt nur besser sein. Aber es ist nun so, wie es eben ist. Und hochspannend bleibt es allemal.
Walter Gertitschke ist der vierte Landrats-Kandidat, der von der Redaktion in einem 20-minütigem Videointerview vorgestellt wurde. In den kommenden Tagen werden noch die weiteren Landrats-Kandidaten folgen.