Kreis Olpe. Gewalt an Schulen ist ein großes Problem im Kreis Olpe. Wie die Schulen präventiv dagegen vorgehen und was es von den Eltern braucht.

„Von Gewaltvorfällen kann sich keine Schule freisprechen. Das Problem existiert losgelöst von Schulformen“, sagt Markus Blömeke-Reisener. Er ist Beratungslehrer (ehemals Vertrauenslehrer) an der Bigge-Lenne-Gesamtschule in Finnentrop. „Ich sehe Fälle von kleiner, alltäglicher Gewalt quasi in jeder Pause. Das fängt bei Rangeleien an und geht dann weiter, sodass teils Schüler auf dem Boden liegen und nochmal nachgetreten werden. Ich habe das Gefühl, dass die Gewaltbereitschaft immer mehr zunimmt.“ Ist Gewalt an Schulen im Kreis Olpe tatsächlich ein Problem?

Die Antwort ist mehr als ein subjektiver Eindruck und findet sich in der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik des Kreises Olpe. So wurden letztes Jahr 147 Fälle mit dem Tatort Schule registriert. Darunter 45 Fälle von Körperverletzung (davon zwölf Fälle von gefährlicher Körperverletzung), 26 Fälle von Diebstahl, 24 sonstige Straftatbestände, 21 Fälle von Sachbeschädigung, zwölf Fälle von Beleidigungen, elf Fälle mit sexuellem Hintergrund und acht Fälle von Betäubungsmittel. Im Vergleich zum Vorjahr 2022, in dem es 164 Fälle von Gewalt an Schulen gab, sind die Zahlen leicht zurückgegangen. Hinzu kommt aber noch die mutmaßliche große Dunkelziffer, denn auf eine Gewalttat erfolgt nicht immer eine Strafanzeige. „Häufig wird das intern in der Schule geregelt“, so Thorsten Scheen, Pressesprecher der Polizei im Kreis Olpe.

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„Die Gewaltspirale schraubt sich schnell nach oben“

Es ist drei Jahre her, dass zwei Jugendliche bei einer Messerattacke an der Bigge-Lenne-Gesamtschuleschwer verletzt wurden, ein dritter wurde leicht verletzt. „Es ist an unserer Schule bei diesem Einzelfall geblieben“, versichert Schulleiter Thorsten Vietor. Eine weitere Messerstecherei habe es nicht gegeben, trotzdem hinterlässt das Ereignis Spuren.

Beratungslehrer Markus Blömeke-Reisener von der Bigge-Lenne-Gesamtschule spricht sich gegen jede Form von Gewalt an Schulen aus.
Beratungslehrer Markus Blömeke-Reisener von der Bigge-Lenne-Gesamtschule spricht sich gegen jede Form von Gewalt an Schulen aus. © WP | Privat

In seiner Funktion als Beratungslehrer führt Markus Blömeke-Reisener regelmäßig mit Schülerinnen, Schülern, Eltern und Lehrkräften vertrauliche Gespräche. Er erfährt von verschiedensten Konflikten, gewaltvollen Vorfällen, Beschuldigungen und Behauptungen. So auch von dem Gerücht, dass einige Kinder ein Messer zur Verteidigung in der Schule dabei hätten. „Die Kinder wissen gar nicht, wie gefährlich das werden kann. Durch Waffen in der Schule schraubt sich die Gewaltspirale schnell nach oben“, so der Beratungslehrer. Sein Credo laute deshalb, jede Form von Gewaltbereitschaft im Keim zu ersticken.

Es ist an unserer Schule bei diesem Einzelfall geblieben.
Thorsten Vietor, Leiter der Gesamtschule Finnentrop

Doch wie mit Gewaltfällen an Schulen umgehen? Schließlich schreibt sich keine Schule gerne auf die Fahne, dass Gewaltvorfälle auf ihrem Pausenhof präsent sind. So äußert sich Svenja Hillmann, stellvertretende Schulleiterin der Gesamtschule Wenden zurückhaltend: „Es gibt ohne Frage immer Konflikte zwischen den Schülerinnen und Schülern. Ich kann aber nicht sagen, dass wir da ein Problem haben.“

Präventionsarbeit an Schulen

Ein entscheidender Schritt, um Gewalt vorzubeugen, sei den Kindern gewaltfreie Alternativen aufzuzeigen, um Konflikte zu lösen. „Ich mache den Schülern aber auch klar, dass sie für ihr Verhalten verantwortlich sind und zeige ihnen die Konsequenzen auf“, sagt Markus Blömeke-Reisener. Das können Verwarnungen, Strafarbeiten, Ausschluss vom Unterricht und im Extremfall der Schulverweis sein.

Eine Maßnahme, um präventiv gegen Gewalt vorzugehen, sieht er in erster Linie in der Beziehungsarbeit mit den Kindern. Er appelliert an Lehrkräfte, mehr Nähe zu ihren Schülerinnen und Schülern zu schaffen sowie mehr Interesse und Verständnis für ihre Lebensrealitäten zu zeigen. „Die Kinder brauchen Halt und klare Struktur, die versuchen wir ihnen als Vorbilder zu geben. Aber nur, wenn sie uns als solche akzeptieren“, erklärt der 58-jährige Beratungslehrer. Ein weiterer wichtiger Aspekt, um Gewaltbereitschaft unter den Kindern zu senken, sei, die Klassengemeinschaft zu stärken. „Wir unternehmen Ausflüge beispielsweise in den Klettergarten, wählen Klassenräte und versuchen so, die Sozialkompetenz der Kinder zu fördern“, erzählt Svenja Hillmann von der Gesamtschule aus Wenden.

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Neben Beratungslehrern sind auch Sozialarbeiter an vielen Schulen beschäftigt. Es gelte, mit ihnen und den Eltern der Kinder eng zusammenzuarbeiten. Doch im Gespräch mit den Eltern stößt der Beratungslehrer oft an seine Grenzen: „Wenn ich einem Vater erzähle, dass sein Sohn ein anderes Kind ins Gesicht geschlagen hat und der mir antwortet: ‚Der hat meinen Sohn ja provoziert.‘ fragt man sich, wie läuft das bei der Familie Zuhause ab?“ Schulleiter Thorsten Vietor pflichtet ihm bei: „Die Schule wird nur zum Ort des Geschehens“ – die Gewaltbereitschaft existiere unabhängig davon.