Kreis Olpe/Altenhof. Jennifer Sahin hat sich Kinder gewünscht. Doch die junge Frau aus Altenhof erlitt viele Fehlgeburten. Jetzt möchte sie anderen Frauen Mut machen.
Ein weißer Bilderrahmen in Herzform hängt an der Wand. Darin ist ein Ultraschallbild. In einem Regal steht eine große Vase mit Spritzen, Ampullen und einem hellblauen Mutterpass. Das hübsche Eigenheim von Familie Sahin in Altenhof war als Mittelpunkt für eine große Familie – mit vielen Kindern – geplant. „Jetzt ist dieser Weg beendet und der Weg, den wir jetzt gehen, wird ein anderer sein, aber wir gehen ihn zusammen“, erzählt Jennifer Sahin gefasst, dass sie und ihr Mann sich damit abfinden müssen, keine gemeinsamen Kinder zu bekommen.
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Geblieben sind Jennifer und Sinan Sahin leider nur sechs Sternenkinder, die sie immer in ihren Herzen bei sich tragen. Und „Clara“ – eine Selbsthilfegruppe, die Jennifer Sahin kürzlich gegründet hat und die anderen Frauen im Kreis Olpe mit unerfülltem Kinderwunsch neuen Mut geben soll.
Wiedersehen nach 15 Jahren
Wie eine Liebesschnulze aus dem Fernsehen begann die große Liebe des Ehepaares. Jennifer und Sinan Sahin kennen sich schon aus der Jugendzeit. Sie besuchten beide die Hakemicke-Schule in Olpe und verbrachten Stunden ihrer Freizeit in der OT Olpe. Als es die heute 40-Jährige dann beruflich nach Essen zog, brach der Kontakt ab. Im Jahr 2016 kam Jennifer Sahin dann zurück in den Kreis Olpe und als sie eine Arbeitsplatte für ihre Küche brauchte, traf sie Sahin in einem großen Baumarkt in Olpe wieder. „Dann hat es relativ schnell gefunkt und 2018 haben wir geheiratet“, erinnert sich Jennifer Sahin, die zu der Zeit bereits 34 Jahre ist: „Das ist ja heutzutage kein Alter, um Kinder zu bekommen. Wir waren uns da beide sofort einig und ich wusste, den heiratest du, um mit ihm gemeinsame Kinder zu bekommen.“
So fühlte sich der erste positive Schwangerschaftstest 2018 gleich wie ein Jackpot an. „Im ersten Ultraschall sah die Ärztin eine Fruchthöhle, beim zweiten Ultraschall waren es plötzlich zwei und beim dritten Ultraschall war auf einmal von drei Babys die Rede – Drillinge“, erinnert sich Jennifer Sahin. Doch in der 11. Schwangerschaftswoche wurde das junge Paar, was sich gerade noch auf der Euphoriewelle befand, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, denn die Babys entwickelten sich nicht und so kam es zur Fehlgeburt.
Weitere Fehlgeburten und zwei Eilleiterschwangerschaften
Nach weiteren Fehlgeburten und zwei Eileiterschwangerschaften, wurde bedingt durch starke Unterleibsschmerzen festgestellt, dass sich im Bauchraum von Jennifer Sahin viel Blut befand. Bei einer Notoperation musste ihr dann ein Eileiter entfernt werden und die Ärzte rieten ihr dazu, sich an eine Kinderwunschklinik zu wenden. „Ich habe insgesamt 75 Kilo abgenommen und habe mir den Termin im Kinderwunschzentrum erst mit einem Gewicht von unter 100 Kilo gemacht. Damit mich niemand abstempelt und mir sagt, dass ich keine Kinder bekomme, weil ich zu dick bin“, berichtet die Altenhoferin, die als Hauswirtschafterin im Caritas-Zentrum in Wenden arbeitet.
Die unzähligen Behandlungen und drei künstlichen Befruchtungen in den Kinderwunschzentren in Siegen und Köln beschreibt Jennifer Sahin als lange Zeit des Wartens und starke körperliche sowie psychische Belastung. „Das kann nur jemand verstehen, der es selbst mitgemacht hat“, sagt sie heute. Die Eizellenentnahme, die wochenlangen, täglichen Hormonspritzen und der Embryo-Transfer haben Spuren hinterlassen und so hat Jennifer Sahin auch heute noch mit Nebenwirkungen zu kämpfen. „Wenn alle um dich herum Kinder bekommen und es bei dir einfach nicht funktionieren will, ist das sehr schlimm und deprimierend. Mein Mann war in all den Jahren immer mein Fels in der Brandung. Es hat uns zusammengeschweißt“, beschreibt die 40-Jährige, die bedingungslose Liebe zu Sinan.
Selbsthilfegruppe als Auffangnetz
In all den Jahren hat ihr eine Anlaufstelle gefehlt. Ein Auffangnetz, eine Selbsthilfegruppe, in der sich betroffene Frauen, die dasselbe durchgemacht haben, austauschen und Mut machen. „Du stolperst da raus und stehst vor einem Scherbenhaufen. Es ist für so viele Frauen einfach eine große Hemmschwelle über das Thema zu sprechen. Aber es bringt ja nichts, es totzuschweigen.“ Deshalb gibt es seit neustem „Clara“. Eine von Jennifer Sahin neu gegründete Selbsthilfegruppe, die sich jeden ersten Mittwoch im Monat (nächster Termin: Mittwoch, 6. März), um 18 Uhr, im DRK-Mehrgenerationenhaus in Olpe trifft.
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„Clara“ deshalb, weil für viele Frauen das Thema unerfüllter Kinderwunsch ein Tabuthema ist. „Es ist einfacher zu sagen, ich bin heute bei Clara, als in der Selbsthilfegruppe ‚unerfüllter Kinderwunsch‘“, so die 40-Jährige. Bereits zum ersten Treffen haben sich acht betroffene Frauen eingefunden. „Es hat eine Zeit gedauert, bis der Bann gebrochen war und einige Frauen haben erzählt, dass sie zwanzig Minuten im Auto saßen und überlegt haben auszusteigen. Dabei ist es so wichtig, darüber zu reden“, weiß Jennifer Sahin aus eigener Erfahrung. Anmeldungen zur Gruppe werden angenommen unter clara.kreisolpe@gmx.de.
Hilfe bei unerfülltem Kinderwunsch
Unter anderem bietet die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Olpe Kinderwunschberatungen für Frauen an. Terminvereinbarungen unter 02761/8353955. Die Beratungsstelle ist in der Frankfurter Straße 28, in Olpe. Heike Wißen, Stellvertretende Leiterin und Diplom Sozialpädagogin ist die Ansprechpartnerin vor Ort.