Platte Heide. Der Tod eines Familienmitglieds oder eines Freundes trifft Kinder und Jugendliche ganz unterschiedlich. Eine Trauergruppe in Menden kümmert sich.

Papa ist tot. Kein Gute-Nacht-Kuss mehr. Kein gemeinsames Toben auf dem Spielplatz. Wo ist er jetzt? Wieso kommt er nicht mehr nach Hause? Der Tod eines geliebten Menschen ist schwer zu ertragen. Besonders bei Kindern ist die Unsicherheit groß. Sie verarbeiten die Situation anders als Erwachsene. Manche sind wütend, andere still oder auffallend „normal“. „Kinder spüren, dass die Leute plötzlich aufhören darüber zu reden. Aber sie wissen ganz genau, was los ist“, sagt Simone Stegbauer. Sie ist Schulsozialarbeiterin der Stadt Menden. Gemeinsam mit Sozialarbeiterin Andrea Meyer hat sie eine Trauergruppe für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen.

Simone Stegbauer (rechts) und Andrea Meyer haben eine Trauergruppe für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Dabei geht es darum, den Kindern zu vermitteln, wie sie am besten mit ihren Gefühlen umgehen können.
Simone Stegbauer (rechts) und Andrea Meyer haben eine Trauergruppe für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Dabei geht es darum, den Kindern zu vermitteln, wie sie am besten mit ihren Gefühlen umgehen können. © WP | Jennifer Wirth

„Es ist häufig vorgekommen, dass ein Elternteil verstorben ist und das verbliebene Elternteil oder die Lehrer nicht wussten, was dann zu tun ist“, berichtet Simone Stegbauer aus ihrem Berufsalltag. Das Angebot ist eine Kooperation des Zweckverbandes für psychologische Beratungen und Hilfen und der Stadt Menden.

Der Bedarf ist da

Seit Mitte 2019 gibt es das Angebot im Stadtteiltreff Platte Heide. Im November ist die zweite Gruppe gestartet, weil der Bedarf groß ist. Aktuell sind fünf Kinder im Grundschulalter dabei – maximal acht können parallel mitmachen. Sie alle haben jemanden aus dem engsten Kreis kurz vor Start des Gruppenangebots verloren. Eine große Herausforderung für die beiden Frauen, die sie aber gerne annehmen. „Das ist ein geschlossenes Angebot“, sagt Andrea Meyer. Das heißt, ist die Gruppe einmal gestartet, können keine neuen Mitglieder mehr dazukommen.

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„Die Kinder, die herkommen, kommen gerne“, sagt Stegbauer. Und das sei überaus wichtig. Die Kinder müssen es wollen. „Wir erklären den Eltern, dass das Kind freiwillig kommen muss“, sagt Andrea Meyer. Deshalb ist ein intensives Vorgespräch wichtig. Wenn die Kinder in der Gruppe miteinander spielen, basteln und reden, können die Eltern sich bei Kaffee und Keksen austauschen – wenn sie möchten.

Sehr offene Gespräche führen

„Ich finde es sehr spannend, wie offen die Kinder teilweise mit dem Erlebten umgehen“, sagt Andrea Meyer. Die meisten möchten von sich aus erzählen, was sie erlebt haben. Und wenn nicht, dann eben nicht. „Wir versuchen den Kindern immer zu vermitteln, dass wir sie sehr ernst nehmen“, sagt Simone Stegbauer. Die Erfahrung zeige: Die Kinder trauen sich ihre Gefühle offen zu beschreiben. „Meine Reaktion ist anders, als bei Angehörigen. Mir treibt das nicht die Tränen in die Augen. Sie können ihre Fragen offen stellen.“

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Generell laufen die Treffen immer ähnlich ab: „Wir fangen immer mit einem Keks an“, sagt Simone Stegbauer lachend. Dann dürfen die Kinder einen Zettel schreiben, auf dem sie notieren, was sie Gutes erlebt haben. Auch gute Erinnerungen an den Verstorbenen haben darauf Platz. Diese Zettel wandern in den sogenannten Ressourcenkoffer, den jedes Kind beim ersten Treffen bastelt. Die beiden Fachfrauen sprechen offen mit den Kindern und fragen nach ihren Bedürfnissen. Dann basteln sie gemeinsam, spielen, weinen und lachen. Alles ist erlaubt, solange sich die Kinder dabei gut fühlen. Auch Einzelgespräche sind möglich.

Mit Schaumstoff-Schwertern Dampf ablassen

„Wir reagieren auf Situationen. Es geht darum, den Kindern zu zeigen, wie sie ihre Gefühle regulieren und damit besser umgehen können“, sagt Simone Stegbauer. Was ist eigentlich Wut und was ist Trauer? So gebe es Methoden Wut aufkommen zu lassen. Beim spielerischen Kampf mit Schaumstoff-Schwertern werden diese Gefühle dann abgebaut. „Manche Kinder können das super und hämmern drauf ein.“

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Trauer müsse fließen – Zuhause würden die Kinder meist lange Zeit versuchen den verbliebenen Elternteil zu beschützen. Sie wollen ihnen nicht noch mehr Kummer bereiten und tun so, als sei alles wie immer. Meist dann, wenn die Erwachsenen die erste Trauer überwunden haben, suchen sich die Kinder ein Ventil und erlauben sich, ihren Gefühlen Raum zu geben.

Lockerer Gesprächseinstieg

Simone Stegbauer und Andrea Meyer wollen den Kindern Stärke und Kraft mitgeben. Die Gespräche über den Verlust werden nicht erzwungen. Alles passiert ganz natürlich nebenbei. Zum Beispiel, wenn das Brettspiel Trauerland auf den Tisch kommt. Dort arbeiten die Expertinnen mit themenbezogenen Fragekarten. Die bieten einen lockeren Gesprächseinstieg. „Die Kinder wissen, wieso sie hier sind. Aber die Trauer steht nicht im Mittelpunkt“, sagt Stegbauer. Und ergänzt: „Wenn wir geahnt hätten, wie schön und lustig es mit den Kindern ist, hätten wir mit dem Angebot schon eher angefangen.“

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