Husten/Heid. In Husten wurden tote Katzen auf Gehwegen gefunden. Tierschützer sind alarmiert und fordern dringend eine Kastrationspflicht. Das sagt der Kreis.

Ihre Arbeit ist emotional belastend. Zeitintensiv, gefühlt ohne große Wertschätzung – und unentgeltlich. „Wir werden oft nachts wach und überlegen, was noch getan werden muss. Und wie wir das alles überhaupt schaffen sollen“, erzählt Viola Zimmermann aus Heid. Sie engagiert sich ehrenamtlich im Pfötchenclub des Tierschutzvereins Olpe. Ihre größte Aufgabe: herumstreunende, unkastrierte Katzen und Kater in Lebendfallen fangen, beim Tierarzt kastrieren lassen und wieder aussetzen. Für sie ist es ein Kampf gegen politische Windmühlen. Denn: Der Kreis Olpe hat in den vergangenen Jahren immer wieder die Einführung einer Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht abgeblockt. Mit der Begründung, dass es keine Hotspots oder erhöhte Katzenpopulation in den einzelnen Städten und Gemeinden gebe. „Unsinn“, meint Viola Zimmermann.

Viele kranke Tiere, die eingeschläfert werden mussten

Sie zeigt eine Liste mit Fundorten und Daten. Sie ist 62 Zeilen lang. Jede Zeile steht für ein Tier, das sie gefangen hat. „Und das sind nur die Tiere, die ich allein im vergangenen Jahr gefangen habe. Das sind bei Weitem nicht alle“, sagt Zimmermann. In der Spalte „Indikation“ hat sie notiert, was bei dem jeweiligen Tier entdeckt bzw. tierärztlich behandelt werden musste. So gut wie alle Tiere mussten entwurmt sowie ausgewachsene Katzen und Kater kastriert werden. Viele litten unter Katzenschnupfen, einigen wurden die kranken Zähne gezogen, andere mussten wegen ihrer Wunden und eitrigen Abszesse behandelt werden. Und manche Tiere waren so vom Krebs gezeichnet oder von Parasiten, einer Unterkühlung oder einer Niereninsuffizienz geschwächt, dass sie eingeschläfert werden mussten. Diese Momente sind besonders schwer für Viola Zimmermann. Mitzuerleben, dass jede Hilfe zu spät kommt. „In diesen Situationen fühlen wir uns besonders hilflos und ohnmächtig“, sagt sie.

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Fast täglich erreichen die Tierschützerinnen des Pfötchenclubs Anrufe von Menschen, die streunende Tiere in ihrem Wohngebiet ausgemacht haben. Zuletzt hat sich eine Anwohnerin aus Husten gemeldet, die mehrere wilde Katzenbabys in ihrem Garten entdeckt hatte. Einige seien von dem Jagdhund eines Nachbarn getötet worden, bei anderen wird vermutet, dass sie vergiftet wurden. „Wir haben Fotos von toten Katzen auf Gehwegen oder im Garten bekommen. Das ist untypisch für Katzen. Wenn sie sterben, dann ziehen sie sich eigentlich zurück und sterben im Verborgenen“, meint Viola Zimmermann. Einen Beweis, dass die Tiere tatsächlich vergiftet worden sind, gibt es allerdings nicht.

Ein Bild aus dem vergangenen Sommer in Saßmicke: Bansur Bastürk (Mitte) ist froh, dass er und seine Familie Unterstützung von den ehrenamtlichen Tierschützerinnen Viola Zimmermann (links) und Maria Hof bekommen hat.
Ein Bild aus dem vergangenen Sommer in Saßmicke: Bansur Bastürk (Mitte) ist froh, dass er und seine Familie Unterstützung von den ehrenamtlichen Tierschützerinnen Viola Zimmermann (links) und Maria Hof bekommen hat. © Britta Prasse | Britta Prasse

Schon im vergangenen Oktober wurde das Veterinäramt des Kreises über streunende Katzen im Bereich Husten/Halbhusten informiert. Es seien Beschwerden eingegangen, dass freilaufende Katzen offenbar von Anwohnern gefüttert wurden, so Kreispressesprecherin Stefanie Gerlach. „Daraufhin wurden mehrere Personen angeschrieben. Aus den Rückmeldungen ergaben sich Hinweise auf sechs Katzen, darunter vier Jungtiere, in diesem Bereich.“ Eine erneute Nachfrage des Veterinäramtes in der vergangenen Woche habe ergeben, dass sich aufgrund der ausbleibenden Fütterung inzwischen jedoch keine Katzen mehr in diesem Bereich aufhalten sollen.

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Dass sich keine freilaufenden Katzen mehr in Husten/Halbhusten aufhalten, kann auch Viola Zimmermann bestätigen. Sie hat dafür jedoch eine ganz andere Begründung: „Wir haben dort sechs Katzen und drei Kater gefangen.“ Sie beschreibt die Situation vor Ort als „katastrophal“. Nicht nur, weil sie von einer Anwohnerin Bilder von toten Tieren zugeschickt bekommen hat, sondern auch, weil der Großteil der Dorfbewohner schweigt. „Wir haben vor Ort Anwohner befragt und immer wieder gehört, dass es dort angeblich keine Katzen geben soll. Und gleichzeitig gibt es die Fotos von toten Tieren im Garten oder auf den Bürgersteigen.“

Auch Maria Hof engagiert sich ehrenamtlich im Pfötchenclub. „Ich kann mich daran erinnern, dass wir schon vor zehn Jahren freilaufende Katzen in Husten gefangen haben“, sagt sie. Man kümmere sich um einen Bereich und gleichzeitig erhalte man Hinweise aus anderen Ortschaften. Ein Fass ohne Boden. „Alles hat sich vervielfacht. Wenn man früher eine Katzenmama und drei Kitten gefangen hat, sind es heute schon mal bis zu 20 Tiere an einem Ort“, erzählt Zimmermann. Diese Dynamik hat Spuren bei Maria Hof hinterlassen. Sie musste kürzertreten. „Ich habe gemerkt, wie mich das ständige Erreichbarsein, die Organisation und Versorgung fertig gemacht haben. Ich habe gemerkt, dass ich das nicht mehr schaffe.“ Sie hat Verantwortung abgegeben. Verantwortung, die Viola Zimmermann ein Stück weit auffängt.

Maria Hof hält die beiden geretteten Katzenbabys Lias und Levi in den Händen.
Maria Hof hält die beiden geretteten Katzenbabys Lias und Levi in den Händen. © Christian Janusch | Christian Janusch

Auch andere Ehrenamtliche sind kürzer getreten. Oder haben aufgegeben. Von zwischenzeitlich acht Pflegestellen sind mittlerweile nur noch drei übrig geblieben. „Mit drei Würfen sind die voll. Dann müssen wir die kastrierten Tiere bis zur Vermittlung entweder in die Isolierstation ins Tierheim bringen, das meistens auch voll ist, oder aber nach Köln oder in den Odenwald bringen, wohin wir mittlerweile gute Verbindungen haben. Das ist doch peinlich!“, findet Viola Zimmermann.

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Was den Tierschützerinnen bei ihrer Arbeit immer wieder auffällt, ist eine große Unwissenheit in der Bevölkerung. Ein mangelndes Bewusstsein für die Grenze zwischen Tierliebe und Tierquälerei. „Die Menschen warten leider viel zu lange, bis sie freilaufende Tiere melden. Sie finden es süß, wenn streunende Katzenbabys im Garten herumspringen. Sie melden sich erst, wenn die Katzen groß sind und lästig werden“, erklärt Viola Zimmermann. Häufig seien die Katzen dann schon trächtig, oft genug finde Inzest statt. In der freien Wildbahn seien viele Tiere unterernährt, Schwangerschaften und Geburten zehrten die kleinen Körper zusätzlich aus.

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Die Tierschützerinnen sind überzeugt davon, dass derartiges Leid mit einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht gestoppt werden könne. Die Kreisverwaltung sieht das anders: „Auch nach Erhebung und Auswertung weiterer bei den zuständigen Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden, bei Tierschutzorganisationen sowie den Kleintierpraxen erhobenen Daten war die Datenlage zur Größe der Population freilebender Katzen, deren Gesundheitszustand und der zwischen diesen beiden Faktoren bestehenden Kausalität unklar“, teilt Pressesprecherin Stefanie Gerlach auf Anfrage mit. Es sind Aussagen wie diese, die Viola Zimmermann und Maria Hof verzweifeln lassen. Sie daran zweifeln lassen, ob ihr Engagement überhaupt einen Sinn ergibt. „Aber“, meint Viola Zimmermann, „dann gibt es wieder die Momente, in denen man ein Tier rettet, wir ein neues Zuhause finden und die Vierbeiner noch ein glückliches Leben führen dürfen.“ Das motiviert. Jeden Tag.

>>> PFLEGESTELLEN GESUCHT

  • Der Pfötchenclub ist auf der Suche nach weiteren Pflegestellen. Wer ernsthaftes Interesse hat und sich der Verantwortung bewusst ist, kann sich unter pfoetchenclub@t-online.de melden.