Kreis Olpe. Nach dem Hackerangriff können wichtige Dokumente nicht ausgestellt werden – so kommen sie im Notfall trotzdem an ihre persönlichen Unterlagen.
Der Hackerangriff auf die Südwestfalen-IT (SIT) hat die Rathäuser im Kreis Olpe bis ins Mark getroffen. Die Verwaltungen versuchen, trotz fehlendem Zugriff auf die Anwendungsprogramme und Datenbanken arbeitsfähig zu bleiben. Während in den Rathäusern und im Kreishaus die Köpfe rauchen und eine Krisensitzung die nächste jagt, stehen viele Bürger vor der Frage: Kann ich einen neuen Personalausweis beantragen, wie komme ich an eine Sterbeurkunde und was ist mit meinem Reisepass?
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Das Bürgerbüro der Gemeinde Kirchhundem ist zwar geschlossen, aber standesamtliche Dokumente wie Beurkundungen von Sterbefällen könnten – wie früher – handschriftlich ausgestellt werden, beruhigt Bürgermeister Björn Jarosz. Das geht in den anderen Kommunen ebenso. Was gar nicht funktioniere, sei die Beantragung von neuen Personalausweisen oder Reisepässen, weil unter anderem der Fingerabdrucklaser nicht funktionieren.
„Wirklich problematisch“
Mit Blick auf die Reisepässe spricht Sabrina Theilemann, Leiterin des Attendorner Bürgerbüros, von einer „wirklich problematischen“ Situation. Zwar könnten sich Bürger, die in nächster Zeit in den Urlaub wollen, einen Reisepass in einer anderen Kommune ausstellen lassen, dafür bräuchten sie jedoch eine sogenannte Passermächtigungsbescheinigung aus dem Rathaus ihrer Kommune. Denn in seltenen Fällen könnten Gründe gegen eine Ausreise vorliegen. Doch weil die Mitarbeiter in den Rathäusern nicht ins Melderegister kommen, wissen sie auch nicht, ob ein solcher Fall bei einem Bürger vorliegen könnte. Ergo dürfen sie die Passermächtigungsbescheinigung nicht ausstellen, sodass auch unbescholtene Bürger in die Röhre schauen.
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Entwarnung gibt jedoch Kirchhundems Bürgermeister Jarosz, der erklärt: „Man kann sich die Notfalldokumente direkt an den Flughäfen ausdrucken lassen.“ Das bestätigt die Bundespolizei am Flughafen in Düsseldorf. Deutsche Staatsbürger können sich dort Übergangsdokumente gegen Gebühr ausdrucken lassen – in Verbindung mit dem abgelaufenen Ausweis. „Allerdings akzeptieren nicht alle Staaten diese Ersatzdokumente“, so Pressesprecherin Daniela Maaßen, dazu gehöre zum Beispiel die Türkei. Letztendlich entscheide immer die Fluggesellschaft, ob sie Reisedokumente akzeptiere oder nicht. „Es gibt keine Garantien, deshalb sollte man sich vorher bei seiner Airline erkundigen“, so Maaßen.
Leidtragende des Angriff sind vereinzelt auch die Schulen, beispielsweise die Gallenberg-Grundschule und die Grundschule am Hohenstein in Olpe, die an das Telefonsystem der Stadt angebunden und daher zurzeit über das Festnetz nicht erreichbar sind. Die meisten Schulen im Kreisgebiet verfügen jedoch über eigene Nummern.
I-Pads funktionieren nicht
Gute Nachrichten gibt es auch für all diejenigen, die gerne ins Finto samt Sauna in Finnentrop gehen. Das Erlebnisbad gehört der Gemeinde, Probleme etwa an der Ticketkasse gibt es durch den Hackerangriff laut Bürgermeister Achim Henkel aber nicht. Auf ihrer Facebook-Seite informiert das Finnentroper Rathaus – quasi stellvertretend für alle anderen Kommunen –, dass man alle Anstrengungen unternehme, um „die Zahlbarmachung von Kreditorenforderungen zu gewährleisten.“ E-Rechnungen könnten im Augenblick zwar nicht bearbeitet werden, die Bearbeitung von Rechnungen in Papierform sei jedoch möglich.
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Auswirkungen hat der Hackerangriff auch auf die politischen Sitzungen. Die Ratssitzung in Kirchhundem am Donnerstag, 2. November, wird zwar planmäßig stattfinden, allerdings ohne den Punkt „Einbringung des Haushaltsentwurfs für 2024“, weil die Verwaltung nicht auf die Daten zugreifen kann. Das Ausdrucken des Entwurfs ist übrigens auch nicht möglich, weil die Drucker im Rathaus ebenfalls lahmgelegt sind. Die Lennestädter Ratssitzung am Mittwoch, 8. November, wird verschoben, weil durch den Systemausfall die Einladungen an die Stadtverordneten nicht mehr fristgerecht verschickt werden könnten. Ob Attendorns Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) den Haushaltsplanentwurf in der Ratssitzung nächste Woche Mittwoch einbringen kann, stehe noch nicht fest. Ähnlich äußert sich auch Finnentrops Bürgermeister Henkel, der den Entwurf gerne in der November-Ratssitzung einbringen würde.
In Wenden findet alles statt
Hinsichtlich der Kommunalpolitik sei in Olpe die Grundsatz-Entscheidung gefallen: „Wir werden die terminierten Sitzungen alle wie geplant stattfinden lassen“, so Bürgermeister Peter Weber, „aber die Einbringung des Haushalts werden wir nicht schaffen.“ In der kleinsten Stadt des Kreises, Drolshagen, wurde die anstehende Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt, die am 8. November terminiert war, abgesagt: „Wir bekommen die dafür nötigen Unterlagen so kurzfristig nicht auf den Weg“, erklärt Bürgermeister Uli Berghof, der konstatiert: „Wir haben uns komplett abhängig gemacht.“
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Trotz des Hacker-Angriffs können die politischen Sitzungen in Wenden in dieser Woche stattfinden. „Die komplette Infrastruktur ist zusammengebrochen, gleichwohl können wir die Sitzung ordnungsgemäß durchführen. Alle sind ausgestattet mit Unterlagen, einige haben sie schon vorher heruntergeladen, sonst gibt es sie hier in Papierform“, sagte Bürgermeister Bernd Clemens im Haupt- und Finanzausschuss am Montagabend. Neben dem Ausschuss Bildung und Soziales (Dienstag) ist am Donnerstag Ratssitzung mit der Einbringung des Haushaltes für 2024. Dies kann auch planungsgemäß über die Bühne gehen. „Das komplette Zahlenwerk war zwischengespeichert. Wir können das Zahlenwerk einbringen. Die Zahlen sind das Wichtigste“, so Bastian Dröge, Fachbereichsleiter Zentrale Dienste.