Heinsberg/Kirchhundem. Die Gemeinde ist auf der Suche nach einer neuen Unterkunft für Flüchtlinge fündig geworden, ein ehemaliger Gasthof mit 15 Zimmern würde passen.
Seinen Besuch in Heinsberg am Montagmorgen hatte sich Kirchhundems Bürgermeister Björn Jarosz etwas anders vorgestellt. Bei der Besichtigung des Ortes im Rahmen des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ wollte er sich von den Heinsbergern die neuesten Projekte der Dorfgemeinschaft präsentieren lassen. Doch im Moment brennt den Bürgerinnen und Bürgern in dem Ort nur ein Projekt, bzw. Objekt, auf der Seele. Im Ort war durchgesickert, dass die Gemeinde in einem früheren Gasthof in der Dorfmitte, der seit 1987 zum Hotel Schwermer gehört, Flüchtlinge unterbringen möchte. Und zwar bis zu 150 Menschen, hallt es aus der Gerüchteküche.
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„150 Menschen, das ist völliger Quatsch, wir wollen kein Ghetto schaffen“, weist Jarosz diese Zahl zurück und hält maximal 50 Personen für realistisch. „Richtig ist, das wir mit Bernhard Schwermer über das Objekt gesprochen haben.“ Aber weder habe die Gemeinde das Gebäude bereits gekauft noch angemietet. „Aber es gibt dort fertige Gästezimmer mit Bädern und eine Küche, deshalb ist es für uns schon interessant“, so der Bürgermeister.
Denn auch die Gemeinde Kirchhundem gerät beim Thema „Flüchtlingsunterbringung“ mehr und mehr unter Druck. Das Land habe angekündigt, die Flüchtlinge noch schneller an die Kommunen weiterzuschicken. Die großen Flüchtlingsunterkünfte des Landes, wo mehrere hundert Menschen untergebracht sind, würden mehr und mehr geräumt, um sie als Puffer für den Winter vorhalten zu können. „Das letzte Glied in der Kette sind dann die Kommunen und wir können die Menschen nicht auf der Straße stehen lassen“, so der Bürgermeister. Seit einem Jahr weise die Gemeinde regelmäßig auf die Situation hin, dass der zur Verfügung stehende Wohnraum nicht ausreiche. Ständig frage die Verwaltung auch in der Politik nach Wohnraum, der noch angemietet werden könnte. Jarosz: „Wir gucken uns alle Objekte genau an, welche Möglichkeiten dort bestehen.“
Dezentrale Unterbringung
Auch will die Gemeinde an der bisher praktizierten dezentralen Unterbringung der geflüchteten Menschen, also an der Verteilung auf möglichst viele Orte im Gemeindegebiet, festhalten, um so die bestmögliche Integration zu ermöglichen. „In einem Ort wie Heinsberg geht das“, ist Jarosz überzeugt. Immerhin gebe es dort ÖPNV-Haltestellen, eine Bäckerei und vor allem eine Schule, da ja auch Kinder unter den Flüchtlingen seien.
Der Vorwurf, die Gemeinde habe es versäumt, die Bürger über das Vorhaben zu informieren, weist der Bürgermeister zurück. „Es gibt bisher außer einem Gespräch mit dem Besitzer nichts Konkretes.“
Bernhard Schwermer bestätigt dies. „Ja, die Gemeinde hat angefragt, ob sie in dem Haus Flüchtlinge unterbringen könnte.“ Die Familie Schwermer hatte das damals abrissreife Haus mit dem Hausnamen Hulankes an der Ecke Talstraße/Bergstraße, in der Nachbarschaft des familieneigenen Hotels, 1987 erworben und umgebaut. Das Haupthaus mit drei Eingängen verfügt über 15 Zimmer mit derzeit 40 Betten. Hier wurden laut Bernhard Schwermer seit 2015, dem Höhepunkt der ersten Flüchtlingskrise, immer wieder für einige Tage bereits Flüchtlinge untergebracht, wenn die Gemeinde einen Engpass hatte. Derzeit wohnen in den Zimmern 18 Monteure, die bei einer Firma im Kreis Siegen-Wittgenstein arbeiten.
Die „Tenne“ in einem Seitenanbau wurde damals in einen rustikalen Feierraum für Gesellschaftsfeiern, Versammlungen etc. umgebaut und wird auch heute noch dafür genutzt bzw. vermietet.
Bernhard Schwermer sagte, er sei gewillt, das Gebäude auch zu verkaufen. „Im Moment ist es eine schwere Zeit für die Gastronomie. Es ist nicht mehr möglich, dort wirtschaftlich zu arbeiten. Da muss jeder Verständnis für haben“, so der Heinsberger. Sobald sich in der Sache eine Entscheidung abzeichne, werde er die Dorfgemeinschaft informieren.
Wertgutachten beauftragt
Ob es zu einer Vermietung bzw. Teilvermietung oder zum Verkauf des Gebäude kommen wird, ist derzeit unklar. Zunächst soll ein neutrales Wertgutachten durch den Gutachterausschuss des Kreises erstellt werden, „sobald dieses vorliegt, werden wir darüber diskutieren“, so der Bürgermeister.
Inzwischen hat die Dorf-Arbeitsgemeinschaft Heinsberg energischen Protest gegen die Pläne eingelegt: In einem Infoblatt, das im Ort verteilt wird wendet sich der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Christoph Henrichs, an die Bürgerinnen und Bürger: „Natürlich muss auch die Gemeinde Kirchhundem Unterkünfte vorhalten – aber nicht so“, schreibt Henrichs: Er wisse auch aus der Erfahrung in der Flüchtlingsbetreuung im Jahr 2016: „Kein Flüchtling will in einem Dorf wohnen, wo er nicht mobil ist.“ Aus Heinsberg fahre aber nur jede Stunde ein Bus bis 18 Uhr und am Wochenende gar keiner. Auch wolle kein Flüchtling in einem Dorf ohne Infrastruktur (Geschäfte des täglichen und mittleren Bedarfs) wohnen und auch nicht „mitten im Dorf auf dem Präsentierteller, in einem Haus ohne großes Grundstück“.
Aus Sicht der Heinsberger sei kein Flüchtlingsheim mitten zentral im Dorf erwünscht. „Wir sehen ja jetzt schon die Grenzwertigkeit der Belegung von ,Hulankes’ mit Monteuren aus verschiedenen osteuropäischen Staaten.“ Auch mit viel Engagement sei keine Integration der Flüchtlinge möglich: „Die Erfahrung von 2016 zeigt uns, dass die geflüchteten Menschen nicht in Heinsberg bleiben wollen!“ Die Gemeinde könne das Haus mit 50 bis 100 Personen belegen, so Henrichs: „Wir haben Bedenken, dass das dörfliche Gefühl der Sicherheit nicht mehr gegeben ist.“
Das Gebäude sei das ortsbildprägendste Haus im Dorf und werde durch eine solche Nutzung „heruntergewohnt“. Anspielend auf die Aktion „Unser Dorf hat Zukunft“ gelte dann: „Mit so einer Aktion hat unser Dorf keine Zukunft mehr!“ Die Arbeitsgemeinschaft habe Bürgermeister Björn Jarosz aufgefordert, zeitnah eine Bürgerversammlung einzuberufen. „Wir werden uns nicht damit abfinden, dass mitten in unserem schönen Ortskern eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet werden soll! Dafür werden wir kämpfen und Öffentlichkeitsarbeit leisten“, endet das Schreiben von Christoph Henrichs.
Infos:
Derzeit leben in der Gemeinde Kirchhundem (Stand: 8. September) 252 Flüchtlinge. Das sind 42 mehr, als die Gemeinde nach dem Zuweisungsschlüssel aufnehmen müsste.
Die Gemeinde hat einen Bauantrag für den Bau eines Wohncontainers im Bereich Wolfshorn in Welschen Ennest gestellt.
Im Ort Kirchhundem wird weiterhin nach einem Aufstellplatz für einen Wohncontainer gesucht.
Der Parkplatz am Sportzentrum ist laut Bürgermeister aus baurechtlichen Gründen und ein geschotterter Platz am Hundembach in Nähe der Heitmicke-Brücke aus Gründen des Hochwasserschutzes ungeeignet.