Kreis Olpe. Apotheken sollen in Zukunft deutlich mehr an die Krankenkassen zahlen. Viele Apotheker im Kreis Olpe fürchten jetzt um ihre Existenz.

Die gesetzlichen Krankenkassen haben durch die Corona-Pandemie Milliardenverluste gemacht. Nach Angaben des Bundesministerium für Gesundheit lag allein im Jahr 2020 das Defizit bei 2,65 Milliarden Euro, im Jahr 2021 sogar bei 5,8 Milliarden Euro. Um das Minus aufzufangen, hat die Ampelkoalition ein Entlastungspaket – das sogenannte Finanzstabilisierungsgesetz – geplant. Das beinhaltet nicht nur eine Beitragserhebung für gesetzlich Versicherte um 0,3 Prozentpunkte, sondern auch eine Anhebung des Kassenabschlags für Apotheken.

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Konkret sollen in den kommenden zwei Jahren 2 Euro statt bislang 1,77 Euro pro verschreibungspflichtigen Medikament an die Krankenkassen gezahlt werden. Für die Apotheken bedeutet das einen harten Einschnitt: „Das ist vollkommen widersinnig und wird zu weiteren Apothekenschließungen in unserer Region führen“, warnt Ulf Ullenboom, Vorsitzender der Bezirksgruppe Olpe im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) vor Versorgungsproblemen.

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Ulf Ullenboom (rechts), Inhaber der Apotheke am Markt in Olpe, impft Hans-Jürgen Häner mit dem Biontech-Impfstoff. 
Ulf Ullenboom (rechts), Inhaber der Apotheke am Markt in Olpe, impft Hans-Jürgen Häner mit dem Biontech-Impfstoff.  © Britta Prasse | Britta Prasse

Eine solche Kürzung der Honorierung sei für viele Apotheken nur noch schwer bis gar nicht zu verkraften. „Seit neun Jahren hat es keine Erhöhung der Apothekenvergütung mehr gegeben, während im gleichen Zeitraum Sach-, Personal- und Energiekosten stark gestiegen sind. Real also ist das Apothekenhonorar deutlich gesunken“, sagt Ulf Ullenboom. „Zugleich sind uns immer weitere kostenintensive Aufgaben übertragen und bürokratische Steine in den Weg gelegt worden.“

Ullenboom fürchtet, dass sich das Apothekennetz weiter ausdünnen könne. Dabei liege die Apothekendichte in Deutschland schon heute bereits weit unter dem EU-Durchschnitt. Nach aktuellen Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) kamen im vergangenen Jahr 22 Apotheken auf 100.000 Einwohner. Der EU-Durchschnitt lag bei 32 Apotheken pro 100.000 Einwohner. In einer älter werdenden Gesellschaft würden die Apotheken jedoch dringend gebraucht, um die steigende Zahl der Patienten zu versorgen, argumentiert Ullenboom. Im Übrigen sei der Anteil der Apotheken an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen seit Jahren rückläufig: Waren es im Jahr 2005 noch 2,8 Prozent, sind es aktuell 1,9 Prozent. „Allein die Verwaltungsausgaben der Krankenversicherungen sind deutlich höher: Wir sind keine Kostentreiber im Gesundheitswesen“, so Ullenboom.

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Mittlerweile haben fast 3000 Mitarbeiter und Inhaber von Apotheken in Westfalen-Lippe einen Offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister unterschrieben, um gegen die Sparpläne zu protestieren, „viele davon auch aus unserem Kreis“, berichtet Ulf Ullenboom. Er fordert: „Die Politik muss die geplanten Sparmaßnahmen, die die Apotheken betreffen, ersatzlos aus diesem Entwurf streichen.“

Auch Ansgar Otterbach, Inhaber der Clemens-Apotheke in Drolshagen, hat den offenen Protestbrief unterschrieben. „Es sind gerade die kleineren Apotheken auf dem Land, die das spüren werden“, ist sich Otterbach sicher. Was die Abschlagserhöhung für ihn und seine Apotheke finanziell bedeuten wird, hat er sich noch nicht ausgerechnet. Aber: „Wir werden es merken. Und für einige Apotheken bei uns wird das auch existenzbedrohend sein.“ Ob die zunehmende Digitalisierung, die Einführung des E-Rezeptes oder die Unterstützung in der Pandemie mit Masken und Impfen: Es seien viele Aufgaben zum Apotheker-Alltag hinzugekommen, meint Otterbach. „Wir kämpfen an mehreren Fronten gleichzeitig und wissen nicht, wohin die Reise hingeht.“ Höhere Auflagen treffen auf Personalmangel – und in Zeiten einer historischen Inflation nun auf Einnahmeeinbußen.

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„Irgendwann geht der Ofen aus“, warnt auch Lukas Peiffer von der Löwen-Apotheke in Attendorn vor gravierenden Folgen, falls besagter Einschnitt auf seine Branche zukommt. Peiffer: „Schon jetzt haben wir den tiefsten Apothekenschnitt seit den 1970er Jahren in Deutschland. Wir müssen uns irgendwann die Frage stellen, ob ein Geschäftsbetrieb noch rentabel ist.“ Auch im Kreis Olpe, so Peiffer, seien in der jüngeren Vergangenheit Apotheken von der Bildfläche verschwunden, in Attendorn zuletzt die Hirsch-Apotheke. Und dieser Trend könnte sich fortsetzen, wenn eine Kürzung der Honorierung erfolge.

>>> EINSPARUNGEN IN HÖHE VON 170 MILLIONEN EURO

  • Mit der Abschlagserhöhung von 1,77 auf 2 Euro will die Bundesregierung in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt 170 Millionen Euro einsparen.
  • Auch andere Berufssparten sind von der Finanzreform betroffen. So soll die Extra-Honorierung für Neupatienten in Arztpraxen entfallen, der Honorarzuwachs für Zahnärzte soll begrenzt werden.
  • Am 20. Oktober soll das Gesetz in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beraten werden.