Attendorn. Die Gynäkologie und Geburtshilfe in der Helios-Klinik wird zum 1. November schließen. Ist das die Chance für ein hebammengeführtes Geburtshaus?

Alle Versuche von Stadt und Politik, die Gynäkologie und Geburtshilfe in der Attendorner Helios-Klinik über den 1. November hinaus zu erhalten, sind gescheitert. Am Mittwochabend teilte der Konzern mit, dass trotz einer Vielzahl an Unterstützungsangeboten die Entscheidung endgültig sei. „Eine traditionsreiche Geburtshilfe nicht weiter betreiben zu können, ist auch für uns als Träger ein schwerer Einschnitt“, betont Reiner Micholka, Regionalgeschäftsführer der Helios Region West.

Doch der akute fachärztliche Personalmangel könne auch durch den Einsatz von Honorarkräften und ständigen Wechsel von Ärzten, die temporär, aber eben nicht langfristig helfen würden, nicht abgefangen werden. Deswegen ziehe man nun einen Schlussstrich unter die Abteilung.

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Doch anstatt Trübsal zu blasen, schaut die Stadtverwaltung in die Zukunft und sucht nach einer Möglichkeit, die wegbrechende Geburtsklinik auf anderem Wege zu ersetzen. In den Gesprächen mit der Helios-Klinik ist dabei tatsächlich eine sehr konkrete Idee geboren: Und zwar die eines hebammengeführten Geburtshauses, das aus rechtlicher Sicht sogar ohne fachärztliche Anbindung erlaubt ist.

Es hängt an einer Hebamme

Weil ein solches Geburtshaus aber nicht von der Stadt betrieben werden kann, braucht es schlicht und ergreifend eine mutige Hebamme, die als Unternehmerin und Geschäftsführerin ein solches Geburtshaus eröffnen würde. Die gute Nachricht: Die gesamte Infrastruktur ist schon vorhanden, denn der Helios-Konzern hat sich laut Kristin Meyer von der Stadt schon bereit erklärt, die nicht mehr genutzten Räumlichkeiten wie die Geburtssäle in Form eines Mietvertrages zur Verfügung zu stellen.

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Ganz ohne Risiko wäre ein hebammengeführtes Geburtshaus ohne fachärztliche Anbindung natürlich nicht, denn im akuten Notfall müsste eine zum Beispiel in den Wehen liegende Mutter nach Olpe oder Altenhundem verlegt werden, wo wiederum ein Facharzt verfügbar ist. Deswegen wäre ein Geburtshaus mit gynäkologischem Hintergrunddienst zu koppeln – vergleichbar mit dem Belegarztprinzip. „Denn wenn eine Geburt kompliziert wird und die Hebamme ärztlichen Beistand braucht, dann wäre innerhalb kürzester Zeit ein Facharzt vor Ort“, sagt Kristin Meyer.

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Doch das genaue Konzept eines solchen Geburtshauses, das es beispielsweise in Soest oder Hagen gibt, ist der zweite Schritt. In einem ersten muss eine mutige Unternehmensgründerin, die den durchaus ambitionierten Schritt in die Selbstständigkeit wagt, gefunden werden. Dabei steht die Stadt Gewähr bei Fuß: „Wir treten gerne als Vermittler auf und helfen, wo es geht“, verspricht Meyer. Sie bedauert die Entscheidung der Helios-Klinik, die Gynäkologie und Geburtsklinik zu schließen, kann diese aber auch verstehen: „Leider war unser Engagement nicht von Erfolg gekrönt. Gemeinsam mit der Politik haben wir Ärzte aufgetrieben, die sich bedingt und zumeist auch nur in Teilzeit beteiligt hätten. Und einen Chefarzt haben auch wir nicht aus dem Hut zaubern können. Gerade für eine Geburtsklinik braucht man eine nachhaltige Lösung, die wir leider nicht bieten können.“

Keine wirtschaftliche Entscheidung

Helios selbst machte in der Mitteilung noch einmal deutlich, dass die Entscheidung ausdrücklich nicht aus mangelnder Wirtschaftlichkeit, sondern einzig aufgrund des akuten Fachärztemangels getroffen worden sei. Denn die Geburtshilfe erlebe auch in diesem Jahr mit bislang 429 Geburten (Stand Mittwochabend) ein starkes Jahr. In den vergangenen Jahren kamen immer rund 500 Babys in Attendorn zur Welt. „Umso betroffener macht uns die personelle Situation im ärztlichen Dienst, die wir aufgrund fehlender Nachbesetzungsmöglichkeiten nicht dauerhaft kompensieren können“, bedauert auch Klinikgeschäftsführer Dr. Volker Seifarth.

Helios: 86 Kliniken – rund 5,2 Millionen Patienten

Die Helios-Kliniken-Gruppe ist – gemessen an der Zahl der Mitarbeiter und am Umsatz – einer der größten Anbieter von stationärer und ambulanter Patientenversorgung in Europa.

In Deutschland verfügt Helios über 86 Kliniken, darunter sieben Krankenhäuser der Maximalversorgung. Jährlich werden in Deutschland rund 5,2 Millionen Personen behandelt.

Eine weitere beruhigende Nachricht: Das Unternehmen gab eine Standortgarantie ab, das Krankenhaus im Ganzen stehe nicht zur Disposition. Man sei sogar dabei, andere Abteilungen auszubauen, das Pflegepersonal aufzustocken, vakante Chefarztpositionen schnell nachzubesetzen und die Anzahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Und vielleicht wird die Klinik ja schon in naher Zukunft Gastgeber und Vermieter eines hebammengeführten Geburtshauses sein.