Olpe/Attendorn. Im Verfahren am Schöffengericht Olpe werden pikante Vorwürfe bekannt. „Da springen die Häftlinge abends über die Mauer und holen sich Alkohol.“
Um Straftaten im Gefängnis ging es am Freitag im Olper Schöffengericht. Auf der Anklagebank saßen ein Justizvollzugsbeamter und zwei Häftlinge. Der Vorwurf lautet Bestechlichkeiten. Der Beamte soll sich als Amtsträger einen Vorteil für sich verschafft und die Dienstpflicht verletzt haben, so Staatsanwältin Dr. Franziska Walther in der Anklage.
Dreimal zwischen 20. und 28. Dezember 2018 soll der Beamte im offenen Vollzug dem Häftling (42) aus Köln ermöglicht haben, die JVA Attendorn gegen 23 Uhr zu verlassen und um 4 Uhr zurückzukehren. Zweimal soll der Justizvollzugsbeamte dafür 200 Euro kassiert haben, insgesamt 500 Euro. Der mitangeklagte Häftling (37) aus Lüdenscheid soll den 42-Jährigen beim Verlassen der JVA unterstützt haben. „Er stand Schmiere und war bei der Überwindung der Sicherheitshilfe behilflich“, sagte die Staatsanwältin.
Zwei Angeklagte schweigen
Während der ehemalige Justizvollzugsbeamte und der 42-Jährige zu den Vorwürfen schwiegen, war der 37-Jährige kaum zu bändigen. Er redete wie ein Wasserfall: „Warum soll ich schweigen? Das ist so ein Quatsch. Ich habe viel zu erzählen.“ Und dann ließ er kein gutes Haar an der Attendorner JVA: „Das ist kein Gefängnis, das ist ein Tratschknast. Jeder will jeden in die Pfanne hauen. Ich habe das gehört von dem Ausbruch. Natürlich habe ich so etwas nicht getan.“ Es sei doch auch nicht nachvollziehbar, dass ein Justizbeamter auf diese Weise seine Arbeit riskiere: „Für 200 Euro? Das ist doch kein Betrag.“
Zur Frage des Richters nach Gesprächen mit einem Handy in der JVA, sagte der Angeklagte: „Ja, ich hatte ein Handy drin. Meine Frau war im neunten Monat schwanger. Ich war neugierig, wann das Kind kommt. Das ist doch keine Straftat. Weil die von der Polizei nicht in der Lage waren, den Code zu knacken, habe ich ihnen den auch noch freiwillig gegeben.“
Den Vorwurf, dass er Schmiere gestanden habe, wies er vehement zurück: „Meine einzige Arbeit im Gefängnis war zu trainieren. Ich war von morgens bis abends im Fitnessstudio und habe Hanteln gestemmt. Ich habe auch Aggressionspotentiale.“
Weiter berichtete der Angeklagte: „Da springen die Häftlinge abends über die Mauer, holen sich Alkohol an der Tankstelle und kommen zurück. Die kiffen da auch. Die rauchen Drogen, die nicht im Urin rauskommen.“ Und dann meinte der Angeklagte: „Ich habe mich nur für mich interessiert. Entschuldigung, wenn ich das sage: Der ganze Knast ist behindert, Inzucht.“
Als Zeugin hörte das Gericht dann eine Justizvollzugsbeamte, bei der damals zwei andere Häftlinge über die Taten berichtet hatten. Danach hätten beide Angeklagte mit Hilfe eines Kollegen die JVA über Nacht verlassen. Beide hätten damit auch gegenüber anderen Häftlingen geprahlt. „Es wurde gesagt, sie hätten die Anstalt verlassen, um eine Spielhalle zu überfallen. Das hätte aber nicht geklappt. Das war nicht, um mal eben Bummeln zu gehen“, sagte die Justizvollzugsbeamtin. Sie habe das dann der Anstaltsleitung gemeldet.
Die beiden als Zeugen geladenen Ex-Häftlinge aus Siegen und Köln, die die Angaben bei der Justizvollzugsbeamtin gemacht hatten, erschienen nicht im Olper Gericht. Auf Antrag der Staatsanwältin verhängte Richter Richard Sondermann gegen die beiden Männer jeweils 150 Euro Ordnungsgeld oder ersatzweise drei Tage Ordnungshaft. Sie sollen jetzt am nächsten Verhandlungstag am 13. September polizeilich vorgeführt werden.
Fortsetzung am Dienstag
Dann soll auch die Frau des 37-jährigen Angeklagten gehört werden. Der war zunächst völlig verwundert: „Ach, bin ich dann auch wieder hier?“ Seine Frau habe aber nichts auszusagen, betonte er: „Wir haben zwei Kinder, die müssen vom Kindergarten abgeholt werden. Wenn wir beide hier sitzen, ist das sinnlos.“ Falls seine Frau dem Gericht mitteile, dass sie von ihrem Schweigerecht Gebrauch mache, brauche sie nicht zu kommen, sagte der Richter. „Ok, dann gebe ich das so weiter“, erwiderte der Angeklagte.
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Er höre nur drei Prozent durch die Scheiben, kritisierte der 37-Jährige und packte an die Trennscheiben aus Plexiglas im Gerichtssaal. „Die sind aus Infektionsschutzgründen da“, klärte Sondermann auf. Als dann die letzte Zeugin beim Richter ihren Zettel für Unkosten und Verdienstausfall abholte, meinte der Angeklagte: „Kriegen wir auch Geld?“ Dann war der erste Verhandlungstag vorbei. Fortsetzung am Dienstag.