Kreis Olpe/Lüdenscheid. Die Industrie in Südwestfalen leidet enorm unter der Brückensperrung. Wie Spediteure aus dem Kreis Olpe auf ein Jahr Leidenszeit zurückblicken.

Sie ist 453 Meter lang und für die südwestfälische Wirtschaft das größte Ärgernis der nächsten Jahre: Die Rahmedetalbrücke, die als wesentliches Stück der Autobahn 45 die Regionen Südwestfalens mit der Außenwelt verbindet. Vor genau einem Jahr wurde sie gesperrt, und alle Beteiligten ringen um die Erneuerung – am besten so schnell wie möglich.

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Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen/Olpe, appelliert anlässlich des fast tragischen Jahrestages an alle Beteiligten, vor allem an die Politiker: „Die Planung und der Neubau muss politisch streitfrei gestellt werden. Wenn es uns in Südwestfalen nicht gelingt, gemeinsam eine starke Front gegenüber Berlin zu formieren, behindert das dieses Projekt.“ Er habe jedoch das Gefühl, dass das megawichtige Projekt parteipolitisch instrumentalisiert werden könnte: „Das, was ich lese und höre, fühlt sich im Moment nicht gut an.“

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Gräbeners IHK-Mitstreiter Hans-Peter Langer, Geschäftsführer und IHK-Verkehrsexperte, nennt erschreckende Zahlen: „Die Sperrung dieser Brücke kostet die Wirtschaft täglich rund eine Million Euro, so eine Modellrechnung zum volkswirtschaftlichen Schaden für den südwestfälischen Raum inklusive Hagen. Bei einer üblichen Bauzeit von zehn Jahren würde das einen Schaden von rund 3,6 Milliarden Euro bedeuten. Gehen wir von den anvisierten fünf Jahren aus, die die Autobahngesellschaft angedeutet hat, kommen wir immer noch auf 1,8 Milliarden Euro.“

Immer stärkere Personalsorgen

Da sei alles aufsummiert: „Die gestiegenen Transportkosten, die gerissenen Lieferketten, die Auftragsverluste, und nicht zuletzt die Attraktivitätseinbuße der Standorte. Lange: „Das haben unsere Unternehmen sehr stark gespürt, weil sie immense Personalprobleme bekommen haben.“ Ein Faktor, der ohnehin schwerwiegend sei: „Es gibt kaum Lkw-Fahrer auf dem Markt. Aber auch grundsätzlich wurde es im Verlauf des Jahres immer schwieriger, Fachkräfte zu bekommen. Der Fachkräftemarkt nördlich von Lüdenscheid ist weg. Mehrere Unternehmen auch aus dem Kreis Olpe haben uns gesagt: Von dort bewirbt sich einfach keiner mehr.“ Ebenfalls gravierend: „In einigen Firmen haben die Auszubildenden hingeworfen. Deshalb, weil sie in Dortmund, Hagen oder Iserlohn beschult werden müssen. Eine Zeit lang nehmen die Azubis das mit, sagen aber irgendwann: Dann brechen wir ab und fangen eine neue Ausbildung an.“

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Auf dem Wunschzettel der IHK und der gesamten Wirtschaft stehe deshalb der schnelle Ersatzneubau: „Kolportiert werden von der Autobahn GmbH fünf Jahre, wenn niemand klagt. Bezüglich der Planungszeit versichert uns die Autobahn GmbH, dass sie verschiedene Planungsschritte simultan schalte, die normalerweise nacheinander angegangen werden. Wir würden uns wünschen, dass mit einem Planungsbeschleunigungsgesetz noch mehr Fahrt aufgenommen werden könnte.“ Auch, wenn die originäre Zuständigkeit beim Bundesverkehrsminister liege, müsse NRW und die Region ihren Einfluss geltend machen.

„Je schneller, desto besser“

Langer erinnerte daran, dass Bundesverkehrsminister Wissing zugesagt habe, die marode Brücke werde noch in 2022 gesprengt: „Daraus wird nichts, und es gibt keinen neuen Termin.“ Bei einem Spitzengespräch vor zwei Wochen habe sich niemand dazu in die Lage versetzt. Positiv: „Man hat uns versichert, dass der spätere Sprengungstermin das Gesamtprojekt nicht verzögere.“ Auf die Frage, ob er persönlich an den Zeitplan glaube, dass der erste Baukörper der neuen Brücke Ende 2026 stehe, muss Langer tief durchatmen. Diplomatische Antwort: „Je schneller, desto besser.“ Nach wie vor fehle die Entscheidung, ob es ein Planfeststellungsverfahren geben werde: „Wenn das nötig werden sollte, verzögert sich der Prozess um mehrere Jahre.“ Langer wies auch daraufhin, dass der Güterverkehr das Problem nicht löse: „Nicht zuletzt deshalb, weil die Ruhr-Sieg-Strecke nicht in dem Ausbauzustand ist, in dem sie sein sollte.“

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Erheblich von der Sperrung betroffen sind unter anderem die Spediteure. Stefan Heuel vom Drolshagener Unternehmen Heuel Logistik mit Standorten in Drolshagen und Meinerzhagen: „Für uns ist das eine Katastrophe. Wir mussten natürlich neue Lösungen finden, wahlweise Umgehungen über Köln fahren oder mehr Fahrzeuge einsetzen, die die Umleitungen Richtung Lüdenscheid fahren, wo wir einen Großteil unserer Kundschaft haben. Wir kommen mit der Situation momentan klar, aber es verursacht extreme Mehrkosten und es ist personalaufwendiger.“ Sowohl im kaufmännischen wie im gewerblichen Bereich habe das Unternehmen einige Mitarbeiter verloren: „Auch langjährige Mitarbeiter, die gesagt haben: Es ist kein Ende der Baustelle in Sicht. Das ist extrem schade, aber verständlich.“

70 Euro mehr pro Fahrt

Gerade am Standort Meinerzhagen sei Heuel auf Mitarbeiter aus der Region Lüdenscheid angewiesen. Zumindest die kaufmännischen Mitarbeiter könnten im Home-Office arbeiten, soweit das gehe: „Die kommen nur ein oder zweimal die Woche ins Büro.“ Um welche Größenordnung es sich bei Heuel handelt, machen Zahlen deutlich: „Wir schicken täglich 250 bis 280 Lkw auf die Reise, rund 100 davon sind unsere eigenen.“ Zur Zukunftsperspektive sagte Heuel: „Ein Jahr ist jetzt vorüber, ohne, dass wirklich etwas passiert ist.“ An das Versprechen von Bundes-Verkehrsminister Wissing, „dass das Ding in fünf Jahren wieder steht - diese Realität sehe ich nicht. Ich fürchte, dass es eher sieben bis acht Jahre dauert.“ Mit der Antwort auf die Frage, ob einige Unternehmen ,in die Knie’ gehen werden, zögert Heuel keine Sekunde: „Ganz sicher. Wir wissen das von Unternehmen aus unserer Kundschaft, die darunter noch mehr leiden als wir.“

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Täglich setzt sich auch der Fuhrpark der Spedition Heisiep aus Bamenohl, der in erster Linie verschiedene Stahlprodukte ausliefert, in Richtung Ruhrgebiet in Bewegung. Sei es über die „Ost-Umfahrung“, also über die A 44, wenn die Fahrt nach Dortmund führen soll. Oder über die „West-Umfahrung“, also über die A4 Richtung Köln und dann über Leverkusen in Richtung Duisburg. Rechnet man die Umfahrungsstrecken und die entstehenden Zeitverzögerungen zusammen, so Geschäftsführer Bernhard Heisiep, muss seine Spedition für jede Fahrt ins Ruhrgebiet rund 70 Euro draufpacken. Ein großes Problem: „Manchmal kommen meine Fahrer gar nicht bis zum Endkunden, weil die Fahrdauer über die erlaubte Fahrzeit hinausgeht. Der Mehraufwand für Planung und Organisation ist der blanke Wahnsinn.“