Drolshagen/Altenhof. Walter Wolf aus Drolshagen hat „Der Junge vom Dorf“ veröffentlicht. Er erzählt ausschließlich aus der Sicht des Kindes – mit spannenden Details.

„Selten habe ich 400 Seiten so schnell hintereinandergelesen, und mich immer wieder auch selbst entdeckt“, sagte einer der Leser des neuen Buches von Walter Wolf „Der Junge vom Dorf“, in dem er die Geschichte seiner Kindheit im Dorf beschreibt. Der Autor bezieht dabei konsequent die Position des Kindes und dokumentiert aus dieser Sicht das Leben im Dorf. Ebenso konsequent bezieht er sich ausschließlich auf seine Erinnerung, nutzt also keine Dokumente, nicht einmal aus der eigenen Familie. Damit ist dieses Buch ein Experiment, das dem Pädagogen auch die Gewissheit gibt, was sich Kinder im Laufe ihres Lebens merken und was sie auch wieder erinnern können.

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Walter Wolf ist 72 Jahre alt. In den vergangenen zwei Jahren hat er einige Bücher geschrieben – unter anderem „HeimatNeuDenken“. Das ist nun sein viertes Werk. Walter Wolf, der in seiner beruflichen Karriere zuletzt Leiter des Rahrbacher Josef-Gockeln-Haues war, ist im Wendschen aufgewaschen. Genauer gesagt in Altenhof. Gelebt hat er in einem Mehrgenerationenhaus. Seine Eltern, sein Bruder, seine Schwester, Großmutter, Großtante und Onkel – alle unter einem Dach. Auf dem Hof lebten Schweine, Kühe, Hühner und zeitweise ein Hund. Landwirtschaft im Nebengewerbe gehörte damals dazu. Bis 1979 hat er in Altenhof gelebt. Der Liebe wegen ist er nach Drolshagen gezogen.

Ambivalenz der damaligen Zeit

Es sind viele Erinnerungen, die er an seine Kindheit hat. Viele gute Erinnerungen. Natürlich gehörten auch Verpflichtungen dazu. Aber das war normal für die damalige Zeit. „Wir kamen sehr früh in die Verantwortung“, erzählt Walter Wolf. „In der Landwirtschaft zum Beispiel. Das war damals so. Wir hatten viele Spielmöglichkeiten, aber Einschränkungen gehörten eben dazu.“ Aber es sind gute Gefühle, die er mit seiner Kindheit verbindet. „Bei meinen Eltern habe ich eine sehr gute Kindheit gehabt“, erzählt er. „Ich habe eine sehr taffe Mutter gehabt. Und einen sehr klaren Vater mit klarer Position.“

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Zwei Jahre hat er an dem Buch geschrieben. Nach und nach kamen immer mehr Bilder hoch. Vom Muster der Tischdecke über die Karl-May-Hörspiele, die er im Winter gehört hat („Hansjörg Felmy sprach damals den Winnetou“) – bis hin zur warmen Küche, in der er mit seiner Mutter Waffeln gebacken hat.

Begonnen hatte alles mit der Anfrage einer Journalistin nach Personen und Quellen zur historischen Kartoffelernte. Da diese jedoch einer jüngeren Generation angehört, hat Walter Wolf ihr neben den Quellen in einer Zusammenfassung seine Erinnerungen daran aufgeschrieben, und war vom Umfang und Detailreichtum so überrascht, dass er beschloss diese sehr persönliche Recherche weiterzuführen. Der bekannte Sauerländer Autor Peter Bürger hat ihn, nachdem er von seinem Anliegen erfuhr, ermutigt, „eine ehrliche Nachkriegsautobiografie ohne Tabus“ zu schreiben. Daraus ist dieses biografisch angelegte Buch entstanden, in dem es darum geht, das Dorf und seine Kultur aus der Sicht eines Kindes darzustellen.

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Walter Wolf denkt den Heimatgedanken weiter, den er in seinem Buch „HeimatNeuDenken“ entwickelt hat – nur jetzt eben mit Blick auf seine eigene Kindheit. Dem Autor ist es gelungen, offen und ehrlich, schonungslos und liebenswürdig in einer sehr persönlichen Sichtweise Geschichte durch Geschichten transparent werden zu lassen. So entstand ein neues Heimatbuch, in dem nicht nostalgisch verklärt oder distanziert Dokumente präsentiert werden, sondern in dem Heimat als der soziale Raum beschrieben wird, wie ihn das Kind erlebt hat. Es beschreibt die vielfältigen Beziehungen im Dorf, die Emotionen, die Sinnstiftung und die Gewährung und die Verweigerung von Zugehörigkeit. Und nicht zuletzt beschreibt er, was der mittlerweile über 70-Jährige immer noch ist: Der Junge vom Dorf.

Zwischen gefühlter Verantwortung und Spannung

Das Buch enthält eine Fülle von Einzelheiten, die der Autor immer in Zusammenhänge bringt. Er beschreibt die frühe Verantwortung und Spannung, die ein Kind erlebte, wenn es zwischen dem Kind, das spielen, lernen oder einfach mit anderen Kindern zusammen sein wollte, und den Aufgaben, die der Arbeit und dem Zusammenleben der Erwachsenen zugeordnet wurden, hin und hergerissen wurde. Er beschreibt, wie Kinder in der Landwirtschaft in ihre Aufgaben hineinwuchsen, wie die Kultur in der kleinen Volksschule aussah, wie Kirche und Glauben den Alltag bestimmten und wie sich Kinder in ihrem Spielen die Freiräume schafften, in denen sie einfach Kind sein durften.

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Das Buch gibt auch einen umfassenden Eindruck, wie das Dorf in den Fünfzigerjahren aussah und wie die Menschen ihr Leben in fast allen Bereichen durch umfassende Selbstorganisation gestaltet haben, vom eigenen Wegebau, der späten Wasserversorgung oder dem Hausbau. Die Texte zeigen auch, wie allmählich die Technik im Dorf ihren Platz bekam, in der Landwirtschaft, im Verkehr oder mit den ersten Telefonen und Fernsehgeräten. Auch problematische Bereiche klammert er nicht aus wie den Umgang mit den Kriegsfolgen oder dem Alkohol.

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Was das Buch weiterhin lesenswert macht, ist die klare und eindeutige Sprache und der Aufbau in eigenständigen Kapiteln, die auch ein Lesen einzelner Teile möglich macht, ohne den Gesamtzusammenhang zu verlieren.

>>> LESUNG

  • Der Autor wird am Mittwoch, 15. März, im Heimathaus Drolshagen Auszüge aus dem Buch vorlesen und steht auch für Rückfragen und zur Diskussion zur Verfügung. Beginn ist um 19.30 Uhr, der Eintritt ist wie immer frei.
  • Das Buch ist im Buchhandel erhältlich.