Meggen. Simone Kohzer aus Meggen ist IHK-geprüfte Sommelière, gründete 2019 „Weinwissen Sauerland“. Sie erklärt, worauf es bei einem guten Wein ankommt.

Ist er noch pink oder schon lachsfarben? Bilden sich beim Schwenken kleine Fenster am Glas? Riecht es eher nach roter oder schwarzer Johannisbeere? Schmeckt es süß oder leicht säuerlich? Ein Glas Wein zu trinken kann nicht nur Genuss, sondern auch ein Erlebnis sein. Das ist zumindest Simone Kohzers Anspruch. Die 53-Jährige aus Meggen ist IHK-geprüfte Sommelière und hat sich 2019 mit „Weinwissen Sauerland“ selbstständig gemacht. Seitdem schult sie Gastronomie-Personal in der Region und veranstaltet Wein-Events für Privatgruppen. „Das Faszinierende an der Weinwelt ist, dass sie so facettenreich ist“, sagt Simone Kohzer. Und durchaus überraschend.

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Wein-Leidenschaft entwickelte sich im eigenen Bio-Laden in Altenhundem

Die Faszination für Wein hat sich bei Simone Kohzer schon früh entwickelt. Mit gerade einmal 21 Jahren machte sie sich mit dem Bioladen „Natur Pur“ in Altenhundem selbstständig. „Schon zu der Zeit hatte ich meinen Schwerpunkt im Bereich Feinkost, Käse und Wein“, erzählt Simone Kohzer. Irgendwann habe sie mal angefangen, Weinproben anzubieten. Durchaus erfolgreich, sodass sie teilweise mit Wartelisten arbeiten musste. 2011 verkaufte sie das Geschäft. Doch die Leidenschaft für Wein blieb.

„Mein Mann, die Kinder und ich sind 2015 nach Brunssum in die Niederlande gezogen, wo mein Mann eine Stelle als Leiter der NATO-Schule antrat. Die Zeit im Ausland habe ich genutzt, um mich auf dem Wein-Gebiet weiter fortzubilden“, sagt Simone Kohzer. Sie meldete sich an der deutschen Wein- und Sommelierschule in Koblenz an, die sie 2018 mit dem IHK-Zertifikat Sommelière verließ. Noch im selben Jahr kehrte die Familie nach Meggen zurück.

Sensorische Eindrücke hängen von Erinnerungen und Erfahrungen ab

Die Ausbildung umfasste vier Module: allgemeine Getränkekunde, betriebswirtschaftliche Grundlagen, Weinkunde sowie Weinverkauf und Weinempfehlung. Auf eine zweitägige, schriftliche Prüfung folgten die sensorische Prüfung und das Fachgespräch. Was theoretisch klingt, wurde durchaus praktisch vermittelt. „In den Sensorik-Seminaren wurden unter anderem auf Tellern Zutaten wie Vanillestangen, Mango- oder Bananenstücke serviert. Dazu wurde der bewertende Wein gereicht. Wenn man zuerst an dem Wein und anschließend an den einzelnen Zutaten gerochen hat, entstanden Verknüpfungen im Kopf“, so Kohzer. Verknüpfungen, die bis heute abrufbar sind. „Wenn ich jetzt an einem Riesling rieche, habe ich sofort die Assoziation mit Apfel und Birne im Kopf. Das Spannende ist aber, dass jeder andere Verknüpfungen hat, bedingt durch die individuellen Erfahrungen und Erinnerungen.“

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Das bedeutet: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Eine Hilfe bei der sensorischen Bewertung kann aber zum Beispiel ein sogenanntes Aromarad sein. Das gibt es für Weiß- und Rotweine. Der mittlere Ring gibt dabei die Kriterien Geschmack, fruchtig, blumig, pflanzlich, würzig, karamellisiert, rauchig und mikrobiologisch vor. Jede dieser Kategorien fächert sich weiter auf, sodass detaillierter unterschieden werden kann. „Und wenn man sich intensiver mit der Sensorik beschäftigt, kann man den Wein-Eindruck noch genauer beschreiben. Ob ich zum Beispiel Birnen-Kompott oder eine frische Birne wahrnehme.“

Mithilfe solcher Aromaräder lassen sich die Eigenschaften von Rot- und Weißwein detaillierter bestimmen.
Mithilfe solcher Aromaräder lassen sich die Eigenschaften von Rot- und Weißwein detaillierter bestimmen. © Britta Prasse

Einen Lieblingswein hat Simone Kohzer nicht. Dafür sei die Weinwelt zu facettenreich und spannend, um sich auf einen festzulegen. „Aber ich liebe Schaumwein“, sagt sie. Deswegen hat sie 2020 zusätzlich den Fachsommelier Champagne gemacht. Ob als Aperitif, als Begleitung zum Hauptgang oder als Dessert-Abrundung: „Ein Schaumwein geht immer“, ist Simone Kohzer überzeugt.

Kriterien für einen qualitativ guten Wein

Aber: Was macht einen guten Wein überhaupt aus? Tatsächlich gibt es dafür messbare Kriterien. Kriterien, die die Meggenerin regelmäßig bei ihrer Arbeit in einem sensorischen Labor in Köln anwendet, das sich auf Genussmittel spezialisiert hat. Ein Wein kann beispielsweise maximal 100 Punkte auf der Bewertungsskala erreichen.

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„Zunächst geht es um das Visuelle: Wie präsentiert sich der Wein? Welche Farbtiefe hat er? Allein in dieser Kategorie kann der Wein zwischen 0 und 12 Punkten erreichen. Ist er blass wie ein Prosecco? Dann erreicht der Wein zwischen 4 und 5 Punkten. Ist es ein gereifter Riesling, dann hat er in dieser Kategorie meist schon 8 Punkte.“ Im nächsten Schritt, dem Geruch, werden drei Komponenten bewertet: Frucht, Würze und Vegetabilität (Aromabereich, der das Spektrum der Kräuterpflanzen abdeckt, Anm. d. Red.). „Bei dem Geschmack kommt es schließlich darauf an, ob die Frucht, die wir vorher in der Nase hatten, auch dem Eindruck auf der Zunge entspricht. Ist die Diskrepanz groß, spricht das eher für eine mindere Qualität.“

Auch Struktur und Länge spielen bei der Bewertung eine Rolle. „Es gibt Weine, die einen langen Nachhall haben oder beim Schlucken schon ‚weg‘ sind.“ Ein guter Wein, so Kohzer, erreiche eine Länge von 7 bis 8. Durchschnittliche Weine landen bei 70 bis 79 Punkten, gute Weine erzielen zwischen 80 und 90 Punkte, hervorragende Weine bewegen sich jenseits der 90-Punkt-Marke.

Ein Champagner, serviert mit dem dazugehörigen Champagner-Glas. 
Ein Champagner, serviert mit dem dazugehörigen Champagner-Glas.  © Britta Prasse

Hervorragende Qualität muss aber nicht jedem Weintrinker schmecken. „Wenn jemand sagt: ‚Das ist für mich ein guter Wein, weil er mir schmeckt‘, ist das ein Kriterium, das ernst zu nehmen ist. Wenn dieser Wein dann nur 2,99 Euro kostet, spielt das für mich keine Rolle. Ich würde niemals dogmatisch sein und sagen, dass das ein schlechter Wein ist“, betont Simone Kohzer. Der Gast bzw. Seminar-Teilnehmer müsse sich wohl fühlen. „Es gibt für alle Menschen, die gerne Wein trinken, den richtigen Wein. Es kann vorkommen, dass jemand bekennender Rotwein-Liebhaber ist. Denjenigen kann ich dann aber auch überraschen, indem ich ihm einen ‘Blanc de Noirs’ reiche. Das ist ein Wein, der weiß gekeltert wurde, aber aus roten Trauben – beispielsweise den Spätburger-Trauben – besteht. Der Wein kann wasserklar, fast wie Korn sein, hat aber die Sensorik eines Spätburgunders.“

Weiterbildung zur German Wine Professional

Ihr Wissen und ihre Erfahrungen kann Simone Kohzer nicht nur bei Seminaren oder Beratungen einbringen; seit ein paar Monaten arbeitet sie auch als freie Sommelière im Romantik- und Wellnesshotel Deimann in Schmallenberg. Gerade weil sich die Weinwelt ständig weiterentwickelt, möchte sich auch Simone Kohzer regelmäßig weiterbilden. „Im nächsten Jahr starte ich meine berufsbegleitende Ausbildung zum German Wine Professional des Deutschen Weininstituts. Dort wird in 21 Monaten noch mal tiefgreifendes Wissen vermittelt. Wir besuchen zum Beispiel alle 13 deutschen Weinanbaugebiete.“ Eine Bildungsreise, auf die sich die Meggenerin freut. Ein Erlebnis, das über den Weinglasrand hinausgeht.