Menden/Kreisgebiet. Ihr Kind zu verlieren, ist für Eltern das Allerschlimmste. In der Trauer bleiben sie oft allein. Die Caritas hat eine Anlaufstelle eingerichtet.

Fünf lachende, fröhliche junge Menschen strahlen aus ihren Porträtrahmen. Der Bildertisch komplettiert die Runde ihrer Mütter und Väter. Das jüngste Kind ist noch im Grundschulalter, das älteste war 40, als das Foto aufgenommen wurde. Die Kinder sind tot.

Keine Phase: Diese Trauer bleibt ein Leben lang

Gestorben sind sie vor wenigen Monaten oder vor sieben Jahren. Doch hier, im Raum der Trauerbegleitung, dürfen sie wieder lebendig werden. Hier dürfen Eltern, die ihr Liebstes verloren haben, ihre Kinder auch für andere wieder an den Tisch holen, über sie reden, ihren ungeheuerlichen Verlust beweinen. Hier sagt niemand, dass die Zeit doch alle Wunden heilt. Für verwaiste Eltern ist Zeit keine Medizin. Das Leben will sie ohnehin bald wieder mitnehmen, für ihre verbliebenen Kinder, für den Partner, für den Job. Doch allen hier wurde das Herz aus dem Leib gerissen, und doch sollten sie nach einer „Trauerphase“ wieder funktionieren. „Irgendwann traut man sich kaum noch, bei Besuchen an das Kind zu erinnern“, sagt ein Vater leise. Dabei denke er immer daran, wo es heute wohl wäre. „Es ist ein hartes Brot, mit uns umzugehen.“

Betroffene auch aus Hamm, Meschede, Soest, Olpe, Hagen und Arnsberg

Besuche von Verwandten, Freunden und Bekannte werden nach dem Tod des Kindes weniger. Das kennen hier alle. Es ist wohl die Angst, etwas Falsches zu sagen, wo es keinen Trost mehr gibt. Dabei wäre es unendlich wichtig, da zu sein, beizustehen, die Ohnmacht zu teilen und Nähe zu schenken. Um diese Nähe zu spüren, nehmen die Mütter und Väter hier weite Wege auf sich. Sie kommen aus Hamm, aus Meschede, aus Soest, Olpe, Hagen oder Arnsberg. Auch Paare und Elternteile aus Menden, Iserlohn und Altena stellen die Bilder ihrer Kinder hier auf: in Iserlohn, im Gemeindehaus von St. Josef an der Friedrich-Kaiser-Straße.

Hospizdienst „Zeitgeschenk“: Anlaufstellen und Spendendaten

Das „Zeitgeschenk“ ist der mobile Kinder- und Familienhospizdienst des Caritasverbandes Iserlohn, Menden, Hemer, Balve.

Ansprechpartnerin ist die Trauerbegleiterin Johanna Schwarte. Telefon: 02373/39 99 784, 02371/81 86 871 oder 0151-12 58 27 17. E-Mail: j.schwarte@zeitgeschenk.org. Termine nur nach Vereinbarung.

Wer die Aufgabe mit Spenden unterstützen möchte, wende sich an Waltraud Schierhold, Karlstraße 15, 58636 Iserlohn. Telefon: 02373/39 99 784 oder 02371/81 86 14. E-Mail: spenden@zeitgeschenk.org.

Für direkte Unterstützung gibt es das Spendenkonto bei der Bank für Kirche und Caritas. IBAN DE58 4726 0307 0010 7107 00. Verwendungszweck: Zeitgeschenk.

Das „Zeitgeschenk“, das die qualifizierte Trauerbegleiterin Johanna Schwarte hier anbietet, gibt es in weitem Umkreis nicht noch einmal. Ohne den gleichnamigen Hospizdienst des Caritasverbandes Iserlohn, der auch für Menden, Balve und Hemer zuständig ist und Johanna Schwarte 2014 angestellt hat, gäbe es für verwaiste Eltern überhaupt nichts. So unglaublich das klingt. Und nicht einmal Google hilft denen, die verzweifelt so ein Angebot suchen.

Drei Kinder bleiben, doch die trauernde Alleinerziehende erhält nicht mal eine Kur

Dabei lernt jeder, der hier als Gast nur wenige Minuten sitzt, ganz schnell, was Trauerbegleitung für verwaiste Eltern bedeutet. Da erzählt die alleinerziehende Mutter von vier Kindern, der drei geblieben sind: „Ich habe so eine wahnsinnige Sehnsucht nach diesem Kind.“ Ein Vater sagt: „Es ist, als würde dir ein Bein abgerissen. Es fehlt ein Teil von dir, aber du sollst weiterlaufen.“

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Das konnte er nicht. Ihn erwischte die Depression, wie er berichtet. Der Gedanke, warum er überhaupt weiterleben soll, wenn man sein Kind begraben muss. Ein anderer Vater, dessen Ehefrau nicht hierher kommt, erzählt von der Ehe, die nach dem Tod des Kindes lange auf der Kippe stand. Vom Schuldgefühl, seinen kleinen Jungen nicht beschützt zu haben, obwohl es gegen die Krankheit keinen Schutz und keine Chance gab. „Aber wofür bin ich als Vater denn da?“

Therapeutin weiß: Trauer ist keine Krankheit, aber sie kann schnell dazu werden

„Trauer ist keine Krankheit, aber sie kann sehr schnell dazu werden“, sagt Johanna Schwarte. Für Eltern, die das Schicksal so furchtbar getroffen hat, sei eine kundige Begleitung nichts weniger als die Chance, nicht dauerhaft krank zu werden an Körper und Seele. Eine Mutter sagt: „Den ganzen Monat muss ich mich zusammenreißen, hier darf ich mich endlich fallen lassen und werde aufgefangen. Das ist so wertvoll, das kann sich niemand vorstellen.“

Schmerz und Trauer, Leben und Licht: Ein ganz besonderer Garten wird zu den Treffen der verwaisten Eltern aufgebaut.
Schmerz und Trauer, Leben und Licht: Ein ganz besonderer Garten wird zu den Treffen der verwaisten Eltern aufgebaut. © Thomas Hagemann

Für Kranken- oder Rentenkassen ist das offenbar nicht wertvoll genug. Sie finanzieren zwar Sterbebegleitungen, doch für Trauer fühlt man sich nicht zuständig. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern bekam nach dem Tod ihres Sohnes nicht mal eine Kur genehmigt. Angesichts der Folgen, die der Tod eines Kindes für Eltern nach sich ziehen kann, ist das für Johanna Schwarte völlig unbegreiflich.

Trauerbegleiterin Johann Schwarte muss selbst für Spenden sorgen

Seit der Gründung dieser Gruppe vor sieben Jahren muss sie selbst für Spenden sorgen. Damit Therapien laufen können wie etwa das hier angebotene Trauerpilgern. „Wobei es in der Trauer zwar Angebote, aber keinen Königsweg gibt“, betont Johanna Schwarte. Sie konnte aber zuletzt wegen einer schweren Erkrankung ein halbes Jahr lang nicht sammeln, und so kam im ablaufenden Jahr deutlich weniger Geld herein als sonst. Der ganze Hospizdienst stand zur Disposition, dabei besteht er überhaupt nur aus Johanna Schwartes 30-Stunden-Stelle und ihren zehn ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.

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Diese Situation war der Grund für einige Eltern, auch die WP in ihren geschützten Raum zu lassen, die Bilder ihrer Kinder zu zeigen. Johanna Schwarte würde gern mehr Gruppen anbieten. „Zu viele verwaiste Eltern“, sagt sie, „müssen versuchen, alleine klarzukommen.“