Menden/Bösperde. Die App „Too Good To Go“ möchte gegen die Lebensmittelverschwendung angehen. „real“ in Bösperde macht mit – allerdings ist oft alles ausverkauft.

Ein leckerer Joghurt, frische Milch, ein Paket Nudeln oder eine große Tüte Weizentoast – sobald Lebensmittel das Mindesthaltbarkeitsdatum überschreiten, entscheiden viele Menschen: Das schmeiße ich lieber weg. Immer häufiger versuchen Haushalte dieser Verschwendung entgegenzuwirken. Aber auch Mendener Supermärkte, Bäckereien und Restaurants versuchen etwas zu tun – die Kette real’ arbeitet bundesweit mit der Initiative „Too Good To Go“ zusammen – ebenfalls hier in Menden/Bösperde. Und auch Bäckereien, wie Niehaves, Tillmann oder Grothe wollen weniger Essen wegschmeißen. In Menden heißt der Anlaufpunkt oft „Decent“. Eine lokale Tafel für Bedürftige.

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Fast 24 Millionen gerettete Mahlzeiten

Die Initiative „Too Good To Go“ ist auf fast jedem Smartphone als App erhältlich. Auf der Website des Unternehmens wird mit dem Slogan „Rette leckeres Essen und bekämpfe die Verschwendung“ geworben. Nutzer können die App herunterladen und sich dort registrieren. Nachdem der Ort entweder manuell oder automatisch ermittelt wurde, kann auch schon losgelegt werden. Die App zeigt die verschiedenen Anbieter an, bei denen Menschen kurz vor Ladenschluss Lebensmittel abholen können. In Menden sticht vor allem die Supermarktkette real’ hervor. Der Großhändler bietet Backwaren, Kühlwaren und frische Lebensmittel, wie Obst und Gemüse über die Initiative an. Kunden bekommen dann eine Art „Überraschungstüte“ zusammengestellt, aus Produkten der jeweiligen Kategorie. Der Kaufpreis liegt dabei häufig nur bei einem Drittel gegenüber des ursprünglichen Preises. Auf der „Too Good To Go“ Website ist eine Statistik zu sehen, welche die geretteten Mahlzeiten anzeigt. Knapp 24 Millionen zählt sie, was laut der EPA (United States Environmental Protection Agency) fast 60 Tausend Tonnen eingespartem CO2 entspricht.

Wundertüte bei „real“ meist ausverkauft

In Menden ist real’ bisher der einzige Anbieter, der bei der Initative mitmacht. Laut eigener Aussage sind die Kunden sehr zufrieden – das erklärt wahrscheinlich, warum die Überraschungstüten schon am Abend vorher meist ausverkauft sind. Pressereferentin Jasmin Voigthaus sagt: „Die ,Too Good To Go’-Tüten sind bei unseren Kunden sehr beliebt. Das Angebot von real wird in der App von den Kunden insgesamt mit „sehr gut“ bewertet: Die durchschnittliche Kundenbewertung liegt bei rund 4,7 von 5 möglichen Punkten.“ Seit Juli sind bundesweit alle Filialen dabei, entstanden ist die Kooperation durch ein Pilotprojekt, erzählt Voigthaus. Aber real’ bietet seine Lebensmittel in Menden nicht nur über die App an. Auch weiterhin arbeitet die Supermarktkette mit lokalen Tafeln zusammen. Ein Beispiel dafür ist der Mendener „Decent-Shop“. „Wir holen regelmäßig Lebensmittel bei ,real’ ab und verkaufen die in unserem Laden an Bedürftige“, äußert sich die Geschäftsführerin vom Decent-Shop, Marita Hill.

Decent-Shop verkauft ausschließlich an Bedürftige

Seit 2002 gibt es den Decent-Shop in Menden. Ausschließlich Bedürftige können dort einkaufen gehen. Marita Hill erklärt, dass jeder Einkäufer seine Bedürftigkeit nachweisen muss. So solle die Sicherheit gegeben sein, dass der Laden ein sozialer Shop bleibt. Trotzdem müssen die Menschen im Decent für die Lebensmittel bezahlen – „wir möchten den Menschen nicht das Gefühl geben, dass sie sich nichts leisten können“, sagt Hill. Die Mendener Tafel hat rund 60 Mitarbeiter. „Unsere Ware holen wir immer selbst ab. Wir fahren zu verschiedenen Supermärkten.“ Beispiele dafür sind real, Netto, Lidl, Rewe und Co. Und auch bei Bäckereien machen die Ehrenamtler halt „Wir sind auch regelmäßig bei Niehaves, Grote oder Tillmann. Allerdings fahren wir nur die Bäckereien und Supermärkte in Menden an. Es gibt einen gewissen Fahrplan, damit wir nicht jeden Tag zu allen Geschäften müssen“, erzählt Marita Hill.

Das besondere Merkmal des Decent-Shops: Alle Lebensmittel, die dort verkauft werden, haben das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. „Oft existiert noch der Glaube bei Menschen, dass abgelaufene Produkte automatisch schlecht sind. Dabei stimmt das nicht“, sagt die Leiterin. Um die Frische sicherzustellen, nehmen Mitarbeiter vor dem Verkauf immer Stichproben. Doch auch für den Decent-Shop gibt es Hygienevorschriften, an die sich gehalten werden muss: Fleisch und Fisch darf auch die Tafel nur bis zu dem „verwendbar bis“ Datum verkaufen.

Marita Hill findet die Initiative „Too Good to Go“ gut. „Ich freue mich, wenn sich mehr Menschen gegen die Lebensmittelverschwendung einsetzen. Die App werde ich auf jeden Fall meiner Tochter empfehlen, die ist gerade für ihr Studium ausgezogen.“ Hill betont auch, dass durch solche Unternehmen niemals ein Konkurrenzkampf entstehen würde. „Je mehr sich für die Nachhaltigkeit eingesetzt wird, desto besser.“

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Too Good to go besser in Großstädten

Die Bäckerei Niehaves arbeitet nicht mit der App zusammen. Dennoch werden die Lebensmittel nicht einfach entsorgt, wie Hermann Niehaves erklärt. „An jedem Standort unserer Filialen arbeiten wir mit den lokalen Tafeln zusammen. Die Ware vom Vortag wird dann an bestimmten Tagen abgeholt.“ Doch nicht alles kann wieder gegessen haben, sagt der Geschäftsführer. „Bei Brot und Brötchen ist es in der Regel kein Problem. Generell sind durchgebackene Produkte fast immer unbedenklich. Anders ist das allerdings bei Gebäck wie Bienenstich oder Puddingplätzchen. Alles, was nicht durchgebacken ist, auch Wurst und Käse, kann nicht erneut verkauf werden.“ Stattdessen wird es gesondert gesammelt und dann an regionale Unternehmen weitergegeben. „Da werden die Produkte dann pasteurisiert und zu Futtermitteln verarbeitet“, erklärt er. In den Augen des Unternehmers sei die App eine gute Idee, allerdings denkt er, dass Too Good To Go bessere Chancen in Großstädten hätte.

Rewe und Penny verkaufen 99 Prozent ihrer Lebensmittel

Die Unternehmen Rewe und Penny wirken auch bei der Nachhaltigkeitsförderung per App mit. Allerdings nicht in Menden. Thomas Bonrath ist Pressesprecher von Rewe und erklärt, dass jede Filiale selbst entscheiden kann, ob sie bei der Too Good To Go mitmachen möchte. In Menden geben Rewe und Penny die übrig gebliebenen Lebensmittel an verschiedene Tafeln oder Suppenküchen ab. Auch Decent ist dabei. Bonrath betont aber auch, dass heutzutage 99 Prozent der produzierten Produkte verkauft würden.

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