Attendorn. Anwalt Christoph Hilleke (61) aus Attendorn erklärt, warum er an „Corona-Spaziergängen“ teilnimmt. Er gibt Einblicke abseits des Mainstreams.

Es ist ein Gespräch, das aufwühlt. Schwindelerregend und schmerzhaft. Hier treffen zwei gegensätzliche Wahrnehmungen aufeinander. Christoph Hilleke (61) ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Attendorn. In seiner beruflichen Laufbahn hat er Hunderte Mandanten vertreten. Auch auf dem Gebiet des Strafrechts. Er kennt das deutsche Rechtssystem. Und sagt gleichzeitig: „Wir leben nicht mehr in einem Rechtsstaat.“ Er hat schon im April 2020 gegen die erste Coronaschutzverordnung Verfassungsbeschwerde erhoben – ohne Erfolg. Christoph Hilleke ist systemkritisch geworden. Und seit Kurzem „Corona-Spaziergänger“.

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Quellen abseits des „Mainstreams“ hält er für vertrauenswürdig

„Es sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die spazieren gehen. Diejenigen, die sich Gedanken gemacht und gemerkt haben, dass etwas nicht stimmt“, meint Hilleke. Viele von ihnen hätten in den vergangenen zwei Jahren den Eindruck gehabt, allein mit ihrer Meinung abseits des Mainstreams zu sein. Durch die Spaziergänge demonstrieren sie jetzt aber, dass sie doch nicht alleine sind. Sie fühlen sich verbunden. Bestätigt.

Hilleke verurteilt den Corona-Kurs, den Deutschland eingeschlagen hat. „Im Mainstream werden die wesentlichen Fakten unterschlagen“, ist er überzeugt. Es kämen nur diejenigen zu Wort, die eine Pandemie „herbeireden“ würden. Dazu gehören nach seiner Auffassung auch das RKI und Virologen wie Christian Drosten. „Es hat nie eine Covid-19-Pandemie gegeben“, behauptet Hilleke. „Wolfgang Wodarg, der damals die Schweinegrippe zu Fall brachte, hat es schon zu Beginn der ‚Plandemie‘ gesagt: ‚Hört auf zu testen und die Pandemie ist vorbei!’ Ein PCR-Test kann keine Infektion nachweisen.“ Die Aussagen des Arztes sind umstritten, Fakten und Spekulationen sind häufig durchmischt.

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So etwas höre man nicht im Mainstream, sondern nur in alternativen Medien, sagt Hilleke. Dass diese Medien mitunter von der Sozialpsychologin Pia Lamberty als Verbreiter von Verschwörungstheorien bezeichnet werden, stört ihn nicht. Auch den Mikrobiologen Sucharit Bhakdi hält Hilleke für vertrauenswürdig. Bhakdi geriet zuletzt mit einem Video (Titel: „Der Beweis ist da: Impfung zerstört Immunsystem“) in die mediale Kritik.

Zweifel am Corona-Virus selbst und an der Übersterblichkeit

Weil sich Hilleke anders informiert, kommt er zu anderen Schlüssen. „Wenn wir uns in einer Pandemie befinden würden, dann müsste es in 2020 eine Übersterblichkeit gegeben haben.“ Die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes würden das aber widerlegen. Er behauptet, dass das SARS-CoV-2-Virus bis heute nicht isoliert und sequenziert worden sei, die Koch’schen Postulate bis heute nicht erfüllt seien. Es habe seiner Erkenntnis nach bis heute keine Überlastung des Gesundheitssystems wegen Covid-19 gegeben. Bei den nach Fallpauschalen abrechnenden Krankenhäusern seien 2020 nur 1,9 Prozent der Patienten positiv auf Corona getestet worden, auf den Intensivstationen seien es nur 3,4 Prozent gewesen. Gleichzeitig seien seit Beginn der Pandemie deutschlandweit um die 10.000 Intensivbetten abgebaut worden. Das ergebe sich aus den Zahlen des Divi-Intensivregisters.

Für seine Überzeugung geht der 61-Jährige auf die Straße. In Attendorn, aber auch in Olpe sei er schon bei „Spaziergängen“ dabei gewesen. „In Olpe bin ich mitgelaufen, nachdem ich gehört hatte, dass eine Hundertschaft vor Ort war. So eine Einschüchterung seitens der Polizei darf es nicht geben“, meint er. Er hofft, dass die „Spaziergänge“ aufrütteln, „dass es ‚klick‘ macht“.

„Spaziergang“ mit Rechten: „Ich kenne niemanden davon“

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Die Sorge, dass sich die „Spaziergänge“ radikalisieren könnten, hält er für „völligen Unsinn“. Denn jeder, der sich während des „Spaziergangs“ außerhalb der demokratischen Mitte positionieren würde, werde sofort von der Gruppe zurechtgewiesen. „Egal ob links- oder rechtsradikal: Sobald jemand bei solchen Veranstaltungen ein Transparent zeigen würde, wäre ich der erste, der es ihm entreißen würde“, betont Hilleke. Gleichzeitig könne man Menschen mit solchen politischen Ansichten aber nicht prinzipiell von einem „Spaziergang“ ausschließen. Dass Mitglieder der rechtsextremen Kleinstpartei „Dritter Weg“ in Olpe dabei waren, kommentiert Hilleke mit: „Ich wusste gar nicht, dass es die gibt. Ich kenne niemanden davon.“

Er beteuert, dass er auch niemanden von den Organisatoren der „Spaziergänge“ kenne. Warum man diese nicht mindestens 48 Stunden vorher bei der Polizei anmelde? „Die Juristen streiten sich, ob ein Spaziergang eine Versammlung bzw. ein Aufzug im Sinne des Versammlungsrechtes ist. Wenn ein Spaziergang angemeldet würde, bestünde die Gefahr, dass er verboten wird.“

Hilleke wünscht sich, dass das Rechtssystem komplett von der Politik entkoppelt werde. Ihm fehlt es an Neutralität und Unvoreingenommenheit. Die meisten gerichtlichen Entscheidungen fußen seiner Ansicht nach auf fehlender Information. Es gehe aktuell insbesondere um die Verhinderung eines „völlig unsinnigen Impfzwangs“. Deswegen gingen er und immer mehr Menschen „spazieren“. Er kämpft. Irgendjemand müsse es ja machen.

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Dass „Corona-Spaziergänge“ bislang nicht angemeldet wurden, weil man ein Verbot befürchtet habe, hält Stephan Clemens von der Pressestelle der Kreispolizeibehörde Olpe für ein vorgeschobenes Argument. „Es ist zu vermuten, dass mit ‚Fake News‘ bewusst versucht wird, die Regelung des Versammlungsgesetzes zu umgehen. Offenbar besteht hier die Absicht, ‚dem Staat‘ und seinen Organen aufgrund einer gewissen ‚Politikverdrossenheit‘ oder anderer Gründe zu zeigen, dass man nicht bereit ist, sich an die staatsbürgerlichen Pflichten zu halten – wenngleich man die Rechte als Staatsbürger aus dem Versammlungsgesetz einfordert“, so Clemens. Versammlungen unter freiem Himmel seien lediglich anmeldepflichtig, nicht aber genehmigungspflichtig.

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Verbot nur bei konkreter Gefährdung

Die Anmeldepflicht – spätestens 48 Stunden vor dem Ereignis – habe lediglich den Grund, dass sich die Polizei auf eine solche Versammlung vorbereiten könne, um Gefahren für die Versammlung oder Dritte zu erkennen. In diesem Zusammenhang sei es üblich, dass ein „Kooperationsgespräch“ mit dem Versammlungsanmelder stattfinde. Dabei können Beschränkungen auferlegt werden, um die Gefahren zu minimieren. Beschränkungen könnten zum Beispiel sein, dass Laufwege vorher festgelegt werden, um eine Gefährdung im Straßenverkehr für Teilnehmer zu minimieren. Auch ein Alkoholverbot oder ein Fackelverbot wegen der davon ausgehenden Brandgefahr können darunter fallen. „Nur bei einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann eine Versammlung vor ihrem Beginn verboten oder nach Veranstaltungsbeginn aufgelöst werden“, erklärt Clemens. Diese Gefährdung habe bei den „Corona-Spaziergängen“ bislang jedoch nicht vorgelegen.

Maskenpflicht bei „Sternenmarsch“

Bisher galt bei den Versammlungen unter freiem Himmel keine Maskenpflicht. Das hat sich mit der neuen Coronaschutzverordnung geändert, die am Donnerstag in Kraft getreten ist. Bei dem angemeldeten „Sternenmarsch“ am morgigen Samstag in Olpe rechnet der Anmelder laut Polizei mit mehreren hundert Teilnehmern. „Wir werden es bei den neuen Vorgaben aus der Coronaschutzverordnung nicht zulassen können, dass Unmaskierte mitgehen“, betont Clemens. Gleichzeitig könne man wegen der Ordnungswidrigkeiten nicht ohne Weiteres die Versammlung auflösen. „Möglicherweise müssen wir also Teilnehmer separieren, ausschließen und entsprechende Anzeigen schreiben, falls es zu solchen Verstößen kommt.“ Die Kreispolizeibehörde werde Personal „in angemessener Stärke einsetzen und nötigenfalls Unterstützung durch zusätzliche Polizeikräfte anfordern“. Gleichzeitig hat die Initiative „Olpe gegen Rechts“ eine öffentliche Kundgebung am Kurkölner Platz angekündigt.