Attendorn. Das OVG in Münster hat der Wasserverlegung im geplanten Attendorner Industriegebiet grundsätzlich zugestimmt. Was Marion Garra befürchtet.
Das OVG Münster hat im Eilverfahren entschieden, dass die Stadt Attendorn in Fernholte mit der Gewässerverlegung, eine Voraussetzung für die Realisierung des Industriegebiets, beginnen darf. Die Entscheidung ist nicht endgültig, eine umfassende juristische Prüfung bleibt dem Hauptverfahren vorbehalten. Sollten Fehler vorliegen, die zunächst nicht ins Auge springen, kann die im Hauptsacheverfahren weiter angegriffene wasserrechtliche Genehmigung rechtswidrig sein, erklärt Marion Garra, 1. Vorsitzende der Initiative zur Erhaltung des Eckenbachtals e.V. (Bild). Falls dies festgestellt werde, bestehe die Gefahr, dass die Stadt bereits ausgeführte bauliche Maßnahmen zurückbauen muss.
Wie sehen Sie das Verhältnis vom Industriegebiet zur Klimaneutralität?
Marion Garra: Unabhängig von der juristischen Situation steht die Frage im Raum, wie sich das Vorhaben mit dem Ziel der Stadt verträgt, klimaneutral zu werden.
Man muss keine Naturwissenschaftlerin sein, um zu erkennen, dass das geplante Industriegebiet das Ziel der Klimaneutralität in weitere Ferne rückt. Der Hauptverursacher der Klimaerwärmung ist der CO2-Ausstoß. Jeder Mensch setzte im Jahr 2020 durchschnittlich knapp fünf Tonnen CO2 frei. Zur Erreichung des im Pariser Abkommen festgelegten 2-Grad-Ziels dürfen es nicht mehr als zwei Tonnen sein. In Deutschland lag der Wert im gleichen Zeitraum bei durchschnittlich neun Tonnen. Attendorn toppt diesen Wert mit sage und schreibe 18,5 Tonnen, ohne Einrechnung des Industriegebiets. Diese Umsetzung bedeutet eine Verschlechterung der CO2-Bilanz. Klimaschädlich ist auch die Versiegelung weiterer großer Flächen. Jeder kennt den Unterschied, wenn er bei 30 Grad im Schatten durch die Stadt oder im Wald spazieren geht.
Welche Konsequenzen fürchten Sie?
In unserer Welt hat jegliches Tun oder Unterlassen finanzielle Folgen, die jeden einzelnen von uns belasten werden. Der Attendorner beteiligt sich finanziell nicht nur an der Entwicklung des Industriegebiets, da die Erschließungskosten deutlich über 100 Euro pro Quadratmeter liegen und die Flächen – zumindest in den Anfängen der Planung – für nur etwa 30 Euro/qm an Unternehmen verkauft werden sollen. Sondern es müssen auch der Katastrophenschutz ausgebaut und die durch Naturkatastrophen verursachten Schäden behoben werden. Bereits 2020 verursachte eine Tonne CO2 Kosten in Höhe von 180 Euro, sagt das Umweltbundesamt. Zukünftig sollen zwar die Verursacher für ihren CO2-Ausstoß geradestehen. Kosten, die an die Bürger weitergegeben werden. Ein Industriegebiet wirkt kostenerhöhend.
Die Stadt argumentiert, dass die Arbeitsstätten gebraucht werden.
Natürlich waren Arbeitsstätten immer wichtig und sind es auch heute, sofern sie gebraucht werden. Wir leben in einer Zeitenwende und Attendorn läuft Gefahr, den Abzweig zu verpassen. Das Industriegebiet wird nicht benötigt, um Attendorner Bürger in Arbeit zu bringen. Unsere Stadt bietet bereits mehr Arbeitsplätze als es Attendorner gibt, die diese Plätze ausfüllen können. Täglich kommen tausende auswärtige Arbeitnehmer in die Stadt. Zudem suchen Unternehmer händeringend Personal. Die Natur wird geopfert, damit Firmen Arbeitsplätze schaffen, die von auswärtigen Arbeitskräften besetzt werden.
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Wie sieht die Lösung aus?
Wir sollten wissen, dass sich die Natur nicht mehr alles gefallen lässt. Sie schlägt zurück, auch im Sauerland, mit Stürmen, Hochwasserkatastrophen und Trockenperioden. Die Stadt könnte u.a. einen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz leisten, indem sie auf die Entwicklung des Industriegebiets verzichtet. fk