Attendorn. Das Großbau-Projekt verzögert sich weiter. Wie jeder private Bauherr kämpft die Stadt mit den Problemen im Bausektor – und muss improvisieren.

Das Dilemma kennt jeder private Bauherr, der vergeblich darum bemüht ist, sein Projekt in den eigenen vier Wänden auf die Zielgerade zu bekommen: Aufgrund fehlender Materialien und Handwerker sowie steigender Baukosten zieht sich die Fertigstellung wie Kaugummi. Der Stadt Attendorn geht es beim Bau des neuen Alten Bahnhofs, für die Hansestadt ein echtes Prestige-Projekt, nicht anders. In das neue Gebäude direkt hinter dem Bahnhof werden das Jugendzentrum vom Heggener Weg, ein Bürgerzentrum mit Veranstaltungssaal und Gruppenräumen sowie eine Gaststätte einziehen. Nur wann?

Gebäudemanager Ludger Gabriel würde zwar gerne ein fixes Eröffnungsdatum nennen, er kann es mit Blick auf die aktuell äußerst angespannte Lage im Bausektor aber nicht. Frühestens Ende Oktober sei die Stadt in der Lage, eine Prognose zur Eröffnung abzugeben, die ursprünglich für dieses Frühjahr vorgesehen war. Wenn bis dahin keine unvorhersehbaren Probleme mehr auftreten sollten, wie vor einigen Monaten mit dem Schimmel unter dem Dach. Oder zuletzt mit den Estrich-Arbeiten.

Nur ein Angebot bekommen

Denn als die Stadt eine öffentliche Ausschreibung für das Gewerk Estricharbeiten auf den Markt brachte, gab lediglich ein Fach-Unternehmen aus dem Rheinland ein Angebot ab, was die Stadt mangels Alternativen annahm und den Auftrag vergab. Zur Ausführung kam es allerdings nie, die Rheinländer blieben der Hansestadt konsequent fern. „Wir haben mehrfach versucht, das Unternehmen auf die Baustelle zu bekommen“, erklärt Gabriel im Gespräch mit dieser Redaktion.

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Doch die Versuche verpufften und bis heute weißt der Gebäudemanager nicht, warum der beauftragte Estrich-Leger fern blieb. Die Stadt musste dem Unternehmen daher den Auftrag formal wieder entziehen und nach Ersatz Ausschau halten. Durch diesen Ärger verlor sie zehn Wochen. „Das ist vor allem für das Jugendzentrum und unsere Gastronomie-Pächterin sehr bitter. Sie stehen da und bekommen von uns keine Auskunft. Das tut mir unglaublich leid, nur sind uns die Hände gebunden“, weiß Gabriel, dass nicht nur die Stadt unter dem Bau-Verzug leidet.

Schade, aber keine Katastrophe

Bereits Anfang des Jahres packten die Mitarbeiter des Jugendzentrums die ersten Kisten für den Umzug. Gut verstaut stehen sie seitdem am Heggener Weg und warten darauf, den Weg in den Alten Bahnhof zu finden. Natürlich sei es schade, dass die Jugendlichen ihr neues Jugendzentrum noch nicht einweihen konnten, eine Katastrophe ist es laut Jugendzentrumsleiter Helge Staat aber nicht: „Wir sind seit Jahrzehnten hier am Heggener Weg und können die Räumlichkeiten weiterhin uneingeschränkt nutzen.“ Ein Problem sieht der Leiter allerdings doch: Das Jugendzentrum hatte bereits ein Umzugsunternehmen beauftragt, das nun frühestens im November wieder anrücken könne und zudem sechs bis acht Wochen Vorlauf-Zeit brauche. Da drohe ein Organisations-Chaos.

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Ein großes Problem ist laut Ludger Gabriel, dass derzeit kaum Wettbewerb bei den öffentlichen Ausschreibungen festzustellen sei. Ein bis maximal drei Handwerker würden sich pro Gewerk bewerben, da fehle der Wettbewerb, was nicht nur, aber sicherlich auch an der Größe der Baumaßnahme liegt. „Ich erhebe gar keinen Vorwurf, denn auch den Unternehmen fällt es aktuell extrem schwer zu kalkulieren, wie es weitergeht. Wir können schon froh sein, wenn wir überhaupt Bewerber bekommen“, sagt er. Hinzu kommt für die Stadt, dass sie bei den explodieren Baukosten wie jeder andere Bauherr „nur zuschauen kann“, wie es Gabriel formuliert. Soll heißen, dass man im Rathaus aktuell mit Kostensteigerungen in Höhe von rund 20 Prozent rechnet und die einst kalkulierten 5,3 Millionen Euro für das Gebäude Alter Bahnhof in weite Ferne gerückt sind.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Einen Ersatz für den ferngebliebenen Estrich-Leger aus dem Rheinland fand die Stadt dann doch und seit Ende letzter Woche liegt der Estrich tatsächlich schon im neuen Alten Bahnhof. Daher können nun die Lüftungen eingebaut werden und die Trockenbauer ihre Arbeit aufnehmen. Und vielleicht kann Ludger Gabriel im Herbst dann auch verlässlich Auskunft geben, wann der Alte Bahnhof endlich bezugsfähig ist.