Olpe/Siegen. Nach vielen Prozesstagen ist nun das Urteil zur Messerstecherei beim Olper Schützenfest gefallen. Der Angeklagte (19) reagiert mit Kopfschütteln.
Wer war der Mann, der im Rahmen des Olper Schützenfestes mit einem Messer zugestochen hatte? Für das Siegener Schwurgericht bestanden keine Zweifel daran, dass der 19-jährige Angeklagte aus Olpe für die brutale Tat verantwortlich war. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Totschlag wurde der 19-Jährige am Mittwochnachmittag zu einer sechsjährigen Haftstrafe nach Jugendrecht verurteilt. Ungewöhnlich deutlich widersprach die Vorsitzende Richterin Sabine Metz-Horst den Argumenten der Verteidigung. Und wandte sich mit einer emotionalen Botschaft an einen der Geschädigten, der ebenfalls im Gerichtssaal saß.
Freund aus der Untersuchungshaft heraus zu falschem Geständnis manipuliert
Der Prozess hatte in seinem Verlauf eine zentrale Wendung erlebt. Überraschend hatte ein Freund des Angeklagten Ende Januar vor Gericht ausgesagt, dass er selbst auf die zwei geschädigten Männer (beide 29 Jahre alt) eingestochen habe. Das habe jedoch jeglicher Aussageanalyse widersprochen und sei nicht überzeugend, so Sabine Metz-Horst. Vielmehr sei das Gericht davon überzeugt, dass der Angeklagte seinen Freund aus der Untersuchungshaft heraus manipuliert und zu dieser Aussage genötigt habe: „Es gab seit Oktober etwa 40 Anrufe zwischen dem Angeklagten und seinem Freund. Das waren mindestens zehn Stunden, in denen der Angeklagte auf ihn eingewirkt hat“, erklärte Metz-Horst. Der Angeklagte habe bewusst versucht, das Gericht durch sein strafbares Verhalten zu täuschen, was sich letztendlich strafverschärfend auswirkte.
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Vielmehr war das Gericht davon überzeugt, dass sich der Angeklagte in der Schützenfest-Nacht am 17. Juli 2022 in einen Streit zwischen seinem geständigen Freund und einem Passanten eingemischt hatte. Es soll eine lautstarke, verbale Auseinandersetzung gegeben haben, inklusive Beleidigungen. Daraufhin soll der 19-jährige Olper den Passanten attackiert haben, um seinem Freund beizustehen. Der Angeklagte soll ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihn im weiteren Gerangel auch getreten haben. Dass bei diesem Streit auch ein Messer zum Einsatz gekommen sein soll, konnte das Gericht nicht zweifelsfrei belegen. Auch, weil der Geschädigte selbst kein Messer wahrgenommen hatte. „Es ist möglich, dass der Angeklagte den Geschädigten mit einem Messer verletzt hat. Aber wir hören auch immer wieder von Ärzten, dass in einem Gerangel ein Messerstich auch mit einem Schlag verwechselt werden kann“, so Metz-Horst. Dementsprechend entschied das Gericht, in diesem Fall den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung auf eine vorsätzliche Körperverletzung abzuschwächen.
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Ganz anders verhielt es sich mit dem 29-Jährigen aus Wenden, der sich in unmittelbarer Nähe des Geschehens befand. „Der Geschädigte hat immer wieder gerufen ‘Der hat ein Messer!’ Hier gibt es eine absolut konstante und schlüssige Aussage“, betonte Richterin Metz-Horst. Insgesamt wurde fünf Mal auf den 29-Jährigen eingestochen, Lunge und Leber wurden knapp verfehlt. Der Geschädigte habe seinem Angreifer in die Augen geschaut – und ihn als den Angeklagten identifiziert. Mit lebensgefährlichen Verletzungen wurde der Wendener ins Krankenhaus gebracht. Zehn Tage musste er auf der Intensivstation behandelt werden, insgesamt verbrachte er 25 Tage im Krankenhaus. „Die Tat hat bis heute massive Folgen für den Geschädigten, sowohl körperlich als auch psychisch. Er ist bis heute arbeitsunfähig. Sein Leben ist durch diese Tat aus den Fugen geraten“, verdeutlichte Metz-Horst die verheerenden Konsequenzen. Sichtlich bewegt richtete sie ein persönliches Wort an den Geschädigten: „Vielleicht hilft es Ihnen zu wissen, dass auch andere in diesem Moment da waren. Dass sie nicht allein waren. Wir wünschen Ihnen, dass sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen.“
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Der 19-jährige Angeklagte zeigte dahingehend kaum Gefühlsregungen. Das Urteil nahm er mit einem leichten Kopfschütteln entgegen. Bei der anschließenden Urteilsbegründung stützte er lediglich seinen Kopf auf die linke Faust oder kräuselte die Stirn. „Der Angeklagte braucht Zeit, um Grundtugenden wie Ehrlichkeit und Respekt zu erlernen“, so Metz-Horst. Dabei solle ihm auch eine begleitende Therapie im Jugendvollzug helfen. Psychiater Dr. Brian Blackwell, der als Sachverständiger im Prozess ausgesagt hatte, diagnostizierte bei dem 19-Jährigen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, verbunden mit einer emotionalen Instabilität und narzisstischen Tendenzen.
Gegen das Urteil des Landgerichtes kann innerhalb von einer Woche Revision eingelegt werden.