Kirchhundem. Ein frühere Rathaus-Mitarbeiter hat die Gemeinde jahrelang mit gefälschten Rechnungen betrogen. Hausdurchsuchung bestätigte Verdacht.
Der Fall ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Ein ehemaliger Rathaus-Mitarbeiter hat die Gemeinde Kirchhundem durch das Manipulieren von Rechnungen jahrelang betrogen. Insgesamt wurden innerhalb von zehn Jahren mehr als 400.000 Euro unterschlagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit wegen Betrugs und Untreue, bestätigte am Freitag Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss. Bürgermeister Björn Jarosz hatte den Fall am Donnerstagabend in der Ratssitzung öffentlich gemacht.
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Der Beschuldigte gehörte demnach fast 20 Jahre zum Team der Gemeindeverwaltung und kümmerte sich um EDV und IT im Rathaus und in den Schulen. Im November 2020 meldete er sich krank, tauchte danach regelrecht ab. Er erschien danach nie mehr zum Dienst und reagierte weder auf Anrufe noch auf Schreiben seines Arbeitgebers. „Aufgrund dieses unkooperativen Verhaltens habe ich dem Mitarbeiter kündigen müssen“, so der Bürgermeister, der kurz zuvor, am 1. November 2020, seinen Dienst als Bürgermeister im Rathaus angetreten hatte.
Damals ahnte noch keiner, was erst drei Jahre später ans Tageslicht kommen sollte. Im Herbst letzten Jahres fielen im Rathaus beim Sichten alter Rechnungen erste Ungereimtheiten auf. „Nach diesen Rechnungen hätten mehr Geräte und Lizenzen da sein müssen als tatsächlich vorhanden sind“, so der Bürgermeister. „Dann haben wir zehn Jahre zurückgeschaut und fanden heraus, dass vieles nicht passte.“
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Zum einen hatte der Ex-Mitarbeiter ein eigenes Gewerbe angemeldet und sich selbst Aufträge der Gemeinde zugeschanzt. Jarosz: „Das waren häufig kleinere Beträge, mal 100, mal 800 oder 1500 Euro“. Dann fielen Rechnungen von auswärtigen Firmen auf, die nicht aus der Region stammen und deren Namen nach EDV- und IT-Branche klangen. Eine Mitarbeiterin recherchierte u. a. im Handelsregister „und wir mussten feststellen, dass diese mit IT oder EDV nichts zu tun hatten. Das waren häufig Unternehmen, die aus dem Bausektor stammen und Baumaterialien, Fliesen oder Mobiliar lieferten. Aber die Rechnungen waren so gut fingiert, dass es im Haus nicht aufgefallen ist“.
Die Gemeinde glaubt, dass der Ex-Mitarbeiter die Artikel für sich bestellt und auch bekommen hatte, er dann die Rechnungen mit dem Originalrechnungsformular am PC für seine Zwecke an den entscheidenden Stellen verändert hatte.
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So wurden über zehn Jahre Leistungen und Barmittel in Höhe von rund 411.000 Euro ergaunert. Die Gemeinde schaltete einen Kölner Fachanwalt ein, der bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattete. Um die Gefahr auszuschließen, dass der beschuldigte Ex-Angestellte gewarnt würde und Beweismittel vernichten könnte, wurde die ganze Sache im Rathaus sehr diskret behandelt. Nur eine Handvoll Mitarbeiter wurde eingeweiht. Erst am Donnerstag informierte Jarosz die restliche Belegschaft des Rathauses, dass der ehemalige Kollege sie und die Gemeinde jahrelang getäuscht und hinters Licht geführt hatte.
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Im Dezember gab es dann eine Hausdurchsuchung von Staatsanwaltschaft und Polizei bei dem mutmaßlichen Betrüger. Jarosz: „Die Rückmeldung war, dass sich der Verdacht nach erster Einschätzung bestätigt habe.“ Das veruntreute Geld hatte der Mann in den Umbau und die Ausstattung seines Privathauses im Hochsauerlandkreis investiert.
Nach Auswertung der Beweise sei die Staatsanwaltschaft nun dabei, die Vermögenswerte des Beschuldigten zu sichern. „Ziel der gesamten Aktion ist jetzt, dass wir zumindest einen Teil der veruntreuten Euros wiederbekommen“, so der Bürgermeister. Parallel wird die Gemeinde auch das an die Firmen gezahlte Geld zurückfordern. Dann könne jedes Unternehmen einen Anspruch gegen den Täter geltend machen. „Alles mit dem Ziel, möglichst viel Geld zurückzuholen“, erklärt der Verwaltungschef.
Staatsanwaltschaft: Ermittlungen laufen noch
Ob der Fall als besonders schwer einzustufen ist, wie der Bürgermeister in der Ratssitzung sagte, müsse noch geprüft werden, so Staatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss auf Anfrage: „Die Ermittlungen laufen noch.“ Bei dem Beschuldigten sei ein Vermögensarrest erwirkt worden. „Inwiewiet dieser vollstreckt werden kann, hängt davon ab, was an Vermögenswerten noch vorhanden ist. Das ist alles noch in Bearbeitung.“ Wann es zu einem Gerichtsverfahren kommen wird, sei derzeit noch nicht absehbar, so von Grotthuss. Sollte der Ex-Rathausmitarbeiter wegen Betrugs und Untreuer verurteilt werden, drohten ihm laut Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
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Hätte bei der Rechnungsprüfung der langjährige Betrug nicht auffallen müssen? Jarosz: „Die Rechnungszahlungen werden im Rathaus mit Zweitunterschrift angewiesen. Der Sachbearbeiter, der weiß, worum es geht, bekommt die Rechnung zur Prüfung, zeichnet diese als sachlich und rechnerisch richtig ab, dann geht sie je nach Höhe weiter zur Fachbereichsleitung oder zum Bürgermeister. Bei den zurückliegenden Rechnungen ist das immer so gelaufen. Ich habe selbst abgezeichnet, auch der BGO (der Beigeordnete, die Red.) oder der Bürgermeister. Unser Anwalt sagt, er hätte noch nie so gut fingierte Rechnungen gesehen.“ Der Mann habe konstant sehr viel kriminelle Energie in die Fälschungen der Rechnungen gesteckt.
Der Versuch der Redaktion, mit dem Beschuldigten oder dessen Anwalt Kontakt aufzunehmen, blieb bisher erfolglos.