Menden. Hilflos, unsicher: Trauerbegleiterin Johanna Schwarte gibt Ratschläge, wie Angehörige und Außenstehende mit trauernden Eltern umgehen können.

Auf einmal ist alles farblos und macht keinen Sinn mehr. Warum weiterleben? Wofür? Alles steht still. Der Schmerz ist kaum zu ertragen, die Trauer erdrückend. Wenn Eltern ihr Kind verlieren, bricht eine Welt zusammen. Trauer. Fassungslosigkeit. Wut. Selbstzweifel. Die Palette an Gefühlen ist groß und jeder trauert anders. Doch wie geht man als Außenstehender damit um? Wie begegnet man Menschen, die das Wertvollste in ihrem Leben verloren haben?

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„Eigentlich ist es ganz einfach“, sagt Trauerbegleiterin Johanna Schwarte vom Caritasverband Iserlohn. „Offen und ehrlich: Das ist am wichtigsten. Einfach Mensch sein.“ Die meisten Personen seien unsicher, wüssten einfach nicht, wie sie mit Trauernden umgehen oder reden sollen. Was soll ich sagen? Mein Beileid? Ist das nicht zu plump? Wie kommt das an? Wie kann ich helfen? Wollen die Eltern mich überhaupt sehen? „Man fühlt sich ohnmächtig. So ein Schicksal berührt und zeigt auch die eigene Wirklichkeit: Wir können unsere Kinder nicht immer vor allem schützen“, sagt Schwarte.

Da sein: Immer wieder Unterstützung anbieten

Die eigene Ratlosigkeit sollten Außenstehende wie Angehörige den Eltern zurückspiegeln, sagt die Expertin. „Es ist gut, ganz offen zu sagen: Ich bin ratlos. Wie kann ich dir helfen?“ Hilfe anzubieten sei wichtig, um vor allem in der ersten Schocksituation nach dem Tod zu unterstützen. Einkaufen, kochen, umarmen oder auch einfach nur still nebeneinander sitzen: Was sich die Menschen wünschen, deren Kind gestorben ist, ist unterschiedlich. Vielleicht auch nichts davon. „Das sollte man dann nicht persönlich nehmen. Oft können die Eltern nicht anders“, sagt Johanna Schwarte. Viele können ihre Gefühle nicht sortieren, wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht.

Der Bedarf nach Hilfe ist gestiegen

Die geleitete Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern leitet Johanna Schwarte in Iserlohn, im Gemeindehaus von St. Josef an der Friedrich-Kaiser-Straße. Zwölf Personen treffen sich aktuell einmal im Monat. Diese Gruppe ist zwar bereits voll, sagt Johanna Schwarte. Bei weiteren Interessenten wird eine zweite Gruppe eröffnet. Der Bedarf nach Hilfe und die Bereitschaft diese anzunehmen, sei in den vergangenen Jahren gestiegen.

Generell sucht Johanna Schwarte für alle Trauernden das passende Angebot. Es gibt verschiedene Gruppen – beispielsweise für Eltern von Sternenkindern. Zudem bietet sie Einzel- oder Familiengespräche an – für Betroffene, aber auch für Angehörige oder Bekannte, die einen Rat brauchen.

Kontakt zu Johanna Schwarte können Interessierte telefonisch unter 02371/8186871 oder via E-Mail unter j.schwarte@caritas-iserlohn.de aufnehmen.

Immer wieder auf die Trauernden zuzugehen, ist der richtige Weg. Den ersten Schritt zu machen und den Eltern damit diese Hürde abnehmen, hilft. „Vielleicht möchten die Eltern in dem Moment nicht darüber reden“, so Schwarte. Aber aufgeben sollte man trotzdem nicht und vor allem Geduld haben. „Man sollte einfach abwarten, was kommt.“ Authentizität und Respekt spielen bei der Begleitung eine große Rolle.

Zuhören: Betroffenen nicht aus dem Weg gehen

Oft erleben Eltern, dass Menschen ihnen bewusst aus dem Weg gehen oder sogar die Straßenseite wechseln. Johanna Schwarte, die unter anderem Selbsthilfegruppen für verwaiste Eltern betreut, hört das immer wieder. Die Erfahrung zeige, dass Eltern gerne über ihr Kind reden möchten, um die Erinnerung wach zu halten. Bilder zeigen, über schöne Momente sprechen: All das sei ihnen wichtig. Auch Schuldgefühle spielten immer wieder eine große Rolle. „Warum konnte ich mein Kind nicht schützen?“ Solche Fragen kommen immer wieder auf.

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Für Angehörige sei es mitunter anstrengend, immer und immer wieder über das Kind zu reden. Sie sollten laut Expertin auch ihre eigenen Grenzen aufzeigen und sagen, wenn sie eine Pause brauchen. „Wenn ein Kind stirbt, ist es mit die schwerste Trauer“, sagt die Expertin. „Mit dem Kind waren Wünsche und Hoffnungen verbunden. Und plötzlich ist alles vorbei.“ Andere Kinder von Freunden entwickeln sich weiter, wachsen auf. Das eigene spielt keine Rolle mehr. Das ist hart. Bei der Intensität der Trauer und Schmerzen spiele es auch keine Rolle, ob das Kind durch lange Krankheit oder einen plötzlichen Unfall gestorben ist. „Sie trauern genauso.“

Keine Ratschläge und Weisheiten geben

Sprüche wie „Ihr seid ja noch jung. Ihr werdet sicherlich noch Kinder bekommen“ oder Vergleiche mit der Trauer wegen der verstorbenen Oma sollten unbedingt vermieden werden. Auch Ratschläge dazu, wie sich Eltern am besten verhalten sollten, seien völlig daneben. Selbiges gelte für Sprüche wie „Ich kann dich gut verstehen“. Niemand, der nicht selbst ein Kind verloren hat, könne den Schmerz ansatzweise nachvollziehen. „Das ist anmaßend. Ich kann es nicht verstehen, aber ich kann mitfühlen“, sagt Johanna Schwarte.

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„Auch deshalb sind Selbsthilfegruppen so wichtig.“ Der Austausch mit Betroffenen tue gut, niemand werde verurteilt, wenn er über sein totes Kind spreche. Egal, wie lange der Tod her ist. Denn jeder entscheidet selbst, wann er oder sie bereit ist, wieder etwas mehr Farbe ins eigene Leben zu lassen.

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