Kreis Olpe. Land legt neue „Rote Liste“ vor. Auch im Kreis Olpe sind viele Arten vom Aussterben bedroht – oder sogar schon nicht mehr da.
Sie hat es geschafft, sprichwörtlich zu werden: die „Rote Liste“, auf der Tiere und Pflanzen aufgeführt werden, die vom Aussterben bedroht sind. Das Land Nordrhein-Westfalen führt eine solche ganz offiziell seit 1979, und bei der am Dienstag präsentierten aktuellen Fassung, die das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) vorgestellt hat, ist zwar eine leichte Verbesserung zu erkennen, doch die Tatsache, dass 44,4 Prozent aller untersuchten Tier-, Pilz- und Pflanzenarten im Land den Status „gefährdet“ tragen, sorgt nicht nur bei Naturschützern für Sorgenfalten. In der vorherigen Erhebung, die aus dem Jahr 2011 stammt, waren es noch 46,3 Prozent, doch Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) machte bei der Vorstellung deutlich, dass diese leichte Erholung zwar positiv zu sehen, aber kein Anlass zur Freude sei. „Für eine Entwarnung ist es viel zu früh. Unsere Artenvielfalt ist weiterhin dramatisch gefährdet“, so Minister Krischer bei der Vorstellung der neuen „Roten Liste“.
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Und dass dies auch im Kreis Olpe so ist, macht ein Beispiel besonders deutlich: der Kiebitz. Dieser ist „Vogel des Jahres 2024“, eine zweifelhafte Ehre, die Arten erhalten, deren Bestände bundesweit in bedenklichem Maß abnehmen – und für den Kreis Olpe sogar zu spät, gilt der Kiebitz hier als Brutvogel doch schon seit 2017 ausgestorben.
Ein Fachmann auf diesem Gebiet ist Antonius Klein, diplomierter Forstwirt und Assessor in Diensten der Kreisverwaltung, wo er die Untere Naturschutzbehörde repräsentiert. Aber auch in seiner Freizeit ist er als engagierter Heimatfreund im Dienst des Artenschutzes unterwegs und hat in den aktuellen „Heimatstimmen“, der Mitgliederzeitschrift des Kreisheimatbundes, anhand des Kiebitzes einen Ausblick auf gefährdete Vogelarten im Kreis geworfen.
Sporke war der letzte Standort
Bis Anfang der 1970er-Jahre, so Klein, sei der Kiebitz für den großen Teil der Landbevölkerung vertraut gewesen, und im „Heimatbuch des Amtes Wenden“ von 1951 wird noch eindrucksvoll geschildert, wie die Kiebitze in lockeren Kolonien im Hünsborner Moor nisten und eindringende Besucher attackieren, um ihre Brut zu verteidigen. Bereits ab 1900, so Klein, seien aber die Bestände in vielen Regionen, auch im Kreis Olpe, zurückgegangen in Folge der Trockenlegung feuchter Wiesen, um diese als Weiden nutzbar zu machen. 1967 seien noch sieben Brutflächen im Kreis Olpe erhoben worden: bei Altenwenden, am Dümpel, in Grevenbrück, Heiderhof, Hespecke, Hünsborn und Husten. Doch 2017 sei der Kiebitz auch vom letzten Standort bei Sporke verschwunden.
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Weitere nach dem Zweiten Weltkrieg im Kreis Olpe ausgestorbene Vogelarten sind laut Klein Auerhuhn (seit 1947), Birkhuhn (1960), Rebhuhn (1987), Braunkehlchen (2003) und Bekassine (2012). Auch beim Haselhuhn könne aktuell nicht mehr von einem Brutvorkommen ausgegangen werden. Weitere Arten, die Klein konkret als Brutvögel im Kreis gefährdet sieht, sind der Wiesenpieper und die Rohrammer. Auch die Feldlerche habe durch die Intensivierung der Ackerwirtschaft weite Teile des Kreises verlassen.
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In einem Fachbeitrag, der im Rahmen der inzwischen vom Kreistag abgelehnten Gründung einer Biologischen Station entstand, hat ein Zusammenschluss heimischer Biologen und Naturschützer eine Situation des Artensterbens im Kreisgebiet zusammengestellt. Auf einer Liste wurden 80 „Verantwortungs-Pflanzenarten“ identifiziert, die „aufgrund ihrer Seltenheit regionale oder überregionale Bedeutung besitzen und/oder kurz vor dem Aussterben im Kreis Olpe stehen“. Dazu gehören etwa Kohl-Lauch, Gewöhnliche Osterluzei, Gewöhnliche Haselwurz, Echte Mondraute, Schwertblättriges Waldvögelein, Zartes Hornkraut, Behaarte Karde, Zitzen-Sumpfbinse, Deutsches Filtkraut, Zimt-Erdbeere, Deutscher Ginster, Sumpf-Storchschnabel, Blasses Habichtskraut, Gewöhnlicher Sumpf-Bärlapp, Wald-Wachtelweizen, Wimper-Perlgras, Glanzsamiges Bach-Quellkraut, Raues Vergissmeinnicht, Gewöhnliche Katzenminze, Echtes Salomonssiegel, Steinbeere, Zwerg-Holunder, Gestreifter Klee und Gewöhnliche Rauschbeere, die jeweils nur an einem einzigen Wuchsstandort im Kreis Olpe bekannt sind. Das Sumpf-Herzblatt gilt aktuell als verschollen, nachdem es bislang noch an einem Wuchsort auftrat.
Drei Pflanzen wachsen nur im Kreis Olpe
Ganz besonders im Blickpunkt der Naturschützer sind Kleines Zweiblatt, Mittleres Wintergrün und Frühlings-Braunwurz, deren einzige nordrhein-westfälische Wuchsorte im Kreis Olpe liegen. Ein auch Nicht-Biologen bekanntes Beispiel ist die Arnika, als Heilpflanze Bestandteil von Salben und Tinkturen: Um 1950 waren um Heinsberg, Grevenbrück und Bonzel ganze Flächen gelb durch die in manchen Gegenden auch „Bergwohlverleih“ genannte Blume. Inzwischen gibt es noch ganze vier Fundorte im gesamten Kreis, keiner umfasst mehr als zehn einzelne Pflanzen.
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Bei den Tierarten leiden beispielsweise Feuersalamander, Geburtshelferkröte und Grasfrosch unter starken Rückgängen im Kreis Olpe, einerseits durch tödliche Pilzerkrankungen, andererseits durch den Verlust ihres Lebensraums: kleinere besonnte und oft nährstoffarme Teiche oder Bäche, die nicht durch Straßen vom Unterschlupf der Amphibien getrennt werden.
Insgesamt, so die Naturschützer, wäre eine Biologische Station ein wichtiges Instrument, um dafür zu sorgen, dass derartig bedrohte und seltene Arten durch Absprachen oder Pflegemaßnahmen vor dem endgültigen Aussterben bewahrt würden. Daher geht ihr Bemühen auch unverdrossen weiter, notfalls auch ohne Beteiligung der Kreisverwaltung eine solche Station einzurichten – für den Kiebitz allerdings in jedem Fall zu spät.