Kreis Olpe. Die neue Flüchtlingsunterkunft in Hützemert hat für viele Hasskommentare bei Facebook gesorgt. Aber: Wo hört Meinung auf und wo fängt Hetze an?
Die geplante Flüchtlingsunterkunft in Hützemert hat für massiven Gegenwind gesorgt. Nicht nur auf der Bürgerversammlung im „Alten Bahnhof“, sondern auch im Netz. Einige Facebook-Nutzer fielen in der Facebook-Gruppe „Du bist aus Drolshagen, wenn...“ mit äußerst aggressiven Kommentaren auf. Angst und Vorurteile mündeten in rassistischen Statements, in einem Fall wurde sogar eine konkrete Drohung ausgesprochen, das Flüchtlingsheim abzureißen. Wo hört freie Meinungsäußerung auf? Und wann fängt Hetze an?
Beleidigende und denunzierende Facebook-Kommentare wurden gelöscht
Georg Schürholz ist Administrator der Facebook-Gruppe „Du bist aus Drolshagen, wenn...“ mit gut 4100 Mitgliedern. Als einige Nutzer anfingen, fremdenfeindliche Stimmungsmache mit ihren Beiträgen zu betreiben, schränkte er die Kommentarfunktion ein. „Natürlich war da das Geschrei groß“, meint Schürholz. „Aber das ist mir egal. Ich sehe es als meine Aufgabe und Pflicht an, den Verfasser zu kontaktieren und ihn zu bitten, den Kommentar zu ändern oder zu löschen, sobald die Beiträge einen beleidigenden und denunzierenden Charakter haben.“ Der Bitte sei zwar nachgekommen worden. Doch die betroffenen Personen fühlten sich dadurch in ihrer Meinungsäußerung eingeschränkt, kritisierten die angebliche Zensur ihrer Bedenken.
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Für Schürholz waren die heftigen Reaktionen nicht schockierend. Im Gegenteil: „Ich war überrascht, dass sie nicht noch heftiger ausfielen. In der Coronazeit hat sich die Stimmung in der Gruppe zum Teil sehr zum Negativen verändert. Schon damals haben einige wenige Mitglieder die Gruppe zur Stimmungsmache verwendet.“ In Fällen, in denen Schürholz die Kommentarfunktion eingeschränkt bzw. deaktiviert hat, sieht er sich mit Vorwürfen konfrontiert, mit seinem Verhalten selbst ein politisches Statement abzugeben. „Das ist haltlos“, meint Schürholz. Er habe als Administrator schließlich eine Verantwortung dafür, dass in der Diskussion ein respektvolles Miteinander bewahrt werde. Die Diskussion darf durchaus kontrovers sein. Aber nicht verachtend oder gar menschenfeindlich.
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„Wenn so etwas wieder aufkocht, werde ich wieder sofort einschreiten“, sagt Schürholz. Er spricht ruhig, wirkt keinesfalls emotional oder aufgeregt. Das ist eine bewusste Entscheidung. „Es wäre fatal, wenn man genau so reagieren würde, wie es dieses Menschen erwarten würden.“ Vielleicht auch provozieren wollen. Die Polizei hat er über die aggressiven Kommentare nicht in Kenntnis gesetzt. Obwohl sie sich durchaus in einem Graubereich zwischen kritischer, aber legaler, und straftatrelevanter Kommunikation bewegen, so die Einschätzung von Carsten Sieg, Rechtsanwalt der Kanzlei „Heller Epe & Partner“ in Olpe.
„Das ist schon alles ziemlich unter der Gürtellinie“, meint Carsten Sieg. Aber auch strafbar? Er holt aus: „Für Straftatbestände wie Bedrohung, Verunglimpfung oder üble Nachrede muss eine konkrete Person oder eine konkrete Personengruppe betroffen sein.“ Man könnte die Geflüchteten als die konkrete Personengruppe definieren. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht 1995 ein wegweisendes Urteil für Angehörige eines Kollektivs gefällt: In dem vorangegangenen Prozess kam das Gericht zu dem Entschluss, dass die Aussage „Soldaten sind Mörder“ keine Beleidigung darstellt. Es sei nur als Beleidigung strafbar, wenn damit eindeutig ein einzelner Soldat oder speziell etwa die Bundeswehr herabgesetzt werde. Eine Verurteilung sei jedoch ausgeschlossen, wenn die Äußerung als generelle Kritik an „Soldatentum“ und „Kriegshandwerk“ zu verstehen sei. Solch eine allgemeinpolitische Aussage werde durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
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Ähnlich verhalte es sich mit der Drolshagener Facebook-Diskussion über Geflüchtete, so Siegs Einschätzung. Diese Ansicht teilt auch die Direktion Kriminalität bei der Kreispolizeibehörde Olpe. „Es handelt sich nicht um strafbare Inhalte, sondern um Bemerkungen, die vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt werden, zumal nur eine große allgemeine Personengruppe angesprochen wird, keine Einzelperson“, erklärt Pressesprecherin Esther Schöttke.
Die aggressiven Facebook-Posts bewegen sich aber auch an der Grenze zu staatsgefährdenden Straftaten. Dazu zählen zum Beispiel Straftatbestände wie Volksverhetzung oder öffentliche Aufforderung zu Straftaten. „Gerade der Post, in dem der Nutzer davon schreibt, das Heim abreißen zu wollen, kann als Anstiftung zur Straftat ausgelegt werden. Da der Kommentar öffentlich einsehbar war, könnte er dahingehend verstanden werden, dass der Urheber vielleicht Mitstreiter gesucht hat“, so Sieg. Derartige Bemerkungen könne man in jedem Fall bei dem Plattform-Betreiber melden. Und sie auch bei der Polizei anzeigen. Ob dadurch letztendlich ein Verfahren eingeleitet wird, ist jedoch immer abhängig vom Einzelfall und der jeweiligen Strafverfolgungsbehörde.