Attendorn/Siegen. In dem Fall des versteckten Kindes aus Attendorn hat die Staatsanwaltschaft den Vater vernommen. Seine Aussage spielt eine entscheidende Rolle.
In einer ersten Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft Siegen habe der Kindsvater ausgesagt, er habe es als sinnlos erachtet, sein Umgangsrecht einzufordern, da es ihm ohnehin verweigert würde. Deshalb habe er auch von einer Reise nach Kalabrien in Italien abgesehen, wo sich Mutter und Kind nach deren Aussage 2015 aufhalten sollten. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss am Freitagmorgen im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Aussage des Vaters des achtjährigen Kindes spiele für die Staatsanwaltschaft eine relevante Rolle. Grotthuss, der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Siegen ist: „Dabei geht es darum, die Tätigkeit des Jugendamtes zu beurteilen. Die Fragen sind zu klären, was der Vater wann und wie vorgebracht hat. Hat er überhaupt Kontakt zum Jugendamt gehabt oder nicht? Für uns ist auch wichtig, ob er etwas gewusst hat über den Aufenthaltsort des Kindes. Wie hat er irgendwelche Rechte geltend gemacht und wann?“ In der ersten Vernehmung habe der Mann gesagt, er habe bezüglich des Umgangsrechtes resigniert. Zur Vorgeschichte vor dem Jahr 2015, so Grotthuss, gebe es noch keine Informationen. Auch nicht zur Frage, seit wann das Verhältnis zur Mutter zerrüttet gewesen sei. Grotthuss: „Dazu haben wir noch nichts. Da müsste gegebenenfalls noch nachvernommen werden.“
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Wichtige Aufgabe der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang: „Wir müssen im Nachhinein beurteilen: Waren die Maßnahmen, die das Jugendamt zum damaligen Zeitpunkt getroffen hat, aus damaliger Sicht ausreichend, um den anonymen Hinweisen nachzugehen oder wären andere Maßnahmen zu ergreifen gewesen?“
Dass die Mutter und Großmutter des Kindes nicht zur polizeilichen Vernehmung erschienen seien, sei nicht außergewöhnlich, sondern eher der Normalfall: „Wenn eine polizeiliche Vorladung erfolgt, muss man nicht zwingend erscheinen. Personen, die sich zunächst zum Fall nicht einlassen wollen, erscheinen dann auch nicht.“
Grotthuss bestätigte, dass sich inzwischen offenbar ein Rechtsanwalt gefunden habe, der die Kindsmutter vertrete, den Namen könne er aber nicht mitteilen: „Eine Vollmacht liegt uns noch nicht vor. Wir rechnen damit aber in den nächsten Tagen.“
Zum Stand der Dinge teilte Grotthuss weiter mit, dass man mitten in den Vernehmungen stecke, zudem sei ein Ergänzungspfleger für das achtjährige Kind bestellt. Das sei ein Rechtsanwalt aus dem Kreis Olpe: „Der Ergänzungspfleger vertritt die rechtlichen Interessen des Kindes für die Dauer des strafrechtlichen Verfahrens. Er entscheidet für das Kind, welche prozessualen Rechte ausgeübt werden oder nicht.“ Das Kind müsse beispielsweise begutachtet werden. Dafür benötige man die Bereitschaft des Kindes, mit einem Sachverständigen zusammenarbeiten zu wollen. Es müssten ärztliche Unterlagen angefordert, die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht müsse ebenfalls eingefordert werden. In all diesen Fragen stehe dieser Anwalt dem Kind dann zur Seite. Grotthuss: „Diese Rolle könnte in ähnlich gelagerten Fällen auch das Jugendamt übernehmen, in diesem Fall macht das ein Rechtsanwalt.“ Die Kindsmutter scheide verständlicherweise dafür aus, weil sie selbst Beschuldigte sei.
Das Kind verbleibe indes bei der Pflegefamilie, zu der es gekommen sei, nachdem es aus dem Haus in Attendorn befreit worden sei. Die Bestellung des Ergänzungspflegers habe mit dem Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind nichts zu tun: „Es muss strikt getrennt werden zwischen der familienrechtlichen Seite und dem Strafverfahren.“
Keiner hat Anzeige erstattet
Das Strafverfahren führe ausschließlich die Staatsanwaltschaft von Amts wegen, andere Beteiligte hätten lediglich Anzeige erstatten können, das sei aber nicht der Fall. Zu prüfen sei gegebenenfalls, ob dem Vater das Recht zustehe, als Nebenkläger aufzutreten.
Grotthuss nahm auch Stellung zur Frage, warum es so lange gedauert habe, bis die Nachricht aus Italien in Deutschland eingetroffen sei, dass Mutter und Kind nie dort gemeldet gewesen sei: „Wir befinden uns zwar im 21. Jahrhundert, aber wir müssen in solchen Fällen grenzüberschreitend arbeiten. Wenn ich eine Auskunft aus Italien benötige, muss ich ein förmliches Ersuchen an die örtlich zuständige italienische Staatsanwaltschaft richten, die Ermittlungen veranlasst und uns dann das Ergebnis mitteilt. Und in Italien mahlen die Mühlen recht langsam.“
Welchen behördlichen Weg das Jugendamt wählen müsse, wisse er nicht, aber: „Wenn es in diesem Fall zwei Monate gedauert hat, wäre das aus unserer Erfahrung ein sehr schnelles Ergebnis. Ich habe schon Anfragen nach Italien gestellt, da habe ich die erste Antwort nach drei Jahren bekommen.“
Auf unseren Hinweis, dass man sich doch in einem vereinten Europa bewege, kommentierte Grotthuss: „Davon sind wir in der Hinsicht noch sehr weit entfernt. Es gibt Länder, da bekommen sie eine schnelle Auskunft, es gibt Länder, da bekommen sie eine langsame Auskunft, und es gibt Länder, da bekommen sie überhaupt keine Auskunft.“