Attendorn. Jens Sonderkamp vertritt den Vater des Kindes, das jahrelang im Haus der Großeltern in Attendorn versteckt wurde. Der Rechtsanwalt wird deutlich.
Im Fall des achtjährigen Mädchens, das jahrelang von seiner Mutter im Haus der Großeltern am Grafweg in Attendorn versteckt wurde, erhebt Rechtsanwalt Jens Sonderkamp massive Vorwürfe gegen das Kreisjugendamt. Der auf Familienrecht spezialisierte Anwalt vertrat den Vater bereits im Jahr 2015 im Sorgerechtsverfahren und steht dem 48-jährigen Attendorner nun erneut zur Seite. Sonderkamp wehrt sich gegen den möglicherweise entstandenen Eindruck, sein Mandant sei nicht Opfer, sondern Täter.
Im Kern wirft Sonderkamp dem Jugendamt vor, sich seiner Verantwortung zu entziehen. Ein Vorwurf, den das Jugendamt um Leiter Michael Färber nicht stehen lassen will und schriftlich auf Nachfrage erklärt: „Im Jugendamt werden die internen Prozesse und Abläufe regelmäßig geprüft und wo nötig verbessert. Dazu wird immer wieder externe Unterstützung in Anspruch genommen. Auch in diesem Fall wurden dazu Schritte eingeleitet.“
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Dass der Vater all die Jahre nicht mit letzter Konsequenz versucht habe, das Kind zu besuchen, erklärt der Anwalt der Attendorner Kanzlei Dr. Sangermann, Kröning und Partner mit dem großen Frustrationsgrad seines Mandanten. „Gegen wie viele verschlossene Türen musst du laufen, bis sich endlich eine öffnet?“, fragt Jens Sonderkamp. Sein Mandant habe irgendwann kapituliert.
Lange Vorgeschichte
Der Anwalt trifft den Vater erstmals im Juni 2015. Damals ist seine Tochter erst wenige Monate alt, der Kontakt vonseiten der Mutter aber schon abgebrochen. „Sie hat auf Anrufe, SMS oder Briefe nicht mehr reagiert, und wir haben damals schon klar gemacht, dass die Mutter eine Kontaktaufnahme blockiert. Angeblich, weil mein Mandant unzuverlässig, egoistisch und gesundheitlich angeschlagen sei“, erinnert sich Sonderkamp.
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Ein sogenannter Verfahrenspfleger wird eingeschaltet, der mit beiden Seiten spricht und sowohl Sonderkamp als auch dem Gericht signalisiert, dass die Mutter einigungsbereit sei. Im Juli 2015 kommt es zur ersten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht – mit einer laut Sonderkamp plötzlichen Kehrtwende der Mutter: Sie würde mit ihrer Tochter nach Italien umziehen und sei nur noch wegen des Gerichtstermins hier. „Wir haben sofort nach der Verhandlung ein Sorgerechtsverfahren eingeleitet, und direkt am nächsten Tag wurde das Sorgerecht beiden Eltern übertragen.“ Man habe eine konkrete Adresse aus Italien bekommen, wohin Mutter und Kind verziehen wollten. „Doch das war ein Scheinumzug“, ist sich Sonderkamp sicher und erklärt, dass das Gericht auf die zahlreichen schriftlichen Fragen an die Mutter – etwa, ob sie das Kind in Italien in einem Kindergarten angemeldet habe und wie sie gedenke, den Unterhalt zu finanzieren – keine Antworten mehr erhalten hat.
Mutter wird abends gesehen
Die Zweifel an dem Umzug, den Mutter und Tochter beim Einwohnermeldeamt der Stadt Attendorn anzeigen, wachsen, so der Anwalt, als im Herbst 2016 die Mutter abends in Attendorn gesehen wird. „Darüber hinaus wurde die Oma beim Windelkauf gesehen“, erklärt Sonderkamp. Es folgt ein unangekündigter Besuch des Jugendamtes im großelterlichen Haus. Ohne Erfolg, die Mitarbeiter sehen keinerlei Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung und gehen nach einem kurzen Gespräch mit der Oma davon aus, dass Kind und Mutter in Italien leben. Weil das Amt keinen richterlichen Beschluss besitzt, in das Haus zu gehen, machen die Mitarbeiter vor der Haustür kehrt. „Die Hausbewohner ermöglichten den Zutritt nicht, und für ein Betreten des Hauses gegen deren Willen hatte das Jugendamt keine Handhabe“, erklärt Stefanie Gerlach, Sprecherin des Kreises Olpe.
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Für Jens Sonderkamp ist klar: Die Alarmglocken hätten jetzt klingeln müssen. Er sieht ein Behördenversagen: „Wie kann man denn der Oma noch glauben, wenn sie beim Windelkauf in der Stadt gesehen wird? Warum hat das Jugendamt in Kenntnis der Umstände nicht den internationalen Sozialdienst oder das Justizministerium eingeschaltet?“, fragt sich der Anwalt. Genau diese Institutionen habe er selbst damals nämlich kontaktiert. Bis zum Ende verfolgte er diese beiden Ansätze nicht, da der Vater keinen Sinn mehr in weiteren Nachforschungen gesehen und resigniert habe. „Das Jugendamt hat von sich aus rein gar nichts unternommen“, ärgert sich der Anwalt. Tatsächlich nicht? Die Antwort vom Kreis ist eindeutig: Man habe verschiedene Recherchen durchgeführt, über die auch öffentlich berichtet wurde. „Es stellt sich die Frage, warum der Anwalt seine Rechercheergebnisse dem Jugendamt nicht zur Verfügung gestellt hat.“
Keine Notwendigkeit gesehen
Zeitsprung. Das Amt, so Sonderkamp, habe auch vier Jahre später, nach dem Eingang eines weiteren anonymen Hinweises im Oktober 2020 und einem erneuten, erfolglosen Besuch am Grafweg das Ausmaß dieses Falles nicht erkannt. „Es ist lächerlich, dass der Vater selbst nach diesem Hinweis vom Jugendamt nicht kontaktiert wurde. In Extremfällen wie diesem hätte das Jugendamt viel eher reagieren können und spätestens im Oktober 2020 auch müssen.“ Warum hat das Amt den Vater nicht kontaktiert?, fragt der Anwalt. Kreis-Sprecherin Stefanie Gerlach dazu: „Der Bezirkssozialdienst hatte aufgrund seiner Recherchen keine Zweifel, dass sich die Kindesmutter mit Kind in Italien aufhielt, so dass keine Notwendigkeit für eine Kontaktaufnahme mit dem Vater gesehen wurde. Der Kindesvater hat in der Zeit seinerseits keinen Kontakt zum Jugendamt gesucht.“
Rechtsanwalt Sonderkamp kann nur den Kopf schütteln: „Der Vater ist völlig erschüttert und schockiert über die Vehemenz, mit der die Kindesmutter die gemeinsame Tochter jahrelang der Öffentlichkeit entzogen hat.“ Einen Plan für die Zukunft gibt es nicht. Zurzeit lebt das Kind in einer Pflegefamilie außerhalb des Kreises, ohne Kontakt zu seinen Eltern. „Wir wissen heute nicht, wie es mit dem Kind weitergeht und ob es irgendwann zu einer Kontaktaufnahme kommt.“ Der Vater hat in der Zwischenzeit mit einer anderen Partnerin ein Kind bekommen.