Attendorn. Die Stadt Attendorn möchte ab 2023 ihre vier Wälle, auch grüne Promenade genannt, aufwerten. Doch was geschieht mit den vielen Bäumen?

Als grüne Lunge mit einem prägenden und einzigartigen Baumbewuchs beschreibt die Stadt Attendorn ihren historisch gewachsenen Wall um die Innenstadt, auf dem einst die Stadtmauern gebaut waren. „Er ist unsere einzige Schatten- und Luftoase im heißen Sommer. Wir brauchen diese Bäume, auch als Äquivalent zur Innenstadt, in der so viel Geld in Steine investiert wurde“, erklärt Birgit Haberhauer-Kuschel (CDU) mit Blick auf die Baumaßnahmen in der Innenstadt, die seit geraumer Zeit umgebaut wird. Dass sich Politik und Verwaltung überhaupt mit dem Zustand und der Zukunftsfähigkeit der Linden entlang der grünen Promenade beschäftigen müssen, hängt mit dem Konzept zur Innenstadtentwicklung zusammen.

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Denn genau dieses Schriftstück schreibt eine Aufwertung dieses Rundweges vor. Ein Rundweg, der viele Funktionen übernimmt. Er dient als wichtige Wegeverbindung und ist gleichzeitig ein Korridor für sämtliche Versorgungsleitungen. Er ist Lebensraum für Pflanzen und Tiere, genauso dient er als Zuwegung zu diversen Wohnungen, Praxen, Geschäften etc. Der Wall ist stadtbildprägend und soll dies auch in Zukunft sein. Deshalb stellt er die Verantwortlichen aus Stadt und Rat vor die extrem knifflige Frage: Wie viele der teils arg beschädigten Linden müssen von der Promenade verschwinden? Droht den Bürgern dieser Stadt der komplette Baum-Kahlschlag gerade im Bereich des Ostwalls zwischen Wasserstraße und Niederste Straße, wo die Hälfte der 30 Bäume als nicht mehr vital gelten? Oder bleiben auch die Bäume, die durch verschiedene bauliche Eingriffe in der Vergangenheit immer mehr geschädigt wurde, erhalten?

Verschiedene Szenarien

Eine Antwort auf diese Frage gibt es noch nicht, dafür aber einen politischen Konsens: Nach langer und intensiver Diskussion hat sich die Attendorner Politik im zuständigen Ausschuss am Montagabend auf einen gemeinsamen, vor allem den Bürgern gegenüber vertretbaren Weg verständigt: Jeder einzelne Baum, vor allem am Ostwall, unterzieht sich einer Einzelbetrachtung und erst danach wird entschieden: Hop oder top?

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Dennoch scheint klar: „Einen Kuschelkurs mit den Bäumen wird es nicht geben“, zeigt Diplom-Ingenieur Klaus Schulte vom Büro B.S.L. Landschaftsarchitekten das Dilemma auf, dem sich die Verantwortlichen in Attendorn nicht entziehen können. Das wird in den Szenarien der Machbarkeitsstudie, von den Fachleuten aus Soest ausgearbeitet, mehr als deutlich. Fällt die Stadt alle Bäume, die nicht auf privatem Grundstück stehen, kann sie nach idealen Standorten für neu zu pflanzende Bäume Ausschau halten – und im Vorfeld sämtliche Leitungen für Gas, Strom, Internets, Abwasser etc. so verlegen, dass den neuen Bäumen genügend Platz zur Entfaltung eingeräumt wird. Doch würde ein solch radikale Eingriff in die Natur eine öffentliche Akzeptanz finden? Wohl kaum, sagt nicht nur Gregor Stuhldreier (SPD): „Gerade wenn wir sehen, wie viel Wald bei uns im grünen Sauerland zuletzt abgeholzt wurden.“ Noch im vergangenen Jahr sorgten zudem Linden-Fällungen am Wassertor, die dem neuen Stadteingang zum Opfer fielen, für großes Entsetzen nicht nur bei den umliegenden Nachbarn.

Perfekte Lösung gibt es nicht

Dann doch lieber eine Einzelfall-Entscheidung, die den Erhalt des „vertrauten und identitätsstiftenden Stadtbildes“ schafft und nicht so gravierende Auswirkungen auf die Öko-Bilanz hätte. Eine perfekte Lösung wird aber auch diese Vorgehensweise nicht sein. Hier eine Linde stehen lassen, fünf Meter weiter den Baum fällen und den nächsten wieder unberührt lassen – bei einem solchen Flickenteppich werden die Tiefbauer und die Versorger, die maßgeblich an der Neugestaltung der Wälle ab 2023 beteiligt sein werden, kaum mitspielen. Nächstes Problem: „Wenn wir die Leitungen nicht verlegen, dann werden wir auch keine neuen Bäume pflanzen können“, betont Baudezernent Carsten Graumann. Was er damit andeuten will: Verspielt die Stadt mit Blick auf die nächsten Generationen eine Chance, die eine komplette Neugestaltung des Ostwalls inklusive neuer Leitungen und neuer Bäume mit sich bringen könnte?

Förderantrag bis September

Die Stadt Attendorn möchte für die angedachte Umgestaltung der vier Wälle Fördermittel bei der Bezirksregierung beantragen. Dazu braucht es jedoch eine Entwurfsplanung samt zugehöriger Kosten, weshalb sich Stadt und Politik nun auch gezielt die Frage stellen: Was geschieht mit den vielen Bäumen? Der Förderantrag muss bis Ende September fertig sein.

Eine klares Nein kommt von Matthias Pröll. „Wir lehnen einen Kahlschlag am Ostwall komplett ab. Unsere vier Wälle haben eine besondere Bedeutung für unsere Bürger“, so der Grünen-Politiker. Es wird am Ende wohl auf einen Kompromiss hinauslaufen. Damit die grüne Lunge auch das bleibt, was sie für die Bürger ist: Ein Ort mit einem einzigartigen Baumbestand.