Hützemert. In Hützemert soll ein neues Flüchtlingsheim entstehen. Das sorgt bei einigen Bürgern für Kritik. Vor allem die Nähe zur Schule wird kritisiert.

Wenn die Bürger und nicht der Stadtrat über den Bau einer neuen Flüchtlingsunterkunft in Hützemert abstimmen würden, wäre das Ergebnis nach der Bürgerversammlung am Dienstag, zwei Tage vor der entscheidenden Ratssitzung, ziemlich klar. Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in dem 1000-Seelen-Ort lehnt den Bau des Übergangsheims ab. Den Standort mitten im Ort neben der Grundschule und in Sichtweite des Kindergartens halten viele für denkbar ungeeignet. Eineinhalb Stunden diskutierten die Bürger am Dienstag im proppenvollen Saal im Alten Bahnhof mit der Stadtverwaltung über das derzeit „heißeste“ Thema im Ort. Die Diskussion war emotional, teilweise hitzig, geprägt von Angst, Befürchtungen und Vorurteilen, aber eine Schlammschlacht, die nach den aggressiven Kommentaren in den sozialen Medien zu befürchten war, blieb aus.

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Für Verwunderung sorgte Drolshagens Bürgermeister Uli Berghof zu Beginn. „Die Versammlung heute ist eigentlich zu früh“, sagte der Bürgermeister. Normalerweise finde eine solche Informationsversammlung erst nach dem Ratsbeschluss statt. Doch genau das, zu späte Information, mangelnde Kommunikation und das Schaffen von vollendeten Tatsachen ohne Bürgerbeteiligung, werfen viele Bürger der Stadtverwaltung vor.

Ausführlich informierten Kämmerer Rainer Lange und Gerhard Lütticke, Bereichsleiter Soziales zunächst über die Situation der Stadt. Die Lage ist ähnlich wie in vielen der 396 Kommunen im Land NRW. Alle Unterkünfte sind so gut wie belegt, durch die intensive Nutzung abgängig, der Wohnungsmarkt für die Anmietung von Wohnraum leerfegt. Der Zuweisungsdruck bleibt enorm hoch. 361 Flüchtlinge wohnen im Stadtgebiet. Nach dem Schlüssel des Landes ist Drolshagen dennoch mit 113 Personen im Minus. „Im Moment bekommen wir fünf Personen pro Woche zugewiesen. Die Lage ist für uns eine große Herausforderung“, so Lütticke. Auf die Zusammensetzung der zugewiesenen Personen, ob Familien, Jugendliche oder alleinstehende Männer, hat die Stadt keinerlei Einfluss. Neue Unterkünfte müssen gebaut werden, auch für die Zukunft. Denn eine Trendwende ist nicht in Sicht. Ein Arbeitskreis, bestehend aus Vertretern aller Ratsfraktionen und der Stadt, beschäftigte sich seit 2020 mit der Suche nach geeigneten Standorten, und verständigte sich erst am 1. August auf ein städtisches Grundstück hinter dem Parkplatz der Firma Huhn, zwischen Hauptstraße und der Straße Unter der Löwe (wir berichteten). Dies soll als Ersatz für die Unterkünfte Alte Schule und Jugendhaus in Bleche dienen, wo es weder Einkaufsmöglichkeiten noch ÖPNV gibt.

Kämmerer Reiner Lange (links), Gerhard Lütticke, Bereichsleiter Soziales, und Fachbereichsleiterin Claudia Heite in der Versammlung. 
Kämmerer Reiner Lange (links), Gerhard Lütticke, Bereichsleiter Soziales, und Fachbereichsleiterin Claudia Heite in der Versammlung.  © Eberts | Volker Eberts

„Eine klassische Fehlentscheidung an den Bürgern vorbei. Wir wissen doch alle, dass unter den Flüchtlingen viele traumatisierte Menschen sind. So ein Flüchtlingsheim darf nicht neben die Schule, das ist fahrlässig“, legte Thomas Steurer vor und erntete starken Applaus. In der Grundschule war noch am Dienstagmittag eine Petition gegen den Standort gestartet worden. Viele Eltern hätten Bedenken gegen den Standort, sagt Sarah Krüger-Johr, Klassenpflegschaftsvorsitzende: „Das ist alles viel zu vage und zu unausgegoren.“ Anlieger in der Nachbarschaft des Standorts befürchten den starken Wertverlust ihrer Häuser. Und man müsse sich nur in Olpe umsehen, dort würden regelmäßig Kinder von Flüchtlingen bedroht, so eine Bürgerin. Nach weiteren geäußerten Szenarien, man könne im Sommer demnächst in Hützemert nicht mehr leicht bekleidet durch den Ort gehen und Kinder nicht mehr ungefährdet auf der Straße spielen, sorgte Hauptkommissar Klaus Schmidt, seit drei Jahren Bezirksbeamter der Polizei in Drolshagen, für sachliche Aufklärung: „Es gab bisher fünf Einsätze in den Flüchtlingsunterkünften bei uns, das waren alles Bagatellsachen. Das liegt an dem guten Netzwerk hier bei uns und der Toleranz der Anlieger. Die Sorge vor Übergriffen kann ich nicht nachvollziehen.“

Nachbarn in der Flüchtlingsunterkunft in der Wümme und auch Kerstin Schürholz, die sich in der Flüchtlingsarbeit in Drolshagen engagiert, bestätigten das. Dort gebe es keine Probleme. Auch Kerstin Lütticke, Leiterin des Kindergartens, kann die Befürchtungen nicht nachvollziehen. „Wir haben in der Kita einen Ausländeranteil von 35 Prozent, das funktioniert perfekt.“ Und Hützemert – mit rund 1000 Einwohnern nach Drolshagen der zweitgrößte Ort in der Stadt - sei wegen seiner Größe und Lage ein guter Standort.

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Die Kritiker bezweifeln das. Man wisse nicht, welche Menschen dort wohnen werden, deshalb sollte man erst gar kein Risiko eingehen. Und es gebe sicherlich auch andere geeignete Grundstücke im Stadtgebiet. Berghof bestätigte, dass der Arbeitskreis Alternativen geprüft habe, wollte diese zum Unmut einiger Bürger aber nicht nennen. Dies soll eventuell in der Ratssitzung am Donnerstagabend nachgeholt werden. Sollten die Stadtverordneten dort mehrheitlich dem Beschlussvorschlag der Fachausschüsse folgen und den Bau des Übergangswohnheims beschließen, werde es laut Verwaltung noch rund zwei Jahre dauern, bis die ersten Bewohner einziehen. Zeit genug also für die Hützemert, um sich mit der neuen Situation anzufreunden.