Kreis Olpe. Im weltweit größten Versuch wurde die Vier-Tage-Woche getestet – mit erstaunlichem Fazit. Der Arbeitgeberverband Kreis Olpe hat jedoch Zweifel.

Mehr Freizeit, höhere Produktivität, weniger Fehlzeiten: Die Vier-Tage-Woche kann viele Chancen für die Arbeitswelt bieten. Vor allem im Zusammenhang mit jungen Arbeitnehmern aus der Generation Z, die tendenziell an einer guten Work-Life-Balance interessiert sind, wird das Modell der Vier-Tage-Woche häufig thematisiert. Das ist auch dem Arbeitgeberverband für den Kreis Olpe bewusst. Trotzdem lehnt er eine pauschale Vier-Tage-Woche ab. „Das kann nicht funktionieren. Wenn wir auch zukünftig Industriearbeitsplätze in Deutschland halten wollen, dann bedarf es intelligenter flexibler Arbeitszeitsysteme“, so Thorsten Holzhäuser, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes für den Kreis Olpe.

Vier-Tage-Woche bedeute einen Nachteil im internationalen Wettbewerb

Zwar könne eine Vier-Tage-Woche im kaufmännischen Bereich realistisch sein und auch gut funktionieren. „Für das industrielle Umfeld im Allgemeinen halten wir es aber für keine flächendeckende Blaupause“, meint Holzhäuser. Die Metall- und Elektroindustrie sei prozess- und produktionsabhängig. Eine Reduzierung von fünf auf vier Arbeitstage, also um 20 Prozent, würde einen Nachteil im internationalen Wettbewerb bedeuten. Und den Druck auf die Industrie, die nicht nur unter einem Fachkräftemangel, sondern auch sehr unter den explodierenden Energiekosten leide, weiter verschärfen. Vielmehr benötigten sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte flexible Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit. „Hier geht es um intelligente Lösungen, die in der Ausgestaltung beiden Seiten – den Betrieben als auch den Beschäftigten – gerecht werden.“

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Ideen und Forderungen seitens einiger Gewerkschaften nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich seien laut Holzhäuser hoch problematisch. „Das ist ein falsches Signal. Wir brauchen keinen tariflichen oder gesetzlichen Zwang. Dagegen wehre ich mich mit Händen und Füßen.“ Zumal es schon jetzt arbeitsrechtlich möglich sei, das Arbeitszeitvolumen – in der Regel 35 bis 40 Stunden pro Woche – auf vier Tage pro Woche zu verteilen. Denn der erforderliche Ausgleich, durch das Überschreiten des in Deutschland gültigen Grundsatzes eines Acht-Stunden-Tages auf maximal zehn Stunden pro Tag, wäre durch den freien Freitag sowie den freien Samstag erfüllt. „Ob eine solche Verteilung aber sinnvoll im Sinne der Belastung der Arbeitnehmer ist, ist fraglich“, so Holzhäuser.

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Zuletzt hatte eine britische Studie für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Daran hatten 61 Firmen mit rund 2900 Mitarbeitern teilgenommen und monatelang die Vier-Tage-Woche getestet – der bis dahin größte Versuch weltweit. Begleitet wurde die Studie von Wissenschaftlern der Universität Cambridge und des Boston College. Das Ergebnis war durchaus positiv: 56 der 61 Unternehmen hatten mitgeteilt, dass sie die Vier-Tage-Woche beibehalten möchten. Die Begründung: Die Produktivität sei gestiegen oder konnte zumindest gehalten werden. Gleichzeitig sei die Zahl der Fehltage deutlich zurückgegangen (ein Minus von 65 Prozent). Es gebe eine „große Zufriedenheit bei den Beschäftigten“, so das Fazit der Studie. Thorsten Holzhäuser stellt das allerdings in Frage: „In meiner 20-jährigen Tätigkeit wurde mir immer wieder gespiegelt, dass sich Arbeitnehmer eine flexible Arbeitszeitgestaltung wünschen und beispielsweise im kaufmännischen Bereich souverän mitsprechen möchten – was auch vollkommen in Ordnung ist. Aber ich glaube nicht, dass eine höhere Produktivität und ein geringerer Krankenstand eine 20-prozentige Reduzierung der Betriebszeit ausgleichen können.“

Leber-Kompromiss in den 80er-Jahren in der Metall- und Elektroindustrie

Heutzutage fühle man sich immer noch an den sogenannten Leber-Kompromiss in der Metall- und Elektroindustrie gebunden. Dieser wurde Mitte der 80er-Jahre getroffen und sah eine Reduzierung der Arbeitszeiten von 40 auf 35 Stunden pro Woche bei entsprechendem Lohnausgleich vor. Durch Wirtschaftskrisen sowie Rationalisierungsbestrebungen bestand damals ein Überangebot an Arbeitskräften, denen man durch eine Reduzierung des Arbeitszeitvolumens eine Beschäftigungsmöglichkeit bieten wollte. Der Kompromiss beinhaltete im Tausch dafür eine größere Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung für die Betriebe.

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„Diese Situation hat sich heute aber grundlegend geändert“, betont Holzhäuser. Es gebe keinen Arbeitskräfteüberhang, sondern einen Fachkräftemangel. „Und wo sollen wir die Leute herbekommen, wenn wir einen Betriebszeitverlust von 20 Prozent haben, die Produktion aber stabil halten oder steigern wollen?“ Aktuell kämen im Kreis Olpe 2,4 Ausbildungsplätze auf einen Auszubildenden. Das sei Spitzenplatz in NRW – und ein Problem für Arbeitgeber.